Von Amtsgeheimnis zu Informationsfreiheit: Transparenz oder Gesetzesmurks?
Wussten Sie, dass Sie mit dem Informationsfreiheitsgesetz leichter Antworten von Behörden erhalten können? Doch Kritiker warnen: Beamte geraten zwischen Transparenzpflicht und Strafandrohung.
Pressekonferenz zum Informationsfreiheitsgesetz am 5. Oktober 2023 mit Vizekanzler a.D. Werner Kogler und Europaministerin a.D. Karoline Edtstadler (ÖVP)IMAGO/ SEPA.Media
Mit 1. September ist in Österreich das Amtsgeheimnis Geschichte – nach mehr als 100 Jahren wurde es offiziell abgeschafft. An seine Stelle tritt das neue Informationsfreiheitsgesetz (IFG), das allen Bürgern ein Grundrecht auf Zugang zu Informationen der Verwaltung einräumt. Damit sollen mehr Transparenz und ein einfacherer Informationszugang möglich werden.
Was das neue Gesetz bringt
Künftig müssen Verwaltungsorgane von Bund, Ländern und Gemeinden, aber auch öffentliche Stiftungen, Fonds und Unternehmen Informationen herausgeben. Antworten müssen grundsätzlich „ohne unnötigen Aufschub“, spätestens jedoch nach vier Wochen erfolgen. Zudem müssen bestimmte Daten – etwa Verträge über 100.000 Euro – proaktiv im Informationsregister unter data.gv.at veröffentlicht werden. 259 Gemeinden mit mehr als 5.000 Einwohnern sind verpflichtet, Daten dort einzutragen. Laut Digitalisierungsstaatssekretär Alexander Pröll (ÖVP) soll dabei auch Künstliche Intelligenz helfen, um die Datenflut verständlich und effizient aufzubereiten.
Erste Kritik: zu langsam, zu kompliziert
Die NGO Forum Informationsfreiheit berichtet nach den ersten Wochen, dass viele Behörden die volle Vier-Wochen-Frist ausnützen – entgegen der gesetzlichen Vorgabe, rasch zu antworten. Manche Ministerien verweigerten gar Antworten auf Anfragen per E-Mail. Für FOI-Vorstandsmitglied Markus Hametner ist das ein klarer Rückschritt: „Viele Häuser lehnen sich zurück, statt eine echte Transparenzkultur zu leben.“
FPÖ: „Gesetzesmurks und Bürokratie“
Besonders scharf fällt die Kritik der FPÖ aus. Verfassungssprecher Michael Schilchegger sprach von einem „Gesetzesmurks“, der Transparenz nur vortäusche. Die neuen Geheimhaltungspflichten seien so weitreichend, dass Behörden immer Gründe finden könnten, Informationen zurückzuhalten. “Welches Prinzip bei einer bestimmten Anfrage zur effektiven Anwendung kommt – Transparenz oder Geheimhaltung – ist dem Gesetz aber nicht zu entnehmen. Auch die Abwägungskriterien sind nicht präzise bestimmt. Das bedeutet, dass die schwierige juristische Abwägungsarbeit nicht durch den Gesetzgeber gelöst, sondern den Behörden überlassen wird. Die Folgen sind absehbar: uneinheitliche Rechtsanwendung, neue Bürokratie, verwaltungsgerichtliche Auseinandersetzungen“, befürchtete Schilchegger.
Beamte würden durch strafrechtliche Drohungen („Verletzung einer Pflicht zur Geheimhaltung“) unter Druck gesetzt und könnten im Zweifel kriminalisiert werden, wenn sie zu offen Auskunft erteilen. Für die FPÖ schafft das neue Gesetz kein Transparenzzeitalter, sondern ein „teures Bürokratiemonster“. „Beamte und Bedienstete des öffentlichen Sektors, die Informationsfreiheit ernst nehmen und Auskünfte erteilen wollen, stehen also mit einem Bein im Kriminal. Diese permanente Drohkulisse führt zu einer Kultur der Vorsicht, in der sehr vieles dokumentiert, aber lieber keine Information übermittelt wird, um keine Strafverfolgung zu riskieren“, erläuterte Schilchegger.
Zwischen Anspruch und Realität
Während die Regierung von einem „Paradigmenwechsel“ spricht, zeichnet sich in der Praxis bereits ein anderes Bild: wenige Anfragen, viele Verzögerungen, Unsicherheit in den Behörden. Ob das neue Informationsfreiheitsgesetz tatsächlich zu mehr Transparenz führt – oder nur ein weiteres Stück komplizierter Gesetzgebung bleibt – wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen.
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