US-Veteranen schockiert über Lage in Afghanistan: "Es war sinnlos. . ."
Einst kämpften Sie in Afghanistan gegen den Terror – nun blicken sie mit Entsetzen nach Afghanistan. Viele US-Veteranen sorgen sich um die afghanischen Helfer und Frauen, denen eine düstere Zukunft droht. Und sie fragen sich, ob ihr Einsatz – und der Tod vieler Soldaten – umsonst war.
Einst kämpften sie in Afghanistan im “Krieg gegen den Terror” – jetzt blicken sie mit Entsetzen auf die dramatischen Entwicklungen am Hindukusch. Viele US-Veteranen sind schockiert über die Rückkehr der radikalislamischen Taliban an die Macht und die chaotischen Szenen in Kabul, sie sorgen sich um die afghanischen Helfer und die afghanischen Frauen, denen eine düstere Zukunft droht. Und sie fragen sich, ob ihr Einsatz – und der Tod vieler Soldaten – umsonst war.
“Ich war für einen Abzug, ich war der Meinung, dass es nach 20 Jahren und Milliarden von ausgegebenen Dollar an der Zeit war”, sagt Marc Silvestri, der vor einem Jahrzehnt in Afghanistan im Einsatz war. Er habe sich aber nicht vorstellen können, dass die Taliban so schnell die Macht wieder an sich reißen würden.
"Nie gedacht, dass afghanische Armee Waffen einfach niederlegt"
“Ich hätte nie gedacht, dass die afghanische Armee, in die wir so viel Training und Geld gesteckt haben, einfach ihre Waffen niederlegen und das Land übergeben würde”, sagt der 43-Jährige, der in Revere im Bundesstaat Massachusetts andere Veteranen betreut. “Das hat mich schockiert.”
Der Veteran Chad Fross war nach eigenen Worten immer davon ausgegangen, dass der US-Truppenabzug ein “Chaos” sein werde. Die USA hätten Afghanistan auch 20 Jahre nach Beginn des Militäreinsatzes, in dessen Verlauf rund 2.450 US-Soldaten getötet wurden, nicht richtig verstanden.
“Viele Menschen werden fragen: Warum? Es war sinnlos, dort zu sein, zu sehen, wie Freunde ihr Leben oder Körperteile oder ihren Verstand verlieren”, sagt der Veteran. “Aber ich frage mich zugleich, wie sinnlos es gewesen wäre, am bisherigen Kurs festzuhalten, wenn das Ergebnis in 20 Jahren dasselbe gewesen wäre wie jetzt.”
Afghanen fürchten Rache der Taliban
Inmitten des laufenden Abzugs der westlichen Truppen hatten die Taliban in atemberaubendem Tempo das Land überrannt. Am Sonntag marschierten die Islamisten ohne Widerstand in der Hauptstadt Kabul ein. Westliche Staaten versuchen jetzt in einer dramatischen Evakuierungsaktion, ihre Staatsbürger und afghanische Ortskräfte außer Landes zu bringen.
Die Afghanen, die während des Krieges etwa als Übersetzer für die westlichen Streitkräfte arbeiteten, fürchten die Rache der Taliban, auch wenn diese eine allgemeine Amnestie versprochen haben. Und Biden muss sich fragen lassen, warum er die afghanischen Helfer nicht schon viel früher in Sicherheit brachte. “Sie haben uns geholfen, und wir lassen sie jetzt im Stich”, kritisiert Veteran Fross. “Das ist nicht richtig.”
“Wir müssen unsere Versprechen gegenüber jenen einhalten, die so viel für uns geopfert haben”, erklärt auch Tom Porter von der Vereinigung der Irak- und Afghanistan-Veteranen. “Ich bekomme so viel Wut mit.” Grund für die Verärgerung sei wohlgemerkt nicht der Truppenabzug als solcher, sondern die “planlose und chaotische” Umsetzung.
Rückkehr der Taliban besonders bitter
Silvestri berichtet, dass sich ein Vietnam-Veteran bei ihm gemeldet habe und Vergleiche zwischen Kabul und dem Fall von Saigon 1975 gezogen habe. “Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas noch einmal sehen würde”, habe der Veteran ihm gesagt. “Ich erlebe den Fall von Saigon wieder.”
Für viele Veteranen ist die Rückkehr der Taliban an die Macht auch deswegen so bitter, weil Errungenschaften der vergangenen 20 Jahre zunichte gemacht werden dürften. Insbesondere afghanischen Frauen droht eine Unterdrückung wie während der ersten Taliban-Herrschaft von 1996 bis 2001.
Viele US-Veteranen, aber auch die Angehörigen getöteter Soldaten würden sich jetzt fragen, ob die Opfer umsonst gewesen seien, sagt Silvestri. Den Eltern versichert er, dass ihre Söhne und Töchter nicht für eine “verlorene Sache” gestorben seien. “Letztendlich haben sie für uns gekämpft”, sagt Silvestri. “Einige haben es nicht nach Hause geschafft, aber uns ermöglicht, nach Hause zurückzukehren.” (APA/red.)
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