Ein mehrfacher Skandal erschüttert die deutschsprachige Medienlandschaft. Massive Plagiatsvorwürfe belasten die langjährige „Standard“-Chefredakteurin und jetzige Vize-Chefredakteurin des „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) Alexandra Föderl-Schmid. Angesichts erdrückender Belege zog sich Föderl-Schmid vorerst vom Tagesgeschäft zurück.

Alexandra Föderl-Schmid war jahrelang Chefredakteurin und Co-Herausgeberin des „Standard“. Im Sinne einer vermeintlichen Pressequalität machte sie sich für die Wiederrichtung des Presserates stark.APA/HERBERT NEUBAUER

Empörend ist das nicht zuletzt deshalb, weil sich ausgerechnet die Promi-Journalistin jahrelang als Stimme für qualitativen Journalismus inszenierte. Im Jahr 2013 erschien ihr Buch „Journalisten müssen supersauber sein. Anspruch und Wirklichkeit in der Medienwelt“. Überdies war Föderl-Schmid „maßgeblich an der Wiedererrichtung des Presserates in Österreich beteiligt“, wie bei der SZ nachzulesen ist. Die SZ selbst wiederum will nach eigenem Bekunden „den besten Journalismus im deutschsprachigen Raum gestalten“. Föderl-Schmid arbeitet seit 2017 für die SZ – zunächst als Israel-Korrespondentin, ab 2020 als Vize-Chefredakteurin. Fazit: Hier scheitert der Anspruch in der Tat an der Realität.

Plagiatsverdacht reicht bis in das Jahr 1996 zurück

Der Verdacht: Förderl-Schmid hat in Artikeln, die sie unter ihrem Namen veröffentlicht hat, ganze Absätze von woanders abgeschrieben, ohne ihre Quellen dabei zu zitieren (siehe unten). Doch das ist nicht alles. Das Fass zum Überlaufen brachten Vorwürfe, die bis in das Jahr 1996 zurückreichen. Die damalige Berlin-Korrespondentin des „Standard“ veröffentlichte ihre Dissertation (Titel: „Vom Monopol zum Markt: zehn Jahre duales Rundfunksystem in Deutschland“). Ein erstes Gutachten endet mit einem vernichtenden Befund. Es gab auch den Anstoß für den jetzigen Rückzug der Promi-Journalistin. Offensichtlich will Alexandra Förderl-Schmid das Urteil der Paris Lodron Universität Salzburg abwarten, bei der sie ihre Dissertation eingereicht hatte, und die sie nun um Überprüfung gebeten hat.

Plagiatsjäger Stefan Weber (Bild) begann die Dissertation der Promi-Journalistin im Auftrag von NIUS zu durchforsten.Joachim Bergauer

Die Vorwürfe kreisen nicht nur um jüngere Fehlleistungen oder Flüchtigkeitsfehler. Vielmehr steht der Verdacht des unsauberen Arbeitens über eine sehr lange Periode im Raum.

„Klare Anwendung einer Plagiatstechnik“

Plagiatsjäger Stefan Weber hat sich im Auftrag des deutschen Online-Mediums NIUS die Doktorarbeit von Alexandra Föderl-Schmid angesehen. Das Ergebnis: „Die Doktorarbeit hat erstens ein Plagiatsproblem. Und sie hat zweitens ein übergeordnetes Qualitätsproblem. Es fehlen eine Forschungsfrage, Hypothesen und ein Empirie-Teil“, wie Weber gegenüber dem eXXpress unterstreicht. Damit fehlen eigentlich elementare Voraussetzungen für eine gültige Dissertation. Die Doktorarbeit sei in Wahrheit „eine reine Literaturarbeit, und deshalb müsste sie bezüglich Zitation erst recht supersauber und wirklich unangreifbar sein. Denn eigentlich hat Frau Föderl-Schmid nur Fakten wiedergegeben und dabei ab- und umgeschrieben.“

Doch von supersauber kann keine Rede sein. „Es handelt sich nicht um vereinzelte fehlende Fußnoten, es handelt sich um die klare Anwendung einer Plagiatstechnik, wie insbesondere dieses Fragment zeigt:“

Die Dissertation
Einen Hinweis auf diesen älteren Text findet man in der Doktorarbeit nicht.

Kein Quellenschutz? SZ spioniert eigene Mitarbeiter aus

Skandalös ist überdies der Umgang der SZ mit den Vorwürfen. Als das Online-Magazin „Medieninsider“ im vergangenen Dezember erstmals auf verdächtige Passagen in den Artikeln von Föderl-Schmid aufmerksam machte, vermutete die SZ zunächst eine rechte Verschwörungstheorie. Kompromittierende Details über eine Redaktionskonferenz gelangten an die Öffentlichkeit. Mittlerweile spioniert die Tageszeitung sogar ihre eigenen Mitarbeiter aus, um einen Maulwurf ausfindig zu machen. Auch das ist bemerkenswert: Die SZ stützte sich bei ihren eigenen Recherchen ebenfalls oft auf Leaks – und die fallen unter Quellenschutz. Sobald die SZ selbst durch ein mutmaßliches Leak belastet wird, gelten anscheinend andere Regeln.

Bundeszentrale für politische Bildung und Jüdisches Museum als Vorlage?

„Medieninsider“ fragte im Dezember: „Schreibt die Vize-Chefin der Süddeutschen ohne Kennzeichnung ab?“ Das Magazin machte auf drei Artikel aufmerksam, in denen sich fast ein Dutzend Stellen befanden, die starke Ähnlichkeiten mit anderen Texten aufwiesen, einige Formulierungen waren wortident. Mit Hilfe einer Software war das Magazin darauf aufmerksam geworden.

Die Artikel von Föderl-Schmid befassten sich mit der Terror-Gruppe Hamas, ihrem Tunnel-System und ihrer Ideologie. Teils wurde mutmaßlich von der „Welt“ abgeschrieben, in der sich identische Formulierungen befanden. Hohe Ähnlichkeiten bestehen überdies zum Islamismus-Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB):

So beschrieb Föderl-Schmid die Ideologie der Hamas in ihrem SZ-Artikel.
So ist es nachzulesen bei der BPB
Der SZ-Artikel beschreibt auch die Entstehung der Hamas....
... worüber man sich schon zuvor bei der BPB informieren konnte.

Besonders bemerkenswert war überdies ein Lexikoneintrag, der wortgleich auf der Seite des Jüdischen Museums in Berlin erschienen war.

Föderl-Schmids Lexikoneintrag auf der SZ-Homepage
Der wortidentische Text beim Jüdischen Museum in Berlin

SZ vermutete zunächst Angriffe von „rechts“

Danach veröffentlichte „Medieninsider“ Details zur anschließenden Redaktionskonferenz bei der SZ: „Dabei drehte sich die Debatte vor allem um ‚Angriffe‘ auf die Redaktion von ‚rechts‘. Unter anderen empörte sich Chefredakteur Wolfgang Krach über eine ‚Verleumdung‘.“

Trauriger Höhepunkt: Die SZ beschloss ihre eigene Redaktion unter Generalverdacht zu stellen und begann die Kommunikation der eigenen Journalisten zu durchforsten. „Reporter ohne Grenzen“ kommentierte auf X: „Die SZ hat dienstliche Festnetztelefone und E-Mails ihrer Mitarbeitenden umfassend durchsucht, um mögliche Kontakte ihrer Mitarbeitenden zum Branchenmagazin Medieninsider zu finden. Wir sehen den Quellenschutz in Gefahr!“