Zwei-Staaten-Illusion! Kapp: Europas Hamas-Politik ist dumm und zynisch
PR-Berater Daniel Kapp übt im exxpress-Interview scharfe Kritik an den EU-Staaten: Sie drängen Israel zu Zugeständnissen – und spielen damit der Hamas in die Hände. Das ist eine Politik, die den eigenen Interessen Europas zuwiderläuft.
„Ein Terror-Staat für die Hamas!“ – Kapp warnt vor Starmers und Macrons Forderung nach einer Zwei-Staatenlösung.APA/GETTYIMAGES
Am Sonntag erschien der 1. Teil des Interviews mit dem Kommunikationsprofi Daniel Kapp.
Zurzeit wächst der internationale Druck auf Israel. Vor allem eine vermeintliche Hungersnot wird Israel zur Last gelegt. Israel sagt: Das spielt der Hamas direkt in die Hände. Halten Sie das für zutreffend?
Ganz genau – und das lässt sich ganz konkret aufzeigen. Vor zwei Wochen lag ein Vermittlungsvorschlag auf dem Tisch – ausgearbeitet von den USA, Katar und Ägypten. Israel wollte alle Geiseln auf einmal freibekommen. Die Hamas hingegen war nur bereit, zehn freizulassen.
Trotzdem stimmte Israel – auch unter massivem Druck von Präsident Donald Trump – dem Vorschlag zu. Dann gingen die Vermittler zur Hamas. Genau in diesem Moment veröffentlichte der britische Außenminister David Lammy – unterstützt von 25 Staaten – einen offenen Brief. Darin hieß es: Israel müsse einlenken und den Krieg beenden. Und was dachte sich da die Hamas? „Warten wir noch ein bisschen – vielleicht kriegen wir ja einen Waffenstillstand, ohne auch nur eine einzige Geisel freizulassen.“
Das ist europäische Politik. Sie ist entweder naiv, feige – oder zynisch.
Die Hamas lässt dem Roten Kreuz keinen Zugang – und Europa schweigt
Zugleich wird die Forderung nach einer Zwei-Staaten-Lösung wieder lauter. Viele Europäer halten das nach wie vor für den einzig gangbaren Weg.
Macron will einen palästinensischen Staat anerkennen – welchen bitte? Die Briten ebenso – aber mit welcher Regierung? Mit der Autonomiebehörde, die seit 2006 keine Wahlen abgehalten hat? Auf welchem Gebiet überhaupt?
Für die Hamas ist das ein Freifahrtschein: „Wir müssen nichts tun. Keine Geisel freilassen. Keine Verantwortung übernehmen.“ Dabei ist klar: Solange die Hamas nicht alle 50 Geiseln – von denen auch leider nur mehr etwa 20 am Leben sind – freigibt, gibt es überhaupt keine Grundlage für ernsthafte Verhandlungen.
Angesichts der Horror-Videos, die Hamas in den letzten Tagen veröffentlicht hat, verlangt Israel, dass zumindest das Rote Kreuz Zugang zu den Geiseln bekommt. Nicht einmal das lässt die Hamas bedingungslos zu und fordert im Gegenzug einen sofortigen Truppenabzug der Israelis. Versteht man in den europäischen Hauptstädten nicht, mit wem man es hier zu tun hat? Die Hamas ist absolute Finsternis, ist Tod und Verderben.
Und daher noch einmal: Die Politik führender europäischer Länder gegenüber Israel ist im besten Fall getrieben von Dummheit, Feigheit – oder, auch nicht unwahrscheinlich, von zynischer Berechnung. Immerhin gibt es in Ländern wie Frankreich und Großbritannien mittlerweile einen beträchtlichen muslimischen Bevölkerungsanteil. Das könnte durchaus ein politisches Kalkül sein.
„Auf lange Zeit ist die Zwei-Staaten-Lösung eine Illusion“
Sie halten die Zwei-Staaten-Lösung also für eine Illusion?
Gegenwärtig und auf lange Zeit: Ja. Weil es aktuell keine palästinensische Seite gibt, mit der man einen Staat bilden könnte. Die Idee klingt idealistisch – aber sie setzt einen funktionierenden Partner voraus. Wer soll das sein? Die Autonomiebehörde? Die Hamas?
Es gibt keine demokratisch legitimierte, stabile Regierung. Es gibt keinen Rechtsstaat, keine Sicherheitsgarantie, keine territoriale Klarheit.
Wenn die Palästinenser eines Tages selbst eine tragfähige und auf Frieden ausgerichtete Struktur aufbauen – sei es ein Staat, mehrere Emirate oder etwas anderes – kann man reden. Aber im Moment existiert nur eine Terrororganisation mit menschenverachtendem Machtanspruch.
Das ist keine Zwei-Staaten-Lösung – das ist eine Zwei-Staaten-Illusion. Eine Dystopie.
Babler stellt sich gegen Israel – aber nur mit Rückendeckung von Fischer
In der EU scheint es beim Thema Israel doch große Unterschiede zwischen den Ländern zu geben?
Ja, aber sie verlaufen nicht entlang geopolitischer Interessen – sondern klar entlang parteipolitischer Linien.
Das hat selbst Ex-Außenminister Alexander Schallenberg mir einmal gesagt: In seiner gesamten EU-Erfahrung sei kein Thema derart ideologisch polarisiert gewesen. Normalerweise bilden sich thematische oder regionale Allianzen – beim Thema Israel aber nicht. Hier sind es in erster Linie linke Regierungen, die einen klar anti-israelischen Kurs fahren… allen voran Spanien und Großbritannien. Aber auch die skandinavischen Länder.
Immerhin: In Spanien ist es die konservative Opposition, die sich entschieden gegen die anti-israelische Linie der linken Regierung stellt. In Großbritannien sind es Nigel Farage und die Tories, die sich gegen die pro-palästinensische Haltung von Labour stemmen.
Diese Politik gegen Israel wird massiv von sozialdemokratischer Seite betrieben – auch bei uns, vielleicht etwas verschämt von Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ). Er braucht dafür offenbar die Rückendeckung von Alt-Bundespräsident Heinz Fischer.
Gerade für ein Land wie Österreich, das sich erst vor kurzem ernsthaft begonnen hat mit der eigenen NS-Vergangenheit auseinander zu setzen, ist eine öffentliche Distanzierung von Israel politisch heikel – aber mit dem Segen von Fischer fällt es offenbar leichter.
Israel soll Gaza befreien – im Interesse Europas
Sie sagen, Europas Politik sei „dumm“ – weil sie den eigenen Interessen zuwiderläuft?
Absolut. Ein Sieg Israels über die Hamas wäre ganz klar im ureigensten Interesse Europas. Was derzeit aber von vielen Regierungen betrieben wird, ist nicht nur naiv, sondern gefährlich kurzsichtig – in einem Ausmaß, das man kaum für möglich hält.
Aus europäischer Sicht müsste die Botschaft lauten: Israel, bitte – befreit Gaza von dieser Terrorherrschaft. Nur so gibt es überhaupt eine Chance auf Stabilität.
Ich stehe in engem Kontakt mit vielen Geiselfamilien – wie wohl kaum jemand sonst hierzulande. Ich bekomme hautnah mit, wie sie denken – und wie sie die europäische Politik wahrnehmen.
„Die Politik Spaniens, Irlands oder Großbritanniens macht Israel fassungslos“
Wie erleben diese Familien die Situation – und die europäische Politik?
Zunächst: Es gibt in Europa viele ganz normale Menschen, die sich klar an die Seite Israels stellen – und mit den Geiselfamilien mitfühlen. Auch Österreich hat unter Kanzler Karl Nehammer viel getan – insbesondere bei der Freilassung von Tal Shoham. Dazu hat die österreichische Diplomatie maßgeblich beigetragen. Die neue Regierung scheint erst ihren Kurs zu suchen.
Doch was derzeit aus Spanien, Irland oder Großbritannien kommt, wird in Israel mit Fassungslosigkeit und Unverständnis wahrgenommen. Diese Politik ergibt aus Sicht einer westlichen Demokratie schlicht keinen Sinn.
Was die Geiselfamilien selbst betrifft: Für sie zählt im Moment nur eines – das Überleben ihrer Angehörigen. Der großen Politik stehen sie fassungslos gegenüber. In Israel spürt man die Stimmung überall: ein tiefes Unverständnis über Europa.
Daniel Kapp ist ein österreichischer PR-Berater und Managing Partner von Kapp | Hebein | Partner. Bekannt wurde er als langjähriger Sprecher führender ÖVP-Politiker, darunter Wilhelm Molterer und Josef Pröll, den er bis in die Zeit der Finanzkrise begleitete. Nach dem Rückzug aus der Politik 2011 wechselte Kapp in die strategische Kommunikationsberatung.
Er engagiert sich stark für Israel, ist Generalsekretär der Österreichischen Freunde der Hebräischen Universität Jerusalem und Beirat der European Jewish Association. 2025 erhielt er einen Sonderpreis des Israel Friendship Award für seine Rolle bei der Befreiung der Hamas-Geisel Tal Shoham.
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