Wissenschaft stützt sich auf Beweise. Wissenschaft bedeutet nicht, alles schon im Vorhinein besser zu wissen. Das sollte auch  Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) bedenken, vor allem nach neuen Studienergebnissen zum Ursprung des Coronavirus.

Das Thema wird nach wie vor heiß diskutiert und ist wissenschaftlich noch nicht geklärt: Zunächst war die These vom Ursprung  des Virus auf einem Tiermarkt in Wuhan die gängigste. Sie wurde auch mit Nachdruck in der Öffentlichkeit propagiert. Doch mittlerweile gewinnt die Labor-Hypothese an Bedeutung. Das ist bemerkenswert. Denn wer sie vor kurzem noch vertreten hat, galt als Verschwörungstheoretiker, etwa in einer Studie von Minister Polaschek.

Studienautoren von Bildungsminister Martin Polaschek (Bild, ÖVP) werteten Vertreter der Labor-These als tendenziell wissenschaftsskeptischer.APA/EVA MANHART

Wer an den Labor-Ursprung glaubt, ist angeblich ein Wissenschaftsskeptiker

In der vom Minister im Vorjahr präsentierten Untersuchung wurde Österreichs hohe Wissenschaftsskepsis beklagt. Ermittelt wurde diese wissenschaftsfeindliche Haltung anhand einer Umfrage. Als wissenschaftsfern galt etwa, wer folgendem Satz zugestimmt hat: „Viren wurden in staatlichen Laboren erzeugt, um unsere Freiheit zu kontrollieren.“

Polascheks Studienautoren wussten offenbar schon damals, dass das falsch ist. Dabei gab es bereits damals Indizien dafür, dass das Corona-Virus womöglich doch in chinesischen Militärlaboren gezüchtet wurde und aufgrund eines Unfalls entwichen war. Auch einige renommierte Wissenschaftler – darunter Nobelpreisträger – tendierten zu dieser Annahme. Von einer künstlichen Erzeugung des Coronavirus berichtete überdies die in den Westen geflohene chinesische Virologin Dr. Li-Meng Yan, und wurde dafür kritisiert.

Mehrere Faktoren sprechen für Erzeugung im Labor

Nun hat ein Team des Kirby Institute der University of New South Wales in Australien eine neue Studie zu dieser Frage in der Fachzeitschrift „Risk Analysis“ veröffentlicht. Ergebnis: Ein unnatürlicher Ursprung des Virus ist wahrscheinlicher ist als ein natürlicher. Mit anderen Worten: Die Pandemie wurde eher durch einen Laborunfall als durch die Übertragung des Erregers von Tieren auf Menschen ausgelöst.

Die Forscher verwendeten ein spezielles Instrument zur Risikoabschätzung, Grunow-Finke Risk Assessment Tool genannt. Mit ihm wurden alle bekannten Daten und Veröffentlichungen zur Corona-Pandemie ausgewertet.

Mehrere Faktoren führten zu der Einschätzung der australischen Wissenschaftler, etwa der Umstand, dass die ersten bekannten Covid-19-Fälle in Wuhan auftraten, wo Coronaviren seit Jahren erforscht und gelagert werden. Zudem war Sars-CoV-2 gut an menschliche Zellen angepasst und verbreitete sich sehr schnell. Berichte über eine vorübergehende Schließung eines der Corona-Labore in Wuhan vor den ersten bekannten Fällen erhöhen ebenfalls die Wahrscheinlichkeit eines Laborunfalls.

Die Debatte geht weiter – und sollte ergebnisoffen geführt werden

Nun, die Diskussion ist damit noch nicht abgeschlossen. Andere Forscher üben bereits Kritik an der Methodik der Studie. So sei das Grunow-Finke-Instrument nicht fehlerfrei und habe bereits zu Fehleinschätzungen geführt.

Allerdings behaupten die australischen Wissenschaftler auch nicht, dass ihre Ergebnisse die Labor-Hypothese beweisen. Worauf sie vielmehr hinweisen: Man sollte die Labor-Hypothese nicht voreilig verwerfen.

Fazit: Die Wissenschaft bleibt gespalten, China weist die Laborhypothese nach wie vor zurück, unabhängige Untersuchungen sind weiterhin höchst schwierig. Nur gerade deshalb sollte man die Frage nicht voreilig zur Seite schieben. Solange hier keine Gewissheit herrscht, ist es nämlich höchst unwissenschaftlich, die Vertreter der einen These von vornherein als Verschwörungstheoretiker abzutun.