Diese Schlange sei die Ursache für die meisten Schlangenbisse in der Region und mache mit insgesamt etwa 20.000 Vergiftungen pro Jahr einen erheblichen Teil der Vorfälle im Land aus.

Das Verhalten von Schlangen sei ein allgemein vernachlässigtes Forschungsgebiet, insbesondere in Brasilien, sagte Alves-Nunes in einem Interview der Zeitschrift “Science”. In den meisten Studien werde nicht untersucht, welche Faktoren sie zum Beißen veranlassten. “Wenn man sich mit Malaria beschäftigt, kann man das Virus erforschen, das die Krankheit auslöst – aber wenn man nicht die Mücke untersucht, die sie überträgt, wird man das Problem nie lösen”, sagte er. “Ich habe 116 Tiere getestet und bin 30 Mal auf jedes Tier getreten.” Während der mehrtägigen Testreihe sei er insgesamt 40.480 Mal auf und neben die Schlangen getreten.

Die Tiere wurden dabei einzeln zu verschiedenen Tageszeiten über einen längeren Zeitraum in einer etwa zwei Quadratmeter großen Arena eingesetzt. Nach einer 15-minütigen Gewöhnungsphase trat der Biologe mit Sicherheitsstiefel zufällig entweder direkt neben der Schlange auf oder sanft auf den Kopf, die Körpermitte oder den Schwanz. Er habe sich zu 100 Prozent sicher gefühlt, keiner der Bisse habe die mit Schaumstoff überzogenen Stiefel durchdrungen. Nur bei einer Simulation mit einer Klapperschlange sei er gebissen worden. “Leider musste ich feststellen, dass ich sowohl gegen das Gegengift als auch gegen Schlangentoxine allergisch bin”, sagte er. Deshalb musste er für längere Zeit ins Krankenhaus.

Je kleiner die Tiere, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass es beißt.

Und das Ergebnis der eher ungewöhnlichen Studie: Je kleiner das Tier, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit, dass es beiße. “Hinzu kommt, dass die Weibchen aggressiver sind und eher zubeißen, vor allem wenn sie jung sind und tagsüber.” Die Studie zeige auch, dass die Tiere bei höheren Temperaturen aggressiver sind. Außerdem sei die Wahrscheinlichkeit eines Abwehrbisses viel höher, wenn man sie am Kopf berühre, als wenn man auf die Körpermitte oder den Schwanz trete.

Mit den Ergebnissen erhoffen sich die Forscher eine bessere Verteilung von Gegengiften. Oft würden diese an größere Krankenhäuser geschickt, wofür manche Patienten weit anreisen müssten, da sie an Orten gebissen worden seien, an denen es kein Gegengift gebe. “Indem wir unsere Daten mit Daten aus anderen Studien über die Verbreitung von Schlangen kombinieren, können wir die Orte ermitteln, an denen die Tiere mit größerer Wahrscheinlichkeit aggressiv sind”, erklärte Alves-Nunes. “So sollten beispielsweise wärmere Orte mit einem höheren Anteil an weiblichen Schlangen Priorität bei der Verteilung von Gegengift haben.”

Für die Studie wurden 116 Jararaca-Lanzenotter im Zeitraum zwischen Oktober und November 2021 eingesetzt. In einer 2025 Quadratmeter großen Arena mit einer Aluminiumplatte als Boden und Styroporwänden, wurden die Schlangen für jeden Verhaltenstest zunächst bis zu 15 Minuten in der Arena gelassen, um sich daran zu gewöhnen.