Viele Details des Abkommens sind noch offen – doch die Rahmenbedingungen stehen. Und eines ist bereits klar: Europa knickt ein. Während Brüssel von „Stabilität und Planbarkeit“ spricht, sprechen Kritiker von einem wirtschaftspolitischen Desaster – mit langfristig katastrophalen Folgen für Europas Industrie.

„Ein Deal? Nein – eine Vorführung“: So kommentieren Kritiker den Handschlag.APA/AFP/Brendan SMIALOWSKI

Der Deal im Überblick – was Trump durchgesetzt hat:

15 Prozent US-Zölle auf fast alle EU-Exporte, auch auf Schlüsselbranchen wie Maschinenbau, Chemie, Pharma. Nur wenige Sektoren – z. B. Flugzeugteile, Halbleitertechnik und kritische Rohstoffe – sind ausgenommen.
Keine Gegenzölle: Obwohl Brüssel Vergeltungsmaßnahmen im Wert von 93 Milliarden Euro vorbereitet hatte, verzichtete die EU – gleichzeitig machten die USA keinerlei Zugeständnisse, auch nicht bei Autos oder Maschinen.
EU-Autos, bisher mit 27,5 Prozent belegt, fallen nun unter die 15-Prozent-Regelung. Immerhin ein Teilerfolg – aber teuer erkauft.
Pharmaindustrie besonders hart betroffen: Trotz früherer Signale gibt es keine Ausnahmen – auch Medikamente werden mit 15 Prozent belegt.
Energie-Abkommen gemäß US-Wünschen: Die EU verpflichtet sich zu jährlichen Käufen von über 250 Milliarden Dollar für US-Gas, Öl und Nuklearbrennstoff – bis 2029 insgesamt rund 700 Milliarden Dollar.

Ursula von der Leyen nach dem Handelsdeal mit Trump: Europas Verhandlerin steht nun unter Beschuss.APA/AFP/Brendan SMIALOWSKI

Das Abkommen bleibt vorläufig: Viele Punkte – etwa Gegenzölle, Digitalregeln, Standards – sind weiter ungeklärt. Auch der EU-Zollsatz auf US-Produkte fehlt. „Wir werden weiter daran arbeiten, mehr Produkte auf diese Liste zu setzen“, kündigte von der Leyen an – eine defensive Formulierung nach einem eindeutig unausgewogenen Verhandlungsergebnis.

Kritik aus Brüssel: „Katastrophal, schlecht verhandelt“

In Brüssel ist die Stimmung alles andere als gelassen. Guy Verhofstadt, belgischer EU-Abgeordneter und Ex-Premier, sprach auf X von einem: „Skandalösen … katastrophalen … schlecht verhandelten Abkommen – ohne eine einzige Konzession der amerikanischen Seite.“

Wirtschaftsexperte Fuest: „Demütigung für die EU“

Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts, spart nicht mit Kritik: „Der asymmetrische Handels-Deal ist eine Demütigung für die EU – aber er reflektiert die realen Machtverhältnisse. Mehr war nicht drin.“

Für Fuest steht fest: Die EU hat sich Trump gebeugt – mit schweren Folgen für die Exportwirtschaft. Besonders dramatisch sei die Lage für Branchen wie Stahl und Aluminium, die weiterhin mit Strafzöllen von 50 Prozent belegt sind.

Verougstraete: „Legitimierung von Gewalt und Dominanz“

Der belgische Renew-Abgeordnete Yvan Verougstraete zeigt sich alarmiert: „Die 15-Prozent-Zölle heute zu akzeptieren heißt, Gewalt und Dominanz durch Stärke zu legitimieren. Europa – vor allem Deutschland und Italien – muss aufhören, sich wie kleine, verletzliche Länder zu verhalten.“

Und: „Europa betreibt bloß Schadensbegrenzung – kurzfristiges Denken, das wir langfristig teuer bezahlen werden.“

Orban verspottet von der Leyen

Besonders deutlich wurde Viktor Orbán. Ungarns Premier rechnete gnadenlos mit dem Deal ab: „Das war kein Abkommen, das Donald Trump mit Ursula von der Leyen geschlossen hat. Das war Donald Trump, der Ursula von der Leyen zum Frühstück verspeist hat“, wetterte Orbán in seinem Podcast. Die EU-Kommissionschefin sei ein „Verhandlungs-Fliegengewicht“.

Das neue EU-USA-Handelsabkommen bezeichnete Orbán als Demütigung Europas – und lobte zugleich das parallele US-UK-Abkommen als deutlich vorteilhafter. Ungarns Außenminister Péter Szijjártó legte nach: Der Deal sei „ein weiteres Zeichen dafür, dass Brüssel neue Führung brauche“.

SPD-Bürgermeister Bovenschulte (SPD): „Stiefel geleckt – kein Funken Ehre“

Auch Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) kritisierte von der Leyens Auftritt scharf: „Das Schlimmste ist, wie sich unsere EU-Chefin dazu erniedrigen lässt, Trump die Stiefel zu lecken – und ihn auch noch als ‚fairen Dealmaker‘ zu umschmeicheln. Kein Funken Ehre im Leib!“

Die Aussage zur Ehre nahm er anschließend zurück, legte aber mit seinen Vorwürfen nach.

Blanchard (MIT): „Verpasste Chance – Europa hätte stark sein können“

Der renommierte Ökonom Olivier Blanchard (MIT) sieht in dem Deal eine vergebene Gelegenheit: „Asymmetrische 15-Prozent-Zölle sind eine Niederlage der EU. Wenn das Gesetz des Dschungels regiert, bleibt den Schwachen wenig Wahl. Aber Europa hätte stark sein können – allein oder in einer Koalition mit anderen. Eine verpasste Chance.“

Bernd Lange (SPD): „Nicht zufriedenstellend – viele Fragen offen“

Der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange, bemängelte: „Ein unausgewogenes Abkommen mit klaren Zugeständnissen der EU. Viele Punkte sind offen. Nicht zufriedenstellend.“

JU-Chef: „Selbstverzwergung Europas muss vorbei sein“

Johannes Winkel, Chef der Jungen Union (CDU), sieht in dem Abkommen das Ergebnis jahrelanger Fehlpolitik: „Energiesparen, Bürokratie, ESG statt Innovation, Wachstum, Technologie – diese politisch gewollte Selbstverzwergung muss vorbei sein.“

Gute Nachrichten für die Autoindustrie?

Einzelne Stimmen sehen dennoch Licht am Ende des Tunnels – zumindest für die deutsche Autoindustrie. Die Presse zitiert Experten wie Ferdinand Dudenhöffer, die den Deal als „Superdeal für die deutsche Autoindustrie“ bewerten. Die Zölle auf EU-Autoexporte in die USA sinken von 27,5 Prozent auf 15 Prozent, während gleichzeitig die EU-Zölle auf US-Fahrzeuge auf null fallen sollen.

Laut Bloomberg Intelligence könnte dies den europäischen Herstellern wie BMW, Mercedes und Porsche heuer bis zu vier Milliarden Euro Ergebnisplus bringen.

Doch auch hier droht Schatten: Für Hersteller wie Audi, die keine Werke in den USA betreiben, bedeutet der Deal weiterhin Belastung – und mittelfristig womöglich einen Verlust von Arbeitsplätzen in Europa zugunsten der USA.

Audi unter Druck: Zölle kosten 600 Millionen

Die Folgen des Zollstreits sind bei Audi bereits deutlich spürbar: Der Gewinn des Autobauers brach angesichts der Unsicherheiten bereits im ersten Halbjahr um 37,5 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro ein. Ein zentraler Grund: US-Zölle belasteten das Unternehmen mit 600 Millionen Euro – und das, obwohl die neue EU-Zolleinigung noch gar nicht berücksichtigt ist.

Weil Audi – anders als BMW oder Mercedes – kein Werk in den USA betreibt, trafen die Importabgaben das Unternehmen besonders hart. Die Zusatzkosten wurden nicht an Kunden weitergegeben – eine teure Entscheidung. Hinzu kommen schwache Absätze in China und hohe Umbaukosten in Europa. Audi plant bis 2029 den Abbau von 7.500 Stellen in Deutschland. Der Deal mit Trump dürfte für Audi wohl ein Minusgeschäft sein.

Einzelne Stimmen zeigten sich nun erleichtert über mehr Stabilität durch den Deal. Zahlreiche Kritiker halten das Abkommen für unausgewogen, teuer und politisch peinlich. Trump präsentiert sich als starker Dealmaker, während die EU ihre wirtschaftliche Abhängigkeit zementiert. Von der Leyen verzichtete auf Machtmittel, lieferte Milliarden an Zusagen – und verkauft das Ergebnis als Erfolg.