Die Einschätzung fällt deutlich aus: Österreich nehme die Realität des Rassismus nicht ernst genug. Das sagte die UNO-Sonderberichterstatterin für Rassismus, Ashwini K. P., nach ihrem mehrtägigen Besuch in Wien, Graz und Salzburg. In der UNO-City stellte die indische Politikwissenschafterin klar: „Es gibt einen weit verbreiteten Widerwillen, die Existenz von Rassismus in vollem Ausmaß anzuerkennen.“

Ihre Kritik zielt nicht nur auf einzelne Fälle – sie ortet vielmehr systemische Schwächen, politische Fehlentwicklungen und gesellschaftliche Blindstellen.

Klares Nein zum Kopftuchverbot

Besonders deutlich positionierte sich Ashwini gegen das geplante Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren. Die Sonderberichterstatterin erklärte, sie sehe „keine wesentlichen Belege“ für die Notwendigkeit dieses Eingriffs. Nach Gesprächen mit Vertretern der muslimischen Community komme sie vielmehr zu dem Schluss, dass ein solches Gesetz „islamophobische Einstellungen, Vorurteile und Stereotypen verstärken werde“.

Darüber hinaus verstoße das Vorhaben ihrer Einschätzung nach gegen grundlegende Freiheitsrechte: „Ich habe das starke Gefühl, dass dies im Widerspruch zur Religionsfreiheit und der Freiheit der Kultur steht.“

Für viele Befürworter soll das Verbot junge Mädchen schützen – doch Ashwini warnt vor unbeabsichtigten Folgen. Ein Kopftuchverbot könne dazu führen, dass betroffene Kinder in religiöse Privatschulen wechseln müssen, was ihre Bildungschancen verschlechtern könnte.

Eine Expertin, die Diskriminierung kennt

Ashwini ist seit 2022 UNO-Sonderberichterstatterin für Rassismus, Rassendiskriminierung und Fremdenfeindlichkeit. Die Politikwissenschafterin gehört der indischen Dalit-Kaste an, den sogenannten „Unberührbaren“. Seit ihrer Kindheit engagiert sie sich gegen dieses System.

Während ihres Österreich-Besuchs traf sie Regierungsvertreter, Behörden, NGOs und Betroffene. Ihren offiziellen Bericht will sie im Juli dem UNO-Menschenrechtsrat vorlegen.

„Viel mehr zu tun“ – strukturelle Defizite in Österreich

Österreich habe durchaus Fortschritte gemacht, betonte Ashwini: „Österreich hat sinnvolle Schritte ergriffen, um es mit der Diskriminierung aufzunehmen, aber es ist noch viel mehr zu tun.“

Ein Kernproblem sei der Föderalismus. Zersplitterte Kompetenzen zwischen Bund und Ländern führten zu „Lücken und unterschiedlichen Schutzniveaus“. Ihr Vorschlag: ein umfassender nationaler Aktionsplan gegen Diskriminierung.

Rassismus im Alltag: Schwarze, Roma, Sinti und Juden besonders betroffen

In ihren Gesprächen wurden zahlreiche Problemfelder sichtbar. Laut Ashwini sei Rassismus gegenüber Schwarzen besonders ausgeprägt. Betroffene berichteten von Racial Profiling – Polizeikontrollen allein aufgrund der Hautfarbe – sowie Schwierigkeiten im Bildungssystem und auf dem Wohnungsmarkt.

Auch Berichte über Diskriminierung von Roma und Sinti bezeichnete sie als „besorgniserregend“. Zusätzlich zeigte sie sich „zutiefst besorgt“ über die Zunahme antisemitischer Vorfälle in Österreich. Gleichzeitig sprach sie von Fällen „antipalästinensischen Rassismus“, etwa in den Medien.

Alarmierender Trend: Aufstieg rechter Gruppen

Einen weiteren Schwerpunkt legte Ashwini auf politische Entwicklungen. Sie sehe „den Aufschwung von rechtsgerichtetem Populismus und von Neonazi-Gruppen“ mit Sorge. Besonders in Graz habe sie diese Tendenzen wahrgenommen – in einer Region, die seit einem Jahr von FPÖ-Landeshauptmann Mario Kunasek regiert wird.