Der Streit ums Kopftuch flammt in Österreich neu auf. 2020 scheiterte das Verbot vor dem Verfassungsgerichtshof – jetzt wagt Integrationsministerin Claudia Plakolm einen zweiten Anlauf. Mit schärferen Begleitmaßnahmen soll das Gesetz diesmal halten, doch Widerstand von IGGÖ und Experten ist programmiert.

Claudia Plakolm ist Familien-, Europa- und Integrationsministerin.APA/GEORG HOCHMUTH

Warum es damals nicht geklappt hat

Der VfGH kippte das 2019 beschlossene Gesetz, weil es eine bestimmte Religion herausgriff und damit gegen den Gleichheitsgrundsatz sowie die Religionsfreiheit verstieß. VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter betonte: damals „Durch die Regelung (…) wird islamische Herkunft und Tradition als solche ausgegrenzt.“ Die Schule gründe „unter anderem auf den Grundwerten der Offenheit und Toleranz“. Ein selektives Verbot sei unverhältnismäßig und treffe jene, „die den Schulfrieden nicht stören“. Zudem warnte der Gerichtshof vor Stigmatisierung und erschwertem Bildungszugang für betroffene Mädchen. Kurz: Religionsneutralität und Gleichbehandlung waren die Sollbruchstellen.

Warum es jetzt klappen soll – die neue Linie

Integrationsministerin Claudia Plakolm will die Kritikpunkte der Höchstrichter adressieren. Sie kündigt begleitende Maßnahmen an: „Eine Kritik des Verfassungsgerichtshofes war, dass wir begleitende Maßnahmen setzen müssen. Es geht auch darum, konkrete Maßnahmen gegenüber Sittenwächtern zu ergreifen – also gegen Burschen, die Mädchen unter Druck setzen, ein Kopftuch zu tragen.“ Politisch verweist die Regierung zudem auf Rückhalt in der Bevölkerung; laut genannter OGM-Umfrage befürworten 65 Prozent ein Verbot. Inhaltlich zielt der neue Vorstoß auf den Schutz Minderjähriger bis zur Religionsmündigkeit mit 14 Jahren ab – flankiert von schulischen und ordnungspolitischen Instrumenten gegen Druck und Mobbing.

Zwischen Pädagogik, Recht und Symbolik

Die Debatte verläuft entlang klarer Linien – aber mit neuen Zwischentönen. Die Schulamtsleiterin der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Amina Baghajati, ortet im Wien heute – Gespräch Populismus und fordert einen runden Tisch mit den Betroffenen. Aus der Praxis kommt die Mahnung, nicht die Mädchen zu sanktionieren, sondern Druck zu unterbinden. Die Lehrerin Ilkay Idiskut sagt: „Meistens sind das die männlichen Personen, die da diese Sittenwächterrolle übernehmen. Und genau deswegen sollte man das den Mädchen nicht verbieten, sondern eher hinschauen, dass die Buben sich zusammenreißen und den Mädchen zu Selbstbestimmtheit verhelfen und sie in diesem Sinne fördern.“

Der frühere IGGÖ-Sprecher Rusen Timur Aksak verortet das Thema im Interview mit ServusTV über die reine Religionspraxis hinaus: „Das Kopftuch ist mittlerweile, leider Gottes, ein politisches Symbol geworden.“

Er schildert dabei auch seine Lehren: „Ehre hat nichts mit einem Stück Tuch oder äußeren Symbolen zu tun.“ Zugleich plädiert er für Schuldisziplin statt Kleidungsfokus: „Damals wie heute müsste man einfach dagegenhalten, indem wir solches Verhalten schon an den Schulen sanktionieren. Es geht einfach nur darum, ihnen zu zeigen, dass es ihnen nicht zusteht, über das Verhalten anderer zu bestimmen.“ Sein Leitbild: „Meine Hoffnung ist ja, dass wir mit der Säkularisierung des Klassenzimmers alle Kinder und Jugendlichen mitnehmen können.“

Wie die IGGÖ reagiert – und was NÖ auslöst

Die Islamische Glaubensgemeinschaft lehnt ein Kopftuchverbot ab, betont aber zugleich: „Die IGGÖ ist gegen Zwang jeglicher Form.“ Scharf fällt die Reaktion auf das im April 2025 im niederösterreichischen Landtag beschlossene Maßnahmenpaket gegen den „radikalen Islam“. IGGÖ-Präsident Ümit Vural sieht einen „Rückschritt für den Rechtsstaat“ und warnt vor juristisch unscharfen Begriffen, die „gefährlichen Spielraum für willkürliche Auslegungen“ eröffnen. Zudem entstünde „ein Klima des Misstrauens“ gegenüber muslimischer Religiosität: „Echte Integration braucht Dialog, Bildung und Vertrauen – nicht Kontrolle und politische Schnellschüsse.“