Jahrelang haben sämtliche Parteien diesen Schritt versprochen. Aber erst angesichts der Rekordinflation hat sich Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) zum ihm durchgerungen. Seit Jahresbeginn ist es soweit: Die kalte Progression wurde abgeschafft. Diese schleichende Steuererhöhung, die durch einen progressiven Steuersatz, der sich nicht an die Inflation anpasst, zustande kommt (siehe unten), wurde – fast – abgeschafft.

Zu Beginn seiner Amtszeit war Finanzminister Brunner (ÖVP) noch geneigt, die kalte Progression zu behalten. Erst die Rekordinflation hat ein Umdenken bei ihm ausgelöst.APA/HANS PUNZ/GETTY

Die Regierung hat festgelegt: Zwei Drittel der Einnahmen durch diese verdeckten Einnahmen des Staates fließen automatisch zurück an die Steuerzahler. Das verbleibende Drittel können die Regierungsparteien je nach politischer Schwerpunktsetzung verteilen. Damit hat die Regierung die kalte Progression nicht vollständig beseitigt. Für die Belastung durch diese verdeckte Besteuerung wird nicht jeder vollständig kompensiert. Was das bedeutet, hat die Wiener Denkfabrik Agenda Austria berechnet.

Es wäre noch einfacher gegangen, als von der Regierung beschlossen

Ein Beispiel: Wenn jemand monatlich 1500 Euro brutto verdient, wird er nach dem aktuellen Modell im Jahr 2024 um 182 Euro automatisch entlastet. Für eine vollständige Kompensation wären 270 Euro notwendig.

Bei einem Verdienst von 3000 Euro erhält man automatisch 309 Euro mehr, bei einer kalten Progression von 463 Euro, wie Berechnungen der Agenda Austria zeigen.

Somit war die Abschaffung der kalten Progression zwar ein wichtiger Schritt, allerdings wurde er von der Regierung unnötig umständlich umgesetzt, schlussfolgert die Agenda: „Das zeigt grundsätzlich zwei Dinge: Wie wichtig die Abschaffung der kalten Progression war und wie unnötig kompliziert das derzeitige Modell ist“, sagt Dénes Kucsera. Die kalte Progression gehört laut Kucsera nach Schweizer Vorbild komplett abgeschafft und gleichmäßig auf alle Steuerzahler verteilt.

3,6 Milliarden Euro Zusatzeinnahmen für Staat von 2016 bis 2020 dank kalter Progression

Die kalte Progression ist eine „Nebenwirkung“ unseres progressiven Einkommensteuermodells, das darauf basiert, dass höhere Einkommen auch höher besteuert werden. Während jemand der nur 11.000 Euro im Jahr verdient keine Einkommenssteuer bezahlen muss, werden für Einkommen zwischen 11.000 und 18.000 Euro 20 Prozent Steuern fällig, für Einkommensanteile bis 31.000 Euro beträgt der Satz bereits 32,5 Prozent und wer 60.000 Euro Bruttogehalt hat, muss für die Differenz zur vorherigen Stufe satte 42 Prozent Einkommensteuer bezahlen.

Problematisch ist das, wenn das reale Einkommen angesichts der Teuerung in Wahrheit sinkt oder real deutlich weniger stark steigt als nominal. Zahlreiche Verdiener befinden sich dann in einer zu hohen Steuerklasse.

Der Thinktank Agenda Austria berechnete für den Zeitraum zwischen 2016 und 2020 Mehreinnahmen durch die kalte Progression für den Staat in der Höhe von etwa 3,6 Milliarden Euro. Für 2022 und 2023 bringt die hohe Inflation laut Agenda Austria dem Budget insgesamt Mehreinnahmen aus Mehrwert-, Lohn- und Einkommensteuer zwischen 7,5 und elf Milliarden Euro.