Während den Westen tagtäglich neue Bilder des Schreckens aus Afghanistan erreichen, wird vor allem die Angst um das Schicksal von Frauen – insbesondere Frauen mit “westlicherer” Gesinnung – zunehmend größer. Eine Frau, die schon vor der Machtübernahme der Taliban um ihr Leben fürchten musste, ist Aryana Sayeed. Als größter Popstar ihres Heimatlandes und politisch engagiertes Vorbild für viele Frauen, die sich nicht unterdrücken lassen wollen, ist sie das Feindbild par excellence für radikale Islamisten. Jetzt ist auch sie aus Afghanistan geflüchtet.

Die 36-jährige Sängerin ist nämlich nicht nur die berühmteste Popsängerin des Landes, sondern zeigt auch öffentlich, dass sie von den radikalen Ansichten der militanten Islamisten und deren Frauenbild genau gar nichts hält. Sie selbst musste bereits als Kind mit ihrer Familie aus Afghanistan flüchten, zuerst in die Schweiz, wo man einen Asylantrag ablehnte, und dann nach Großbritannien. Doch auch wenn sie in den letzten Jahren einen Zweitwohnsitz in Istanbul hatte, zog es sie immer wieder in ihre alte Heimat zurück, wo sie oft für TV-Auftritte und Konzerte und auch für längere Phasen verweilte. Sayeed fungierte unter anderem als Jurorin der Castingshows “Afghan Star” und “Voice of Afghanistan” und betrieb ein eigenes Modelabel.

Afghanisches Kim-Double: Aryana SayeedInstagram / aryana sayeed

Aryana Sayeed trägt gerne hautenge Kleidung und weigert sich, ein Kopftuch zu tragen. Sie ist das personifizierte Feindbild der Taliban, und steht für all das, was die militanten Islamisten ausmerzen wollen: Frauenrechte, Meinungsfreiheit und weibliche Selbstbestimmung. Sayeed ist entschlossen, an den Errungenschaften der letzten 15 Jahre festzuhalten und ist offen politisch. In ihren Texten fordert sie Frauen dazu auf, stark zu sein und nicht aufzugeben und für eine bessere Zukunft zu kämpfen. Für viele afghanische Frauen ist sie eine Ikone.

Afghanisches Kim-Double: Aryana SayeedInstagram / aryana sayeed

Für ihr Engagement zahlt Sayeed aber auch einen hohen Preis: Sie musste schon lange vor dem neuerlichen Vorstoß der Taliban in Afghanistan oft um ihr Leben bangen: So erhielt sie während ihrer Zeit als Jurorin bei den Talentshows immer wieder Morddrohungen. Fünf Mullahs verhängten in einer religiösen Talkshow im Fernsehen eine Fatwa gegen sie, in der es hiess: Wer den Kopf dieser Frau bringt, wird sofort in den Himmel aufsteigen. Während eines Drehs töteten Extremisten acht Kollegen Sayeeds bei einem Anschlag auf Tolo TV, den Sender, der die Sendungen produzierte.

In einem Bekennerschreiben der Taliban dazu hiess es: “Dieser Sender macht sich über unsere religiösen und kulturellen Normen lustig, ermutigt zu Obszönität und Unzüchtigkeit und injiziert der Jugend gefährliche Substanzen wie Irreligiosität, Unmoral, Gewalt, Glücksspiel, Vermischung und Profanität.”

Schon damals drohten Geistliche, auch sie zu töten, wenn sie zu einem geplanten Konzert in Kabul zurückkehren würde – Aryana Sayeed trat trotzdem auf. Nun bleibt ihr nur noch Galgenhumor, wie der Kommentar zum Instagram-Bild zeigt: “Wenigstens müssen meine Landsleute nun keine Selbstmordattentate mehr befürchten.”