Nur Stunden nach dem antisemitischen Terroranschlag auf die Chanukka-Feier in Sydney sprang der Hass nach Europa über. Am 14. Dezember 2025 zogen in Amsterdam rund hundert pro-palästinensische Demonstranten vor das Concertgebouw, wo ein Chanukka-Konzert stattfand. Es kam zu Sprechchören wie „Kindermörder“, zu Rauchbomben und zu Zusammenstößen mit der Polizei. Die Beamten mussten mit Schlagstöcken eingreifen, 22 Personen wurden festgenommen. Schwer verletzt wurde niemand – doch die Botschaft war eindeutig: Jüdisches Leben sollte eingeschüchtert werden, ausgerechnet während eines religiösen Festes.

Was sich an diesem Abend in Amsterdam abspielte, ist kein isolierter Zwischenfall. Es steht exemplarisch für eine weltweite Entwicklung. Seit dem Hamas-Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 hat sich der Antisemitismus international dramatisch verschärft – besonders in Europa. Angriffe auf Juden, Brandanschläge auf Synagogen, Drohungen, Hassparolen und offene Gewalt häufen sich. Jüdische Organisationen sprechen längst von einer „Globalisierung der Intifada“: Judenhass wird nicht mehr lokal ausgetragen, sondern exportiert – über Länder, Kontinente und Gesellschaften hinweg.

Die ideologischen Wurzeln des Hasses

Diese Eskalation kommt nicht aus dem Nichts. PLO-Gründer Yasser Arafat legte 1994 einen wichtigen Grundstein, als er kurz nach Unterzeichnung der Osloer Verträge in einer Moschee in Johannesburg , Moschee, Mai 1994 offen den „Dschihad“ und den Kampf um Jerusalem zur religiösen Pflicht erklärte. Was als politische Rhetorik begann, wurde zur Blaupause für radikale Bewegungen.

Yasser Arafat: Der PLO-Gründer gilt als zentrale Figur bei der ideologischen Aufladung des Nahostkonflikts – seine religiös codierte Rhetorik prägte spätere radikale Bewegungen bis heute.APA/AFP/Sven NACKSTRAND

Die radikalislamische Terrororganisation Hamas baute auf dieser Sprache auf und legitimierte Gewalt in ihrer Charta von 1988 – der Kampf endet erst, wenn Juden besiegt sind. Fathi Hammad, ein hochrangiges Hamas-Mitglied, rief 2019 öffentlich dazu auf, Juden „überall auf der Welt“ anzugreifen. Dies ist die ideologische Essenz der globalisierten Intifada: Keine Grenzen, keine Ausreden, keine Trennung zwischen Worten und Taten.

Quds-Day-Demonstration in Rabat: Teilnehmer tragen Porträts von Hamas-Gründer Scheich Ahmad Yassin, PLO-Chef Yasser Arafat und Hamas-Anführer Ismail Haniyeh – Symbole für die ideologischen Wurzeln der globalisierten Intifada auf Juden.APA/AFP/Abdel Majid BZIOUAT

Vom Ruf zur Tat – eine Eskalationsspirale

Was seit dem 7. Oktober 2023 folgte, ist eine schrittweise Enthemmung von Gewalt – sichtbar über Kontinente hinweg. Zuerst Worte. Dann Drohungen. Dann Feuer. Dann Blut.

Am 8. Oktober 2023 erschießt ein ägyptischer Polizist zwei israelische Touristen in Alexandria. Der Krieg ist noch keine 24 Stunden alt.

Am 9. Oktober 2023 skandieren Demonstranten vor dem Opernhaus von Sydney „Gas the Jews“. Eine Parole aus dem dunkelsten Kapitel europäischer Geschichte, auf offener Straße, gefilmt, verbreitet. Die Hemmschwelle ist gefallen.

Am 18. Oktober 2023 fliegen Molotowcocktails auf eine Synagoge in Berlin-Mitte. Der Anschlag misslingt knapp, aber die Botschaft ist eindeutig: Jüdische Orte sind wieder Ziele.

Am 29. Oktober 2023 in Machatschkala (Dagestan) stürmen Hunderte einen Flughafen, um jüdische Passagiere aus Tel Aviv zu jagen. Die Menge durchkämmte das Terminal, suchte gezielt nach „Juden“. Kommentatoren sprechen von einem versuchten Pogrom.

Es ging weiter – und es wurde brutaler. Das Muster ist immer gleich: Erst wird gehetzt, dann wird bedroht, dann wird angegriffen – konkret gegen Juden, gegen Synagogen, gegen jüdische Veranstaltungen. Intifada“ ruft, meint irgendwann nicht mehr nur Parolen. Er meint Taten.

In Lyon trifft es eine ältere jüdische Frau: Messerattacke, dazu ein Hakenkreuz als „Signatur“ des Hasses. In Wien verhindert die Polizei nur knapp einen geplanten Anschlag auf die Synagoge – ein Teenager, radikalisiert, mit Material für Sprengsätze.

In Zürich wird ein orthodoxer Jude niedergestochen; der Täter spricht von „Dschihad“ und beruft sich auf Al-Aqsa.

Zürich nach der Messerattacke: Polizei schützt die Synagoge Agudas Achim, nachdem ein orthodoxer Jude niedergestochen wurde – Sicherheitsstufe für jüdische Einrichtungen erhöht.APA/AFP/ARND WIEGMANN

In Rouen brennt eine historische Synagoge, der Angreifer wird nach einem weiteren Angriff auf Polizisten gestoppt. In Amsterdam eskaliert es auf offener Straße: rund um ein Maccabi-Spiel kommt es zu Jagdszenen, Straßenschlachten, Verletzten – die Stadt erlebt Pogrom-Stimmung.

In Athen werden israelische Touristen attackiert, weil sie Hebräisch sprechen und einen Davidstern tragen – selbst Urlaub wird zum Risiko. In Berlin reicht es bis zum Holocaust-Mahnmal: ein Messerangriff, ausgerechnet am Symbolort der Erinnerung. Und in Manchester wird am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur eine Synagoge zum Ziel – Tote, Schwerverletzte, ein Anschlag mitten in Europa.

Der grausame Höhepunkt: Sydney 2025

Am 14. Dezember 2025 erreicht die Eskalation ihren bislang grausamsten Punkt: In Sydney werden bei einer Chanukka-Feier 15 Juden ermordet.

Angesichts dieser Chronologie von „Einzelfällen“ oder bloßen „Emotionen“ zu reden, bedeutet Realitätsverweigerung. Die Globalisierung der Intifada ist keine Metapher mehr. Sie zeigt sich in Messern, Brandsätzen und Kugeln. Von Alexandria über Berlin bis Sydney ist Judenhass nicht mehr nur Parole – er ist zur Tat geworden.