Zoff in der Koalition: Themenverfehlung der SPÖ beim Sexualstrafrecht
Mit „Nur Ja heißt Ja“ wollte die SPÖ das Sexualstrafrecht umkrempeln – doch das ÖVP-Kanzleramt zieht die Notbremse. Die Volkspartei spricht von einer „Themenverfehlung“: Während Täter härter bestraft gehören, verliere sich die SPÖ in einer Grundsatzdebatte und liefere der Koalition den nächsten Streit. Noch bevor der Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen präsentiert ist, steht die Regierung schon wieder im Clinch.
SPÖ-Justizministerin Anna Sporrer und Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner wollten „Nur Ja heißt Ja“ im Aktionsplan – das Kanzleramt bremst, die ÖVP spricht von „Themenverfehlung“.APA/HELMUT FOHRINGER
Am Mittwoch präsentiert die Bundesregierung ihren „Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen“, doch beim Sexualstrafrecht herrscht Streit. Die SPÖ-Ministerinnen Anna Sporrer und Eva-Maria Holzleitner wollten darin das „Nur Ja heißt Ja“-Prinzip verankern. Das ÖVP-geführte Kanzleramt blockt laut Kurier und sagt, man sei von einer Einigung „weit entfernt“ – fixiert sei nur eine Evaluierung des Sexualstrafrechts. Die ÖVP bezeichnet den Kurs der SPÖ als „Themenverfehlung“, da aus ihrer Sicht schärfere Strafen und klare Konsequenzen für Täter im Vordergrund stehen müssten.
SPÖ drängt, Kanzleramt bremst: „Weit von Einigung entfernt“
Seit Monaten forcierten Justiz- und Frauenministerium eine Reform des Sexualstrafrechts in Richtung Zustimmungsprinzip. Am Vorabend des Ministerrats hieß es aus der SPÖ noch, das „Nur Ja heißt Ja“-Prinzip werde – wenn auch verklausuliert – kommen.
Doch das Kanzleramt stellt klar: Fixiert wurde nur eine Evaluierung und Reform des Strafrechts, nicht aber die Umstellung auf das Konsensprinzip. Der Konflikt ist damit offen – und die Koalition ringt um einen Kurs, den beide Seiten bislang nicht teilen.
Was die SPÖ ändern will – und warum die ÖVP das für falsch hält
Konkret geht es darum, dass 2015 verankerte Prinzip „Nein heißt Nein“ umzudrehen. Derzeit muss ein Opfer klar zum Ausdruck gebracht haben, dass der Sexualakt gegen seinen Willen stattgefunden hat. Künftig sollte ausschlaggebend sein, ob ein klares „Ja“ gefehlt hat.
Geändert werden sollte dafür Paragraf 205a („Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung“) mit einer Strafandrohung von bis zu zwei Jahren Haft. Davon getrennt bleibt der Tatbestand der „Vergewaltigung“, bei dem Gewalt, Freiheitsentziehung oder Drohung entscheidend sind – hier drohen bis zu zehn Jahre Haft, bei Todesfolge lebenslang.
Im Justizministerium wird argumentiert, der Fokus müsse weg vom Opfer und hin zum Täter: Die Staatsanwaltschaft solle künftig nachweisen müssen, dass der Täter den fehlenden Willen des Opfers erkannt, billigend in Kauf genommen und dennoch gehandelt habe. Zustimmung könne dabei auch „konkludent“ durch Handlungen erfolgen – etwa durch aktive Beteiligung am Sexualakt. Als Graubereich wird das „Freezing“ genannt, wenn Opfer in Schockstarre geraten und keinen entgegenstehenden Willen zeigen können.
Die ÖVP sieht genau hier das Problem – und spricht von einer „Themenverfehlung“ der SPÖ.
Fall „Anna“ als Auslöser – Kritik am SPÖ-Ansatz
Nach den umstrittenen Freisprüchen im „Fall Anna“ brachten SPÖ-Ministerinnen Anna Sporrer und Eva-Maria Holzleitner das Thema wieder aufs Tapet. Die ÖVP blieb skeptisch. Jugendministerin Claudia Plakolm sprach von einer „Themenverfehlung“: Statt über „Nur Ja heißt Ja“ zu diskutieren, müsse das Strafrecht verschärft werden – straffällige Fremde gehörten abgeschoben, unmündige Sextäter in Erziehungsanstalten. Täter sollten eingesperrt werden, „anstatt freizukommen“.
Kritiker werfen der SPÖ zudem vor, am Kern des Falles vorbeizugehen. Im „Fall Anna“ wäre ein „Ja ist Ja“-Prinzip völlig unerheblich gewesen, weil es sich um eine 12-Jährige handelt – also um ein Kind, bei dem Zustimmung rechtlich keine Rolle spielen kann, so die Kritik.
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