Der Macheten-Mord von Wien-Brigittenau ist bei den Bewohnern in Tatortnähe an der U6-Station Jägerstraße auch sechs Wochen danach allgegenwärtig. Was man von der Polizei nicht behaupten kann. Fehlanzeige bei der erhofften verstärkten Präsenz vor Ort, keine besonderen Aktivitäten am Drogen-Hotsport, null Kommunikation die Ermittlungen betreffend. Letzteres ist verständlich: Die Fahndungspleite ist nicht dazu angetan, das Sicherheitsgefühl der Wiener anzuheben. Freundlich ausgedrückt.

Das Killerkommando, das einem Algerier (31) in der Nacht zum 20. April in der Station auflauerte, ihn verfolgte, fixierte, verprügelte und anschließend mit einer Machete bis zum Verbluten verstümmelte, läuft immer noch frei herum. Die Festnahme eines mutmaßlichen Komplizen (24), der auf seiner Flucht in den Donaukanal gesprungen war, sowie von zwei möglichen Zeugen ist alles, was die LKA-Ermittler bisher vorzuweisen haben. Ihre Vermutung: Die Macheten-Mörder waren eigens nach Wien angereist, um ein Mitglied der Drogenszene zu bestrafen. Anschließend setzten sie sich sofort wieder nach Frankreich oder Nordafrika ab.

Ermittlungen bislang eine einzige Pannen-Serie

Es ist reine Spekulation, auch nach sechs Wochen gibt es für die These keinerlei Beweise. Genauso gut könnten sich die Täter täglich in einem Linzer Kaffeehaus treffen. Erkannt werden würden sie kaum, denn eine Öffentlichkeitsfahndung scheiterte, weil angeblich die Überwachungssysteme aus der U6-Station nur unbrauchbare Bilder lieferten. Bei insgesamt 18 Videokameras! Auch die Befragungen des mutmaßlichen Komplizen brachten nichts: “Ich kenn die nicht, ich war nicht dabei”, ist die bisherige Ausbeute aus den Verhören.

Jeden Tag zwei körperliche Attacken auf Bewohner

Vor Ort ist die Verunsicherung nicht erst seit dem Macheten-Mord groß. Nur drei Wochen davor war an exakt der selben Stelle eine Wienerin (26) vergewaltigt worden. Für den Bezirk wies die Kriminalstatistik 846 Verbrechen gegen Leib und Leben allein für das Jahr 2022 aus. Jeden Tag werden dort mindestens zwei Bewohner körperlich attackiert, verletzt, missbraucht oder sogar getötet.

Hannes Derfler (SPÖ), der Bezirksvorsteher von Brigittenau, dessen Rathaus nach dem Macheten-Mord mit Telefonanrufen verängstigter Bewohner bombardiert worden war, schlug längst Alarm: “Zur Erhöhung des subjektiven Sicherheitsempfindens wäre mehr sichtbare Polizeipräsenz wünschenswert. Uns aber sagt die Polizei, dass sie ein Personalproblem habe, die Vorgesetzten dagegen aber nichts tun würden”, so der Politiker. Die Beamten vor Ort seien motiviert, die Dienststellen aber chronisch unterbesetzt.

Beste Voraussetzungen also für weitere Gewaltverbrechen, die dann nicht aufgeklärt werden können.

Tatort U6-Station Jägerstraße in Wien-Brigittenau.
Blutspuren vom Mordopfer (31).