Wieso ist „Genesen“ nicht mehr gut genug? Eine Analyse
Vielen Österreichern stößt die 3-G Nachweispflicht sauer auf. Egal ob vor einem Restaurantbesuch oder einer Achterbahnfahrt im Prater – die Gesundheit muss erst bewiesen werden, bevor man hier Zutritt erlangt. Nun wurde eines der 3-G aus einem Bereich herausgedrängt – das ‚Genesen‘ reicht nicht mehr als Zutrittsberechtigung für einen Barbesuch oder eine Nacht in der Disko. Die Vermutung, dass hier besonders junge Menschen zu einer Impfung animiert werden sollen, liegt nahe.
Dass gerade das ‘G’ für Genesen as Teilen des öffentlichen Lebens verbannt wird, ist aus medizinischer Sicht nicht unbedingt nachvollziehbar. Denn in der Medizin und Forschung gilt die Regel: Nichts ist immunologisch vergleichbar wie eine natürliche, breit gefächerte Reaktion des Körpers auf einen Virus. Sogenannte Gedächtniszellen erinnern sich nachhaltig an Viren und schützen weitaus länger als, die vom Gesunheitsministerium festgelegten gültigen 6 Monate. Kann eine Immunität über natürliche Wege nicht erreicht werden oder soll umgangen werden, so ist eine Impfung seit Jahrzehnten der absolute Gamechanger der Medizin. Wieso es nun aber keine natürliche Immunität mehr geben darf, die länger als sechs Monate gilt, ist medizinisch durchaus umstritten.
Innsbrucker Studie belegt Langzeitimmunität
Erst vor kurzem erschien eine Studie der Medizinischen Universität Innsbruck, die belegte: Wer genesen ist, ist auf lange Zeit immun. Da der Corona-Virus erst seit knapp einundhalb Jahren in Österreich grasiert, ist zwar noch keine Langzeitstudie möglich, bisherige Forschungsergebnisse zeichnen aber ein deutliches Bild: Auch nach einem Jahr sind bei den meisten Probanden noch genügend Antikörper vorhanden, die gegen eine neuerliche Infektion schützen. „Wir können sehr, sehr sicher sein, dass wir das Problem über die Immunität los werden.“, so der Innsbrucker Studienleiter Florian Deisenhammer.
"Das Immunsystem wirkt"
Bereits Anfang Dezember 2020, als erst wenige Österreicher geimpft waren, wurden erste Ergebnisse der Studie bekanntgegeben –mit dem Ergebnis einer stabilen Langzeitimmunität für Genesene. Man müssste sich keine Sorgen um eine abermalige Infektion, Mutation oder einer Übertragung durch Immune machen. Diese Ergebnisse haben sich ein halbes Jahr später in “grosso modo” bestätigt, so der Studienleiter: “Wir können die Gesellschaft beruhigen. Das Immunsystem wirkt. Man ist immun”.
Auch nach einem Jahr noch genügen Antikörper nachweisbar
Das Ergebnis der Studie ist eindeutig: Von 27 Genesenen Probanden waren bei allen zu jedem Zeitpunkt der Entnahme Antikörper nachweisbar. Die SARS-CoV-2 Antikörper wurden bei den Teilnehmern zu vier Zeitpunkten bestimmt: Zuerst zwei bis acht Wochen, dann drei Monate, sechs Monate und zwölf Monate nach Symptombeginn. Bei zwei Personen kam es im Laufe des Jahres sogar zu einer hochgradigen “Exposition” – das heißt, dass Erkrankungen im unmittelbaren Umfeld, familiär oder beruflich bestanden. Dennoch sei bei den beiden Teilnehmern keine Reinfektion aufgetreten, berichtete Deisenhammer.
Impfung junger Menschen im Fokus des Gesundheitsministers
Wieso also wird das Genesen nach und nach aus dem öffentlichen Leben verbannt? Dass es zuerst Diskotheken und Nachtclubs trifft, ist nicht verwunderlich. Viele junge Menschen in Österreich haben Corona, oft völlig asymptomatisch, überstanden. Sie kamen bisher quasi ohne „Aufwand“ durch 3-G, mussten bisher einfach ein Zertifikat vorlegen, das ihre Antikörper nachweist. Damit soll bald Schluss sein. Wer eine registrierte Infektion hatte, also beim Amt gemeldet wurde, hat Anspruch auf einen 6 Monate gültigen QR-Code im „Grünen Pass.“ Auch, wenn danach noch genügend schützende Antikörper vorhanden sind, darf man sich nicht mehr als „Genesen“ bezeichnen und muss sich zwischen Impfen oder Testen entscheiden.
Impfbereitschaft nimmt stetig ab
Die Impfbereitschaft der Österreicher hält sich allerdings in Grenzen, nur ein knappes Drittel der unter 25-jährigen Österreicher sind bisher vollständig immunisiert. Zum Vergleich: 85% der über 75-jährigen Personen sind bereits geimpft. Die Impfbereitschaft der Jungen hält sich in Grenzenm, viele Impfzentren stehen landesweit fast leer.Es scheint, als wollten viele noch abwarten –bei den unter 15-jährigen Jugendlichen und Kindern sind sowieso erst 1,5 Prozent vollständig immunisiert.
Impfnebenwirkungen bei jungen Menschen am stärksten
Auch treffen die Nebenwirkungen laut Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) die Altersgruppe zwischen 18-44 am stärksten. Bei den aufgezeichneten Nebenwirkungen zwischen 27.12.2020 – 23.07.2021 betrafen siebzig Prozent der Nebenwirkungen Frauen, 56 Prozent der Nebenwirkungen fielen auf die Gruppe der 18-44-jährigen. Die Zahlen verdeutlichen, dass für viele Menschen die Risiko-Nutzen-Rechnung nicht aufgeht. Für einen direkten Vergleich fehlen Aufzeichnungen über Krankheitsverläufe der unter in der Vergangenheit erkrankten– interessant wäre hier, zu wissen, wieviele Unter-25-Jährige bei einer Coronaerkrankung Fieber ( eine häufige Impfnebenwirkung) bekommen haben. So wäre ein direkter Vergleich zwischen Risiko und Nutzen möglich.
Auch gibt es einen nicht unbeachtlichen Teil der Österreicher, der sich momentan noch nicht dazu entschieden hat, sich impfen zu lassen. Die Zahl der Vollimmunisierten liegt Stand 3. August bei 56 Prozent – die Tendenz der Anzahl der Anmeldungen fürs ‘Jauckerl’ ist konstant fallend.
So bleibt ein bitterer Beigeschmack, bei vielen entsteht auch eine Art Trotz-Reaktion á la. „Wenn man mich zwingen will, dann mach ich es erst recht nicht.“ Die Regierung plant momentan neben dem Rausschmiss des ‘Genesen’ aus der Disko auch einen Impf-Hunderter als Anreiz.
Spätestens im Herbst könnte die Diskussion wieder hitzig werden, dann entscheidet sich nämlich, unter welchen Bedingungen Kinder und junge Erwachsene in die Schule oder auf die Universität dürfen. Aus der Direktion der WU hieß es schon in einer Mail, die an alle Studenten gerichtet war, dass es ab dem Herbstsemester neue Zutrittsregeln geben werde. Ob hierbei das Recht auf Bildung so gewahrt bleibt, wie es ursprünglich gedacht war, ist abzuwarten.
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