Zehn Jahre nach Angela Merkels berühmtem Satz zur Flüchtlingskrise zog EU-Migrationskommissar Magnus Brunnerim ZIB2-Interview mit Armin Wolf Bilanz. Die Diagnose fällt ernüchternd aus: „Die EU hat sehr viel Verantwortung übernommen, aber eine System, das nicht funktioniert hat.“ Doch während Brunner von einem Neustart schwärmt, bleibt vieles bei schwammigen Versprechen.

Reform – aber erst Mitte 2026

Herzstück ist der neue Asyl- und Migrationspakt, der nach jahrelangem Streit der Mitgliedsstaaten nun stehen soll. Grenzverfahren in maximal 12 Wochen, Asylzentren direkt an den EU-Außengrenzen, eine klare Rückführungspolitik. Klingt nach Handlungsfähigkeit lässt jedoch noch auf sich warten. Umgesetzt wird  das Ganze frühestens Mitte 2026. Laut Brunner ist mit Anfangsschwierigkeiten zu rechnen.

Weiters räumte der Kommissar ein: „Sie haben vollkommen recht, es hätte schneller gehen müssen. Wir können nicht mehr warten. Es hat viel zu lange gedauert“ Eine erstaunlich offene Selbstkritik – aber eben ohne Konsequenzen.

Asylzentren: Ja. Wieviele: Unklar

Auf die Frage, wo diese Asylzentren entstehen sollen, antwortete Brunner: „Das wird sich in den nächsten Monaten herausstellen.“ Wieviele? Unklar. Wer sie baut? Die Mitgliedsstaaten: Müssen „ihre Verantwortung übernehmen“. Ob es reicht? „Es wird genügend geben müssen.“ Eine Aussage, die eher nach Hoffnung als nach Plan klingt. Im Pakt wurde außerdem eine Balance verhandelt, die Solidarität und Verantwortung garantieren muss.

Rückführungen – nur jeder Fünfte geht

Ein weiteres Dauerthema: Rückführungen. Sie, so Brunner, funktionieren nicht. Derzeit wird nur einer von fünf abgelehnten Asylwerbern tatsächlich abgeschoben. Brunner: „Daher braucht es eine neue Rückführungsverordnung.“ Auch sie ist noch nicht beschlossen, es braucht noch den Beschluss des Rates und des Parlaments. Und auch hier gilt wieder: frühestens Mitte 2026.

Drittstaaten und „Migrationsdiplomatie“

Für jene, die nicht ins Heimatland zurückgeschickt werden können, sieht der Pakt Transfers in sogenannte „sichere Drittstaaten“ vor. Doch Abkommen mit diesen Ländern? Fehlanzeige. Brunner spricht von notwendiger „Migrationsdiplomatie“ um zu Abkommen mit Drittsaaten zu gelangen. Bislang gibt es weder Partnerstaaten noch konkrete Vereinbarungen.

Libyen, Menschenrechtsfragen und Österreichs Sonderwege

Bei Libyen lobt Brunner Fortschritte in Westlibyen, während Ostlibyen „weiterhin schwierig“ sei. Dass die Westlybische Küstenwache ein Rettungsschiff beschoss, sei „nicht akzeptabel“ – Konsequenzen? Noch unklar, man wolle es in Gesprächen thematisieren. Fakt ist laut Brunner: „Können uns nicht aussuchen mit wem wir sprechen, daher wichtig mit diesen Staaten auch weiterhin in Gesprächen zu bleiben.”

Und was ist mit den Alleingängen einzelner Mitgliedsstaaten? Deutschland weist aktuell Asylwerber an der Grenze zurück, Österreich hat den Familiennachzug eingeschränkt. Alles EU-rechtskonform? Brunner wich aus: „Das müssen wir uns genau anschauen, nicht jeder beruft sich auf die Notlage laut Artikel 72 des EU-Vertrags.“

Menschenrechtskonvention neu interpretieren?

Immer mehr Politiker, auch Ex-Kanzler Sebastian Kurz, fordern eine Änderung der Menschenrechts- und Flüchtlingskonvention. Brunner lehnt das zwar ab „es ists schwierig und kompliziert” schlägt aber vor, sie künftig „anders interpretieren“ zu können, sobald die Reform umgesetzt ist. Erst dann können, so Brunner die Gerichte anders entscheiden. Sein Plädoyer daher: „…so schnell wie möglich die Reform umsetzten”