„Verbrennt ganze Viertel“ – Sinwars geheimes Befehlsschreiben für den 7. Oktober
Ein sechsseitiges Schreiben von Ex-Hamas-Chef Yahya al-Sinwar ist aufgetaucht. Eine Analyse enthüllt: Das Massaker am 7. Oktober 2023 war präzise geplant. Sinwar kannte Israels Schwachstellen, kalkulierte Tempo und mediale Wirkung. Für Europa eine Warnung: Solche Operationen können Sicherheitslücken aufreißen.
Das handschriftliche Schreiben von Yahya al-Sinwar (1962 bis 2024) ist eine erschütternde Choreographie des Terrors.APA/AFP/MOHAMMED ABED/Screenshot
In einem Bunker, fotografiert auf einem offline betriebenen Computer, wurde das Dokument gefunden – mittlerweile auch forensisch zugeordnet und analysiert. Es legt die Handschrift eines Mannes offen, der nicht nur zum Töten aufrief, sondern die Gewalt choreografierte: Yahya al-Sinwar steht im Zentrum dieser erschütternden Enthüllung. Er war der mächtige, skrupellose Führer der Hamas im Gazastreifen – und er schrieb persönlich den Plan für den 7. Oktober 2023.
Einsatzanweisung für Brandstiftung, Massaker, Geiselnahmen
Seine sechsseitige, handschriftliche Einsatzanweisung vom 24. August 2022 enthält nicht nur taktische Anweisungen, sondern ein Programm zur Inszenierung des Terrors: Brandstiftung, Massaker, Geiselnahmen – und die ausdrückliche Aufforderung, die Gräuel sofort zu filmen und zu verbreiten.
Die New York Times berichtete über den Fund; mittlerweile hat das Meir Amit Intelligence and Terrorism Information Center (ITIC) in Israel den Inhalt detailliert analysiert.
Präzise geplant – und erschreckend eingetroffen
Das Bild, das sich daraus ergibt: ein Mann, der den Angriff nicht nur plante, sondern wie ein Theaterstück des Schreckens inszenierte – und seinen Gegner jahrelang studierte. Seine Prognosen über den Verlauf der ersten Stunden waren erschreckend präzise – und trafen im Wesentlichen ein.
Sinwar – der Drahtzieher des Terrors
Wer ist Yahya al-Sinwar? Er war ideologischer Motor, Brutalitäts-Instrukteur und Stratege in Personalunion. Das ITIC-Papier zeichnet nach, wie Sinwar seit Jahren die Idee der „Zerstörung Israels“ vorantreibt — nicht nur rhetorisch, sondern operativ. Seine Einsatzanweisung von August 2022 ist eine präzise Handlungsanweisung, ausgearbeitet von jemandem, der den Ausgang kalkuliert und gewollt sah. Die Inhalte zeigen seinen Willen, Gewalt zu systematisieren und gezielt zu instrumentalisieren.
Es besteht kein Zweifel: Die von der New York Times zitierten Handschriftprüfungen verbinden das Dokument eindeutig mit Sinwar.
Täuschung als Waffe – Wochen der trügerischen Routine
Sinwars Kalkül setzte lange vor dem Angriff an. Wochen zuvor sollten militärische Simulationen wie Routine wirken: Erdarbeiten, Traktoren, „Rückkehrlager“-Inszenierungen — all das diente dazu, Israels Sensoren und Analysten in Sicherheit zu wiegen. Während israelische Beobachter von gewöhnlichen „Protesten“ ausgingen, wurden in Wahrheit Zugangswege vorbereitet, Routen markiert und schweres Gerät in Stellung gebracht.
Das Ziel: Israel in trügerischer Ruhe halten – bis der Schlag überraschend und maximal effektiv kommen konnte. Das war keine Improvisation, das war kalte Planung.
Angriffsmatrix: Drei Achsen, Bulldozer, Sprengkommandos
In der Einsatzanweisung markiert Sinwar drei strategische Durchbruchsstellen: im Norden (Erez), im Osten (Nahal Oz) und gegenüber den zentralen Flüchtlingslagern.
Bulldozer und Pioniereinheiten sollten die Zäune öffnen, Hindernisse beseitigen und den Weg für nachrückende Stoßtruppen freimachen. Es war eine Ingenieursleistung mit militärischer Präzision – minutiös vorbereitet und auf maximale Wirkung ausgelegt.
Vier Wellen in 10-Minuten-Abständen – präzise getakteter Terror
Die Einsatzanweisung beschreibt eine Wellenlogik: Die Operation sollte in mindestens vier Wellen erfolgen. Jede Brigade verfügte über eigene Karten und Ziele – versiegelt in Umschlägen, die erst im Einsatz geöffnet wurden. Innerhalb von 10 bis 15 Minuten nach Beginn sollten weitere Einheiten folgen. Das Tempo war entscheidend.
Sinwar kalkulierte ein Erfolgsfenster von sechs bis zehn Stunden: In dieser Zeit sollten Fakten geschaffen werden – Kontrolle über Kommandozentralen, Kommunikationspunkte und IDF-Positionen, bevor Israel reagieren konnte.
Einheitliche Kennzeichen – Disziplin statt Chaos
Um Eigenbeschuss zu vermeiden, ordnete Sinwar klare Erkennungszeichen an: Armbinden, Flaggen, Uniformteile mit dem Symbol der „al-Quds Army“. Die Angreifer waren koordinierte Stoßtruppen mit militärischer Disziplin und logistischer Selbstsicherung. Brutalität und Organisation schlossen sich in diesem System nicht aus – sie bedingten einander.
„Explosive Bilder“ – Terror als Medienspektakel
Hier offenbart sich die perfideste Dimension des Plans. Sinwar wollte nicht nur militärische Wirkung erzielen, sondern gezielt Bilder schaffen. Wörtlich schrieb er: „Explosive Bilder: Bilder müssen veröffentlicht werden, die einen Euphorieausbruch auslösen… und zugleich Angst und Terror beim Feind säen.“
Er befahl Tritte auf Soldatenköpfe, Erschießungen aus nächster Nähe, Messermorde, brennende Panzer und ganze Viertel in Flammen – und all das sollte gefilmt und sofort verbreitet werden. Das war Krieg als Inszenierung: Terror als Performance, um andere Palästinenser zum Mitmachen anzustacheln und Panik in Israel zu schüren.
Die Stimme des Terrors – abgefangene Funksprüche
Die New York Times analysierte stundenlange Funksprüche. Der Ton: brutal, befehlend, gnadenlos: „Fangt an, Häuser in Brand zu setzen.“, „Brenn, brenn – ich will, dass der ganze Kibbuz in Flammen steht.“, „Tötet alle auf der Straße.“, „Nehmt viele Geiseln.“, „Schlitzt ihnen die Kehlen auf… so wie ihr trainiert wurdet.“
Am Tag des Angriffs wurde der Befehl aus der Einsatzanweisung wiederholt: „Dokumentiert die Szenen des Schreckens, jetzt, und sendet sie in die ganze Welt.“ Diese Aufnahmen sind die Tonspur zum schriftlichen Plan – Drehbuch und Ausführung in einem.
Beweise auf den Schlachtfeldern – Sinwars Handschrift überall
Nach dem Angriff fanden Ermittler weitere Dokumente: Befehle zum Massaker im Kibbutz Alumim („tötet, tötet, tötet“), Codenamen wie aswad (Ermordung aller Geiseln) oder autobus (Geiseln als Schutzschilde). In Fahrzeugen und Taschen lagen Zielkarten, Zeitpläne und Hinweise auf Spezialausbildungen – einige Kommandos waren laut Berichten sogar im Iran trainiert worden.
Alles passt zu dem Muster der systematischen Gewalt, das Sinwar in seiner Einsatzanweisung vorgab.
Sexuelle Gewalt als Waffe – gezielt, systematisch, wiederkehrend
Eine besonders düstere Facette: Sexuelle Gewalt war keine zufällige Entgleisung, sondern offenbar Teil der Strategie. ITIC fasst zusammen: Berichte des Rape Crisis Centers (Februar 2024), des Dinah Project (Juli 2025), der Roberts-Kommission (Jänner 2025) und des Guardian (Jänner 2024) belegen identische Muster. Gruppenvergewaltigungen, Verstümmelungen, Demütigungen – und die Fortsetzung der Gewalt in Gefangenschaft.
Das Gesamtbild zeigt eine bewusst eingesetzte, sadistische Kriegsführung.
Medienkrieg und Mobilisierung – Propaganda als zweite Front
Sinwar wollte nicht nur töten, sondern die arabische Welt emotional aufrütteln. Seine Einsatzanweisung forderte, die Bilder „an die ganze Nation“ zu senden – mit dem Ziel, Aufstände in der Westbank, Ostjerusalem und unter israelischen Arabern auszulösen. Auch die Hisbollah im Libanon sollte sich anschließen. Die Bilder sollten eine regionale Kettenreaktion provozieren. Damit wurde die Medienarbeit selbst zur Waffe, integraler Bestandteil der Operation.
Am Ende scheiterte die Hamas
Doch Sinwars Plan erfüllte sich nicht. Er hatte gehofft, Israel werde nach den ersten Stunden des Terrors von allen Seiten gleichzeitig angegriffen und letztlich zerstört. Dazu kam es nicht. Die vom Iran gesteuerte Hisbollah war unvorbereitet, das Mullah-Regime ist bis heute verärgert über den „verfrühten“ Angriff der Hamas-Terroristen, berichten Insider. Kürzlich räumte Teheran erstmals öffentlich ein, dass der Angriff ein Fehler war.
Israel konnte sich nach den ersten Schrecksekunden erfangen und erfolgreich zurückschlagen. In den folgenden zwei Tagen gelang es den Israelischen Verteidigungsstreitkräften (IDF), die Kontrolle zurückzuerlangen. Sinwar selbst wurde im Oktober 2024 – eher zufällig als gezielt – bei Kämpfen im Gazastreifen getötet. Der einstige Hamas-Chef wusste, was auf dem Spiel stand: Sein Dokument enthält genau diesen Warnhinweis. Darin forderte er, das Sechs-bis-zehn-Stunden-Fenster vollständig auszunutzen; andernfalls, so schrieb er, „könnte der Feind die Kontrolle zurückgewinnen und einen Gegenangriff starten, möglicherweise mit externer Unterstützung – dann würde sich die Lage gegen uns wenden.“ So kam es auch.
Europa muss lernen – ein neues Paradigma der Gewalt
Der 7. Oktober zeigt: Krieg ist längst mehr als ein militärischer Akt. Sinwar kalkulierte eine Kombination aus militärischer Präzision und propagandistischer Macht. Der Anschlag war kein „Übergriff“, sondern der Versuch, die Realität auf dem Schlachtfeld wie im Kopf der Weltöffentlichkeit zu verändern.
Europa muss daraus Konsequenzen ziehen. Terroristen, die sich im Krieg gegen den Westen wähnen, sind zu vielem bereit. Sie analysieren die Schwächen ihrer Gegner genau. Tempo entscheidet über Leben – oder Niederlage.