Frankreich kommt nach dem Tod eines Algeriers durch eine Polizeikugel weiterhin nicht zur Ruhe. Krawalle gab es erneut in Paris, Marseille und Lyon. 45.000 Polizisten und Tausende Feuerwehrleute waren diesmal im Einsatz. Mit Tränengas haben sie sämtliche Proteste im Keim zu ersticken versucht. Speziell in Marseille, Lyon und Grenoble wurde die Polizeipräsenz massiv verstärkt.

Tränengas gegen gewaltbereite Gruppen in Marseille

In Marseille versuchten sich den ganzen Abend über Gruppen zu bilden, um Schaden anzurichten. Bei Ausschreitungen zwischen Randalierern und Polizisten wurden 43 Personen festgenommen. „Seit dem frühen Abend werden alle potenziell gewalttätigen Gruppen im Stadtzentrum systematisch von Polizisten und Gendarmen aufgelöst, wenn nötig unter Einsatz von Tränengas“, teilte die Polizeipräfektur des Départements Bouches-du-Rhône mit. Mittlerweile sei „die Situation unter Kontrolle“, aber noch immer angespannt.

Polizeiliche Sondereinheiten waren in Marseille ausgerückt.

Nachdem in Marseille zuvor eine Waffenkammer geplündert worden war – der eXXpress berichtete – , war die Polizei dort überdies mit Panzern, Hubschraubern und Spezialtruppen im Einsatz.

Marseille: Polizeibeamte vertreiben Demonstranten mit Tränengas.APA/AFP/CLEMENT MAHOUDEAU

Geplündert wurde in Marseille offensichtlich ein Volkswagen-Händler, wie ein Video zeigt.

Bürgermeister: „Meine Frau und meine Kinder sind unter Schock“

Vincent Jeanbrun, Bürgermeister von L’Haÿ-les-Roses und Sprecher der Republikaner, teilte auf Twitter mit, dass sein Haus, in dem seine Frau und seine beiden Kinder schliefen, in der Nacht von einem brennenden Rammbockauto beschossen worden war. „Meine Frau und meine Kinder unter Schock und verletzt“, berichtete der Bürgermeister in einem Tweet, der er um 2 Uhr in der Nacht gepostet und kurz darauf wieder entfernt hat. Es wurde eine Untersuchung wegen versuchten Mordes eingeleitet, wie die Staatsanwaltschaft von Créteil mitteilte, und die Kriminalpolizei eingeschaltet.

Bei der Champs-Élysées wurden 37 Personen wegen des Tragens von Waffen festgenommen, teilt die Polizeipräfektur mit. 375 Vorfeldkontrollen seien durchgeführt wurden. Unter den beschlagnahmten Gegenständen sind auf den Fotos eine Schleuder mit Stahlkugeln, ein Schlagring oder Brandcocktails zu sehen.

Auch in Paris setzte die Polizei Tränengas ein.APA/AFP/Ludovic MARIN
Viele Krawalle ereigneten sich neuerlich in Paris. Diesmal waren dort aber besonders viele Polizisten im Einsatz.APA/AFP/Ludovic MARIN

Macron sagte Deutschland-Besuch ab

Wegen der Unruhen sagte Präsident Macron seinen Staatsbesuch in Deutschland am Samstag ab. Es wäre der erste Staatsbesuch eines französischen Präsidenten in Deutschland seit 23 Jahren gewesen. Doch die innenpolitische Lage zwingt Macron, in Frankreich zu bleiben.

Auch mehrere Konzerte, Modeschauen und andere Kulturveranstaltungen wurden in Frankreich abgesagt. Busse und Straßenbahnen fahren derzeit nur tagsüber, der Verkauf und das Mitführen von Feuerwerkskörpern und brennbaren Stoffen wurden verboten.

Politik lobt entschlossenes Einschreiten der Polizei

Gemäß Innenminister Gérald Darmanin sei die Nacht „dank des entschlossenen Vorgehens der Ordnungskräfte“ dennoch eine ruhigere gewesen. Premierministerin Élisabeth Borne lobte die Einsatzkräfte: Angesichts der Gewalttätigkeiten zeigten sie beispielhaften Mut, schrieb sie auf Twitter.

Auslöser für die Unruhen war der Tod eines Jugendlichen durch einen Polizisten. Der 17-Jährige war am Dienstag in Nanterre am Steuer eines Autos von einer Motorradstreife gestoppt worden. Als der junge Mann plötzlich anfuhr, fiel ein tödlicher Schuss aus der Dienstwaffe eines Polizisten. Die Beamten hatten zunächst angegeben, der Jugendliche habe sie überfahren wollen. Gegen den Beamten wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet.

FPÖ sieht Schuld bei „Wokeness“

„In Frankreich kapituliert dank wokeness und Linker der Rechtsstaat“, kommentiert Leo Kohlbauer, Pressesprecher FPÖ und Wien, und Bezirksparteiobmann FPÖ Mariahilf.

Wokeness galt zuächst als Wachsamkeit gegenüber Rassismus, Sexismus und Umweltzerstörung. Mittlerweile wurde sie zunehmend zum Synonym für hypermoralische Erregtheit.