Standard-Redakteurin Elisa Tomaselli reagiert spitz: Der Sprecher des Bundesheeres wirft ihrem Artikel Desinformation vor. Auf X kommentiert sie das mit den Worten: „Wie ein Kollege heute schön sagte: Liebe Grüße aus dem Wahrheitsministerium.“

Wenn der Finger zurückzeigt

Das Absurde daran: Ausgerechnet der Standard soll gemeinsam mit dem ORF in Lehrer-Fortbildungen für Desinformation sensibilisieren – damit diese den Schülern Medienkompetenz vermitteln. Fake News erkennen, Quellen prüfen, Manipulation durchschauen: Genau das ist dort das große Medienkompetenz-Versprechen.

Wir halten fest: Desinformation zu entlarven ist aus Sicht des Standard ein ehrenwertes Anliegen – solange der Blick nach außen gerichtet ist. Zeigt jedoch jemand auf den Standard selbst, fällt prompt der Vorwurf eines „Wahrheitsministeriums“.

Doch das ist nicht die einzige Pointe: Der umstrittene Artikel dreht sich ausgerechnet um Faktenchecks – nur eben nicht die des Standard, sondern jene des Bundesheeres.

Faktenchecks – aber bitte nur die eigenen?

Der Streit entzündet sich an einem Standard-Artikel, der die Rolle des Bundesheeres im Schulwesen kritisch beleuchtet. Darin wird suggeriert, Offiziere würden bei Schulbüchern „ein Wörtchen mitreden“, Lehrpläne begutachten und schulische Aktivitäten könnten Teil einer indirekten Rekrutierungsstrategie sein. Tomaselli rückt dabei fachliche Korrekturen durch Offiziere in Schulbüchern – um inhaltliche Fehler auszubessern – in ein problematisches Licht.

Womit wir bei der nächsten Ironie wären: Der Standard schätzt Faktenchecks – zumindest solange es die eigenen sind. Wachsamkeit gegenüber Fake News gilt als Medienkompetenz, solange sie vom Standard vermittelt wird. Wenn jedoch das Bundesheer fachliche Fehler korrigiert, wird daraus plötzlich eine bedenkliche Einflussnahme.

Man kann es nicht erfinden.

Medienkompetenz für Schulen – und nun selbst im Faktenstreit

Der selbsternannte Aufklärer über Fake News steht nun selbst im Zentrum eines öffentlichen Faktenstreits. Seit Herbst vermittelt der Standard  gemeinsam mit ORF und Ö3 Lehrkräften unter dem Titel „Zukunft Medienkompetenz – #FaktenbrauchenVerbündete“, wie Desinformation erkannt wird – der exxpress berichtete. Workshops und Unterrichtsmaterialien sollen Schüler gegen Fake News, algorithmische Manipulation und Irreführung wappnen.

Wie Aufklärung über Desinformation funktioniert, das zeigt nun auch Bundesheer-Sprecher Michael Bauer vor, ausgerechnet anhand des Artikels „,Geistige Landesverteidigung‘: Der stille Vormarsch des Bundesheers im Schulwesen“ von Elisa Tomaselli, und zwar öffentlich auf X und ungewöhnlich ausführlich. Er wolle – so Bauer – „am Beispiel dieses Artikels darstellen, wie Desinformation funktioniert und wie das Einfließen persönlicher Meinung in einem scheinbar objektiven Artikel zu unsauberem und wertendem Journalismus führt“.

Punkt für Punkt: Warum der Bundesheer-Sprecher von Desinformation spricht

1. Schulbuchkommission: „ein Wörtchen mitreden“

Tomaselli schreibt, Offiziere hätten in der Schulbuchkommission „ein Wörtchen mitzureden“.
Bauer entgegnet: Offiziere seien ausschließlich eingesetzt, um inhaltliche Fehler zu korrigieren, etwa bei Auslandseinsätzen. „Wir reden kein Wörtchen mit, sondern verhindern falsche Inhalte.“

2. Quereinstieg: Politische Absicht oder normaler Schuldienst?

Der Artikel suggeriert eine politische Strategie, Soldaten gezielt in Schulen zu bringen: „Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) und Ex-Bildungsminister Martin Polaschek wollten mehr Menschen aus dem Bundesheer für den Quereinstieg an Schulen begeistern.“
Bauer stellt klar: Milizoffiziere oder Berufssoldaten mit entsprechender Ausbildung seien lediglich ermutigt worden, sich für den Schuldienst zu bewerben.

3. Lehrpläne: Begutachtung oder Beratung?

Tomaselli schreibt, Offiziere würden die neuen Lehrpläne, in denen die geistige Landesverteidigung verankert wird, begutachten.
Bauer widerspricht: Es handle sich um Beratung auf Wunsch der Bildungsdirektionen, beschränkt auf Fragen der Landesverteidigung.

4. Einseitige Stimmenauswahl

Bauer kritisiert, dass ausschließlich negative Reaktionen  der KPÖ zitiert werden. Andere politische Stimmen oder Gegenpositionen fehlten völlig.

5. Ministerium habe nicht geantwortet?

Der Artikel behauptet, das Ministerium habe Fragen nicht beantwortet.
Bauer hält fest: Bei der zuständigen Presseabteilung sei keine Anfrage eingelangt.

6. Anonyme Lehrermeinung

Eine anonyme Lehrkraft äußert Skepsis gegenüber dem Bundesheer an Schulen.
Bauer kritisiert: Es gebe zahlreiche gegenteilige Stimmen – diese seien jedoch nicht berücksichtigt worden.

7. Rekrutierungsstrategie: „nicht vorhandener Zusammenhang“

Besonders schwer wiegt für das Bundesheer der Vorwurf einer versteckten Rekrutierungsstrategie.
Bauer: Hier werde ein nicht vorhandener Zusammenhang zwischen Information über Landesverteidigung und Personalwerbung konstruiert.

Bauers Fazit: Der Artikel ist „manipulativ, unsauber und wertend“ geschrieben.

Medienkompetenz – aber bitte nur in eine Richtung?

Damit schließt sich der Kreis der mehrfachen Ironie: Der Standard wirbt dafür, Schüler für Desinformation zu sensibilisieren und Faktenchecks als Kern von Medienkompetenz zu vermitteln. Wird jedoch ein eigener Artikel Punkt für Punkt überprüft, heißt es plötzlich „Wahrheitsministerium“.

Faktencheck ja – so der Eindruck –, aber bitte nur, wenn er vom Standard selbst kommt.

Eine Anfrage vom exxpress an den Standard, wie man die Vorwürfe des Bundesheeres bewertet und ob Korrekturen geplant sind, blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.