“Wien startet die größte Verwaltungsreform aller Zeiten”, titelten die Zeitungen im April 2016 ihre Berichte über WiStA, die Wiener Struktur- und Ausgabenreform, die mit viel Trara von der damaligen SPÖ-Finanzstadträtin Renate Brauner verkündet worden ist.

Diese “GröVaZ” dürfte dann aber irgendwie sehr bald gewisse Startprobleme gehabt haben: Zwar hatte Renate Brauner schon “Einsparungen dank WiStA in der Höhe von 100 Millionen Euro” im Budget für 2017 einplanen lassen – doch für die Wiener blieb diese “größte Verwaltungsreform” so sichtbar wie eine druidische Geheimwissenschaft.

Dann der erste große Rückschlag für das mit so viel Marketing-Engagement beworbene Reform-Programm: Der Rechnungshof deckte 2017 auf, dass etwas “die MA 40, Abteilung für Soziales, keinen einzigen Vorschlag aus dem WiStA-Programm umgesetzt hat”. So wurden in Wien trotz Reform-Zusagen auch weiter “doppelte Bezüge” für alle Mindestsicherungsempfänger ausbezahlt. Jährliche Kosten: 25 Millionen Euro.

Der Verwaltungsgerichtshof zwingt nun die Stadt Wien erneut zu Transparenz

"Abschaffung der 7. Urlaubswoche"? Offenbar schubladiert.

Auch andere der 1200 Reform-Ideen wurden nicht mehr von der Stadtregierung erwähnt, das WiSta-Programm sollte selig entschlummern: Immerhin wurde auch in Punkt 20 eine “Beendigung der unkontrollierten Herstellung von Hochglanzbroschüren” gefordert, oder in Punkt 118 die “Abschaffung der 7. Urlaubswoche”.

Ein Wiener wollte sich aber nicht mit diesem im Rathaus nicht unüblichen Vorgang abfinden: Nach Dutzenden Nachfragen, was denn mit dieser “größten aller Verwaltungsreformen” passiert sei und nachdem er von der Stadtregierung keine wirklich vernünftige Auskunft auf seine Fragen bekommen hat, erkämpfte sich dieser Bürger nun eine Auskunft mit Unterstützung des Höchstgerichts. Der Verwaltungsgerichtshof entschied jetzt in seinem Spruch Ra 2020/03/0120 aktuell, dass die Stadt Wien “die vom Mitbeteiligten begehrte Auskunft zu Unrecht verweigert hat”. Damit ist der Wortlaut der 1200 gesammelten Vorschläge für Effizienzmaßnahmen sowie der Wortlaut der Ergebnisse der 700 Prüfungen dieser Vorschläge mitzuteilen.

Manfred Juraczka (ÖVP): "Dieses Beispiel zeigt so deutlich die Reformunwilligeit der Wiener Stadtregierung."

Harte Kritik von der ÖVP an der rot-rosa Koalition

Die rot-rosa Stadtregierung wird somit vom Verwaltungsgerichtshof beinhart aufgeblattelt: Jetzt müssen 700 geprüfte Reform-Maßnahmen der “GröVaZ”, der “größten Verwaltungsreform aller Zeiten” veröffentlicht werden – und nicht wenige Bürger werden sich fragen, warum diese nicht umgesetzt worden sind.

“Nur Reformpunkte wie die seltenere Reinigung der Fenster durften aus dem Arbeitskreis heraus auch wirklich das Licht der Welt erblicken. Besser lässt sich Wiens Reformunwilligkeit nicht zusammenfassen”, kritisiert Manfred Juraczka (ÖVP), der dritte Landtagspräsident die Stadtkoalition. Dass die Veröffentlichung der Fortschritte – oder auch des Stillstand? – in einer Entbürokratisierungs-Reform fünf Jahre nach ihrem groß gefeierten Start dann 2021 vom Verwaltungsgerichtshof erzwungen werden muss, sage sehr viel, meint Juraczka.

Jetzt bleibt spannend, wie die Wiener Stadtregierung reagieren wird – bürgernahe Transparenz wäre sicher anzuraten. Die “Erfinderin” dieses Reformprozesses ist bekanntlich schon seit längerem nicht mehr Finanzstadträtin: Renate Brauner leitet das Referat für Daseinsvorsorge.

Übrigens lässt sich nicht Beziffern, wie teuer die gesamte Politikshow mit der “WiStA”-Aktion war. Vermutlich muss sich darum der Bundesrechnungshof, der bereits mehrmals wichtige Aufklärungsarbeit im Wiener Biotop geleistet hat, kümmern.

Präsentierte im April 2016 den "Reformprozess", der "100 Millionen Euro Steuergeld im Jahr sparen" sollte: Renate Brauner
Nur einige der 1200 Reformvorschläge, die etwas in Vergessenheit geraten sind.