Kinder und Jugendliche, die von Armut betroffen sind, weisen häufiger Krankheitsfälle auf. Auf dieses alarmierende Ergebnis kommen 85 Prozent der österreichischen Ärzte. Eine aktuelle Umfrage der Ärztekammer in Wien, Niederösterreich, Burgenland, Salzburg, Vorarlberg und Kärnten kommen in Zusammenarbeit mit der Volkshilfe Österreich zu dem Schluss: Armut beeinflusst das gesamte Leben eines Kindes – das körperliche und psychische Wohlbefinden leidet enorm. Fast 350.000 der Kinder und Jugendlichen in Österreich seien betroffen.

Schlechte Lebensbedingungen als Ursache

448 Ärzte aus sechs Bundesländern nahmen an der Umfrage teil und konnten relevante Daten aus ihrer tagtäglichen Praxis evaluieren. Der Einfluss der Coronakrise wurde ebenfalls berücksichtigt, sowie der Gesundheitsszustand von Säuglingen und Kleinkindern.

Die gesundheitliche Ungleichheit führen die Ärzte vor allem auf den strukturellen Mangel von gesundheitsfördernden Lebensumständen zurück. 82 Prozent nennen schlechte Wohnverhältnisse, wie Schimmel oder Kälte, aber auch Mobbing und Stress als Ursachen für die Häufigkeit von Erkrankungen.

Des Weiteren werden „hohe Kosten für gesunde Ernährung“ (54 Prozent) und „Fehlende bewegungs- und entwicklungsfördernde Angebote im Kleinkindalter“ (53 Prozent) genannt. 27 Prozent aller Kinder- und Jugendpsychiater sehen einen Zusammenhang zwischen Diskriminierungserfahrungen und häufiger Erkrankung.

Corona-Krise als besondere Belastung

Die Corona-Krise hat die vorherrschende Dynamik verstärkt. 66 Prozent der Ärzte beobachten einen stärkeren Bewegungsmangel bei armutsbetroffenen Kindern – in Wien sind die Zahlen besonders hoch (82 Prozent). Auch hinsichtlich der psychischen Belastung, litten sie mehr als Kinder aus gut betuchten Familien. Die Gesundheitsverteilung beginne schon im Säuglings- und Kleinkindalter.

Potenzielle Auswege

Zuletzt wurden die Mediziner erfragt, wie diesen Entwicklung entgegengetreten werden kann. Vor allem jene vier Punkte wurden betont: 66 Prozent würden kostenlose Therapieplätze für betroffene Kinder als eine Lösungsoption betrachten, 61 Prozent würden kostenlosen Zugang zu Mund-, und Zahngesundheit für alle unter 18 Jahren befürworten. Eine Erweiterung der Krankenkassenplätze für Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen wird von 54 Prozent der Ärzte empfohlen und 50 Prozent sehen den Ausbau der Gesundheitsbetreuung an Schulen als besonders wichtige Maßnahme.

"Erschreckendes Zeichen"

Der Präsident der Wiener und Österreichischen Ärztekammer, Thomas Szekeres, spricht von einem „erschreckenden Zeichen: „Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt im Herzen Europas. Armut ist in Österreich aber nach wie vor ein Thema“. Er fährt fort: „Wer bei Kindern spart, spart an der Zukunft. Denn Kinder, die in Armut leben, erkranken öfter, zeigen vermehrt Entwicklungsstörungen, erkranken häufiger psychisch, sind stärker suizidgefährdet und sterben um fünf bis acht Jahre früher als die Durchschnittsbevölkerung. Sie sind die chronisch Kranken von morgen!“