Im Prozess gegen die mutmaßliche Linksextremistin Lina E. und drei weitere Angeklagte hat das sächsische Oberlandesgericht in Dresden mehrjährige Haftstrafen verhängt. Die Angeklagten zwischen 28 und 37 Jahren sollen Rechtsextreme in Wurzen, Leipzig und im thüringischen Eisenach zwischen 2018 und 2020 tätlich angegriffen und schwer verletzt haben. Zudem sollen sie eine kriminelle Vereinigung gegründet haben.

Unterstützer der Anklagten stehen mit einem Transparent vor dem Gerichtsgebäude während des Prozesses.APA/AFP/JENS SCHLUETER

Bundesanwaltschaft wirft der Studentin „massive Gewalt“ vor

E. sitzt seit November 2020 in Untersuchungshaft. Die drei anderen Beschuldigten sind auf freiem Fuß. Die Studentin aus Leipzig wurde zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt, unter anderem wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Die mitangeklagten Männer erhielten Haftstrafen zwischen zwei Jahren und fünf Monaten sowie drei Jahren und drei Monaten. Einer wurde wegen Mitgliedschaft, die beiden anderen wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung verurteilt.

Die Angeklagte Lina E. (4.v.r.) versteckt ihr Gesicht, ein anderer (9.v.r.) versteckt sein Gesicht hinter einem Laken mit der Aufschrift „Free Lina“.APA/AFP/JENS SCHLUETER

Die Bundesanwaltschaft hatte der Studentin aus Leipzig „massive Gewalt“ vorgeworfen und eine Freiheitsstrafe von acht Jahren für E. gefordert. Lina E. und ihr untergetauchter Freund Johann G. gelten als Rädelsführer.

Angeklagte sollen Rechtsstaat abgelehnt haben

Ein Kronzeuge hatte die Beschuldigten schwer belastet. Laut Anklage wurden 13 Menschen verletzt, zwei davon potenziell lebensbedrohlich. Die Beschuldigten hätten den demokratischen Rechtsstaat ebenso abgelehnt wie das staatliche Gewaltmonopol, lautete eine weitere Anschuldigung.

Die Angeklagte Lina E. und ein weiterer Angeklagter (r.)APA/AFP/JENS SCHLUETER

Der unter hohen Sicherheitsvorkehrungen laufende Prozess hatte im September 2021 begonnen. Die Beschuldigten schwiegen zu den Vorwürfen. Nur Lina E. ergriff beim „letzten Wort“ die Chance und bedankte sich bei ihren Eltern, Angehörigen, allen Unterstützern und Verteidigern.

Scharfe Kritik an Gericht von Verteidigern und Unterstützern

Die Verteidiger hatten in fast allen Punkten Freispruch gefordert. Darüber hinaus hielten sie den Prozess für politisch motiviert und unterstellten dem Gericht, voreingenommen zu sein. Ihre Mandanten seien einer Vorverurteilung ausgesetzt, den Bundesanwälten warf die Verteidigung vor, bei der Verurteilung rechter und linker Straftäter unterschiedliche Maßstäbe anzusetzen.

Großer Andrang: Besucher stehen vor dem Gerichtsgebäude des Oberlandesgerichts in Dresden.APA/AFP/JENS SCHLUETER
Die Angeklagte Lina E. (M.) und ihre Anwälte Erkan Zunbul (l.) und Ulrich von Klinggraeff (r.)APA/AFP/JENS SCHLUETER

Das Urteil wurde im Gerichtssaal von etwa 100 Unterstützern der Angeklagten verfolgt. Sie hatten Lina E. und die drei Mitangeklagten mit langem Applaus begrüßt. Nach dem Urteil wurde der Prozess kurzzeitig wegen Unruhe unterbrochen. Vor dem Gericht demonstrierten mehrere Dutzend Anhänger vor allem aus Leipzig und bekundeten Solidarität mit Lina E.

Innenministerin Faeser warnt vor wachsender Gewaltbereitschaft bei Linksextremisten

Bundesinnenministerin Nancy Faeser warnte mit Blick auf das Urteil vor einer zunehmenden Gefahr durch linksextreme Gewalttäter. „In linksextremistischen Gruppen sind Hemmschwellen gesunken, politische Gegner auch mit äußerster Brutalität anzugreifen“, sagte die SPD-Politikerin.

Innenministerin Nancy Feaser warnt vor einem zunehmen gewaltbereiten Linksextremismus.APA/AFP/Kenzo TRIBOUILLARD

„Im demokratischen Rechtsstaat darf es keinen Raum für Selbstjustiz geben“, hieß es in einer Mitteilung. Kein Ziel rechtfertige politische Gewalt. „Unsere Sicherheitsbehörden haben die gewaltbereite linksextremistische Szene sehr genau im Blick und werden weiter konsequent handeln.“