Der 10. Wiener Gemeindebezirk kommt einfach nicht aus den Schlagzeilen. Gestern noch im Fokus mit einer weiteren Messerstecherei, steht die ehemalige Arbeiterhochburg heute mit seinem 150. Geburtstag im Rampenlicht. Gefeiert wird mit einer vom Bezirk als Wettbewerb ausgeschriebenen Jubiläumshymne, die bereits im Vorfeld für massiven Wirbel gesorgt hat, da der Songtext des “Lovesongs an Favoriten” nur zur Hälfte auf Deutsch sein muss – der Rest kann ruhig in einer anderen Sprache verfasst werden. Schließlich hat die Hälfte der Bewohner ausländische Wurzeln und 75 Prozent der Volksschüler sprechen zu Hause kein Deutsch.

Passend zum Festtag wurde heute die Verlängerung der Waffenverbotszonen im Bezirk bekannt gegebenen. Ursprünglich auf drei Monate befristet, wurden die Verbote nun bereits zum zweiten Mal aus guten Gründen verlängert. Bis 2. Jänner 2025 ist das Mitführen von Waffen und “gefährlichen Gegenständen” rund um die Hotspots Reumann- und Keplerplatz verboten. Das schließt auch die Fußgängerzone Favoritenstraße ein, die eigentlich Besseres verdient hätte; immerhin handelt es sich um eine der ersten Fußgängerzonen Wiens.

Grundstein der Arbeiterbewegung

Generell ist die Geschichte des heutigen Messerstecherei-Hotspots interessant: Am 27. September 1874 gegründet, entwickelte sich Favoriten schnell vom Industriezentrum zum bevölkerungsreichsten Bezirk Wiens. Die größte Ziegelfabrik Europas am Wiener Berg zog Arbeiter aus dem ganzen Kontinent an. Diese „Ziegelböhm“ legten aufgrund der harten Arbeitsbedingungen den Grundstein für die Wiener Arbeiterbewegung. Mit dem Niedergang der Industrie in den 1920er Jahren setzte die Stadt auf sozialen Wohnbau: Heute gibt es in Favoriten rund 27.800 Gemeindewohnungen, mehr als in jedem anderen Bezirk. Auch in der Infrastruktur war Favoriten Vorreiter: 1978 eröffnete hier die erste U-Bahn-Strecke Wiens.

Favoriten erlangte traurige Berühmtheit

Während SPÖ-Bezirksvorsteher Marcus Franz in Feierlaune schwelgt, wird die Entwicklung des Bezirks von der Opposition scharf kritisiert. „Favoriten hat sich zu einem Bezirk entwickelt, wo Schlägereien, Vergewaltigungen, Überfälle, Drogenhandel und sogar Schießereien an der Tagesordnung stehen. Kaum ein Tag vergeht, wo unser Bezirk nicht negativ in den Schlagzeilen vorkommt. Ganz Europa kennt mittlerweile Favoriten – ein Faktum, auf das man angesichts des Grundes nicht stolz sein muss”, zieht der freiheitliche Bezirksobmann Stefan Berger Bilanz. “Die SPÖ sollte sich anlässlich von 150-Jahre Favoriten in Grund und Boden genieren, was sie aus dem einst so stolzen Arbeiterbezirk gemacht haben.”

Übrigens sorgte bereits im vergangenen Jahr eine 150-Jubiläumsfeier in Favoriten für Aufregung. Zur Feier von 150 Jahre Wiener Wasser wurde um 2,1 Millionen Euro im Sonnwendviertel ein Brunnen errichtet, der aufgrund seiner seltsamen verunstalteten Figuren umgehend den Namen Quasimodo Brunnen erhielt.