Er flog höher als alle – und stürzte ab: Die letzte Reise des Felix Baumgartner
Er war der Mann, der die Schallmauer durchbrach – und keine Meinung unausgesprochen ließ. Nun ist Felix Baumgartner mit 56 Jahren bei einem Paragliding-Flug in Italien tödlich verunglückt. Ein Rückblick auf ein radikales, mutiges und oft unbequemes Leben.
Felix Baumgartner (1969–2025): Der Ausnahmeathlet mit dem unerschütterlichen Blick – furchtlos, direkt und voller Lebenslust. Dieses Foto zeigt ihn bei einem seltenen entspannten Moment, fernab seiner waghalsigen Sprünge.APA/BARBARA GINDL
Vom Teenie auf dem Hausdach zum Weltrekordhalter: Felix Baumgartner wurde 1969 in Salzburg geboren und sprang schon als Jugendlicher mit Bettlaken vom Dach. Später wurde er Berufssoldat und absolvierte mehr als 2.600 Fallschirmsprünge – darunter über 130 gefährliche Base-Jumps von Bauwerken in aller Welt: Petronas Towers (Malaysia) und die Christusstatue in Rio – beide im Jahr 1999. Es folgten: Taipei 101 in Taiwan (2007), Turning Torso in Schweden (2006), sowie Millau-Viadukt & Panamakanal.
2003 durchflog Baumgartner den Ärmelkanal mit Karbonflügeln – ein 34-Kilometer-Flug in 6 Minuten bei 360 km/h.
Sein Markenzeichen: Die Zahl 502, tätowiert auf dem Rücken – seine offizielle Mitgliedsnummer bei der American B.A.S.E. Association. Nur wer von allen vier Objekttypen gesprungen ist (Building, Antenna, Span, Earth), darf dazugehören.
Der Sprung in die Stratosphäre
Am 14. Oktober 2012 schrieb er Geschichte: Beim Red Bull Stratos-Projekt sprang er aus fast 39 Kilometern Höhe aus einer Heliumkapsel:
Er durchbrach als erster Mensch im freien Fall die Schallmauer (Mach 1,25).
Er erreichte 1.357,6 km/h – ein Weltrekord.
Sein freier Fall dauerte vier Minuten und 20 Sekunden.
Mehr als acht Millionen Menschen verfolgten den Sprung live auf YouTube – ebenfalls ein Rekord.
Alle drei Rekorde wurden offiziell von der Fédération Aéronautique Internationale (FAI) anerkannt. „Ich bin kein Adrenalinjunkie. Es ging mir nie um Thrill, sondern um Herausforderungen“, sagte er später über sein Lebensprojekt.
Ausgezeichnet, verehrt – und dann?
Baumgartner erhielt zahlreiche Ehrungen:
Bambi „Millennium“
Top Gear „Man of the Year“
Laureus Award
Ein Asteroid wurde nach ihm benannt: (239716) Felixbaumgartner
Aufnahme in die Aviation Hall of Fame
Danach verabschiedete er sich vom Extremsport – wurde Rettungshubschrauberpilot, Boxer, Rennfahrer auf dem Nürburgring. Er lebte zuletzt in Arbon am Bodensee, nachdem in Österreich sein Haus und sein Helikopter wegen Steuerschulden beschlagnahmt worden waren.
Mit kecken Sprüchen – auch zur Politik – eckte er immer wieder an
Baumgartner wurde nicht nur wegen seiner Rekorde bekannt – sondern auch durch seine Meinung. Er eckte immer wieder an, vor allem bei den Linken. Zuweilen hielt er mit seiner Meinung nicht lange hinter dem Berg.
So lobte er etwa 2016 Viktor Orbán für seine Flüchtlingspolitik und übte scharfe Kritik an Angela Merkel. Ebenso unterstützte er FPÖ-Kandidat Norbert Hofer bei der Bundespräsidenten-Wahl.
2019 bezeichnete er in einem Facebook-Post Jan Böhmermann als „dummes Hurenkind“. Später löschte er den Beitrag. Im vergangenen Jahr wurde er zu einer Geldstrafe von 5.000 Euro verurteilt, weil er Falter-Chefredakteur Florian Klenk als „Pharmahure“ bezeichnet hatte.
Im Jahr 2012 äußerte Baumgartner überdies Zweifel an der parlamentarischen Demokratie: „Was wir brauchen, ist eine gemäßigte Diktatur mit Leuten aus der Privatwirtschaft, die wissen, wie es läuft.“
Einmal schrieb er auf Instagram: „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“ – und meinte es ernst.
Social Media als Bühne der Widersprüche
Vor allem auf Facebook und Instagram äußerte sich der Rekordhalter oft zu Politik, Medien, Corona und Gesellschaft: „Sie kümmern sich nicht wirklich um uns. #politik #pharma #regierung“, klagte er.
„Freiheit ist, wenn du springst – und keiner dich aufhält“, schrieb er in einem anderen Beitrag. Zahlreiche Posts löschte er später – nicht aus Reue, sondern wegen der Empörung, wie er sagte.
Ein letztes Mal geflogen – in den Tod
Am 17. Juli 2025 verunglückte Felix Baumgartner beim Paragliden im italienischen Porto Sant’Elpidio an der Adria. Gegen 15:30 Uhr verlor er plötzlich die Kontrolle über seinen motorisierten Paragleiter – laut ersten Ermittlungen möglicherweise aufgrund eines akuten medizinischen Notfalls, etwa plötzlichen Unwohlseins oder Herzstillstands.
Er stürzte in den Pool eines Hotelkomplexes. Eine junge Hotelangestellte im Wasser wurde beim Aufprall leicht verletzt. Für Baumgartner kam jede Hilfe zu spät – laut Sanitätern war er vermutlich bereits tot, bevor er den Pool berührte.
Besonders tragisch: Nur zwei Stunden vor dem Absturz postete er auf Instagram: „Zu viel Wind“ – ein Satz, den man nun mit Schaudern liest.
Er suchte die Extreme – für die einen ein Held, für andere eine Reibefläche
Baumgartner war mehr als nur Sportler. Für viele war er ein Held, ein Mann mit Haltung und Mut zur Freiheit. Für andere war er ein Egomane, ein Reizthema, ein rechter Provokateur. Doch fest steht: Er blieb sich treu – im Leben wie im freien Fall. Er war eine Mischung aus Waghalsigkeit und Widerstand, aus Hochgeschwindigkeit und Unangepasstheit. „Mut heißt nicht, keine Angst zu haben. Sondern zu springen – und zu sagen, was andere nur denken“, erklärte er einmal.
Felix Baumgartner war ein Mann, der nie gefallen wollte – sondern fliegen. Ein Mann, der Grenzen suchte – ob physische oder gesellschaftliche. Ein Mensch, der bewies, dass man mit einem Sprung Geschichte schreiben kann. Und dass man mit einer klaren Meinung aneckt – aber niemals untergeht. Er hinterlässt eine Frau, viele Fans – und einen Platz in der Geschichte.
Ruhe in Frieden, Fearless Felix. Dein letzter Sprung ging in die Ewigkeit.
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