Seit Bestehen der Zweiten Republik gilt es als ungeschriebenes Gesetz, dass nach einer Nationalratswahl immer der Wahlsieger, also der Erstplatzierte, vom Bundespräsidenten den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Es wechselte im Laufe der Geschichte also immer wieder zwischen Rot und Schwarz der Auftrag.

Je näher der Wahltag rückt, desto ernster werden nun die Diskussionen geführt, ob der Erstplatzierte auch bei dieser Nationalratswahl den Auftrag zur Regierungsbildung durch den Bundespräsidenten bekommt. Denn plötzlich wollen von dieser bisherigen „Usance“, wie es im Politiksprech bezeichnet wird, weniger etwas wissen. Selbst Bundespräsident Alexander Van der Bellen traf bisher keine klare Aussage und lässt offen, ob er Herbert Kickl im Falle eines Wahlsieges am 29. September mit der Bildung einer neuen Bundesregierung beauftragt. Interpretiert man seine Worte richtig, ist zu erwarten, dass er wohl mit der bisherigen Tradition brechen wird.

Mehrheit will, dass die Tradition fortgesetzt wird

Der Grund ist die FPÖ mit Spitzenkandidat Herbert Kickl, die seit mehr als einem Jahr sämtliche Umfragen anführt. Auch eine zuletzt vom Meinungsforschungsinstitut INSA durchgeführte Umfrage im Auftrag des exxpress bescheinigt den Blauen mit einer Zustimmung von 29 Prozent den ersten Platz, gefolgt von der ÖVP mit 23 Prozent. Nachgefragt nach dem Potenzial, würde die FPÖ laut Befragung sogar 35 Prozent der Stimmen erreichen!

Was die Frage nach dem Regierungsbildungsauftrag betrifft, herrscht bei der Bevölkerung eine klare Meinung. Laut INSA-Meinungstrend spricht sich eine Mehrheit von 53 Prozent der Befragten dafür aus, dass an der gelebten Tradition festgehalten wird und der Erstplatzierte vom Bundespräsidenten den Regierungsbildungsauftrag bekommen soll. Interessantes Detail: Selbst politisch „links“ verortete Wähler sprechen sich laut Umfrage mit 51 Prozent mehrheitlich für die Beibehaltung der bisherigen Vorgehensweise aus, gefolgt mit 53 Prozent von jenen, die sich selbst politisch in der „Mitte“ sehen. Am stärksten ausgeprägt ist die Zustimmung mit 72 Prozent bei Befragten, die sich „rechts“ verorten.

Es ist also auch nach der Wahl am 29. September mit heftigen politischen Debatten in Österreich zu rechnen, sollte die FPÖ als Erste über die Ziellinie laufen. Dann werden alle Blicke auf den Bundespräsidenten gerichtet sein, mit der Frage, ob er das Wahlergebnis anerkennt, indem er gemäß der gelebten Tradition auch einem blauen Wahlsieger den Regierungsbildungsauftrag erteilt.

exxpress/exxpress

Zur Studie: Die Umfrage wurde als Online-Befragung durchgeführt. Die Umfrage basiert auf der permanenten Telefon-Befragung INSA-Perpetua Demoscopia Austria. 1.000 Personen aus Österreich ab 16 Jahren nahmen an der Befragung teil. Feldzeit: 09.09. bis 11.09.2024.