Nach der Parlamentswahl in Georgien hat die proeuropäische Präsidentin Salome Surabischwili für Montagabend zu Protesten gegen den angekündigten Wahlsieg der nationalkonservativen Regierungspartei “Georgischer Traum” aufgerufen. Surabischwili erklärte am Sonntagabend in Tiflis, dass sie das mutmaßlich manipulierte Ergebnis nicht anerkenne. “Wir sind Zeugen und Opfer einer russischen Spezialoperation geworden”, betonte sie.

Trotz der Vorwürfe über zahlreiche Unregelmäßigkeiten hat die zentrale Wahlbehörde die russlandfreundliche Regierungspartei “Georgischer Traum” mit knapp 54 Prozent der Stimmen als Sieger erklärt. Die Partei wird von dem Milliardär Bidzina Iwanischwili geleitet. Mit dieser Wahl steht die weitere Annäherung Georgiens, die als EU-Beitrittskandidat gilt, auf der Kippe.

Der georgische Milliardär und Gründer der Regierungspartei "Georgischer Traum".GETTYIMAGES/Diego Fedele / Freier Fotograf

In Tiflis wird auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán erwartet, der ideologisch eng mit der Partei “Georgischer Traum” verbunden ist. Nach der Parlamentswahl in Georgien gratulierte Orbán als erster der Regierungspartei zu ihrem Sieg. Auch in Moskau wurde der Wahlsieg der Partei “Georgischer Traum” mit Zufriedenheit zur Kenntnis genommen.

Präsidentin Surabischwili sieht russischen Einfluss

Salome Surabischwili, die die prowestliche Opposition in Georgien unterstützt, äußerte gravierende Vorwürfe. “Wir sind in dieser Wahl um das Recht auf unsere Stimme gebracht worden. Gewählt wurde auf russische Art”, erklärte sie. Als die einzige noch vom “Georgischen Traum” unabhängige Institution in Georgien könne sie das Wahlergebnis nicht anerkennen. “Das wäre, als würde ich ein russisches Eindringen anerkennen, Georgiens Unterwerfung unter Russland.”

Georgische und internationale Beobachter dokumentierten bei der Wahl am Samstag zahlreiche Unregelmäßigkeiten. Dazu zählten Stimmenkauf, Druck auf Wählerinnen und Wähler, häufiges Einwerfen von Stimmzetteln in die Urnen sowie der Missbrauch staatlicher Einflussmöglichkeiten zugunsten der Regierung.

Brüssel zeigt sich zurückhaltend

Die Berichte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und anderer internationaler Beobachter führten solche Mängel auf, stellten jedoch die Wahl insgesamt nicht in Frage. Auch die ersten Reaktionen aus Brüssel fielen zurückhaltend aus. US-Außenminister Antony Blinken forderte eine Untersuchung der Vorfälle während der Wahl.

EU-Ratspräsident Charles Michel forderte die georgische Führung auf, die festgestellten Unregelmäßigkeiten aufzuklären. Er betonte in einem Beitrag im sozialen Netzwerk X, dass Georgien jetzt einen konstruktiven Dialog über alle politischen Lager hinweg benötige. Michel kündigte an, die zukünftigen Beziehungen zu Georgien auf die Agenda des nächsten Europäischen Rates im November in Budapest zu setzen. “Wir wiederholen den Aufruf der EU an die Führung Georgiens, ihr Festhalten am EU-Kurs des Landes zu demonstrieren.”

Opposition will Mandate nicht annehmen

Zahlreiche Parteien und Allianzen der prowestlichen Opposition in Georgien erklärten, sie würden aus Protest gegen die mutmaßlichen Wahlfälschungen ihre Mandate nicht annehmen. “Wir werden dem Stimmendiebstahl am georgischen Volk keine Legitimität verleihen, wir geben unsere Parlamentsmandate ab”, sagte Nana Malaschchia von der Koalition für Wandel.

Ministerpräsident Irakli Kobachidse wies darauf hin, dass die Oppositionsabgeordneten im Parlament nicht unbedingt erforderlich seien. “Es ist ihre Sache, ob sie kommen oder nicht. Wie auch immer, das Parlament wird legitim sein.”  Marketa Gregorova, eine tschechische Abgeordnete im Europaparlament, empfahl den Oppositionspolitikern, ihre gewonnenen Mandate anzunehmen. Viele Wähler hätten dafür gestimmt, dass die Opposition im Parlament vertreten ist.