Gleich zwei Doku-Filme über Sebastian Kurz werden im September in den Kinos gezeigt: „Kurz – der Film“ und ab übernächster Woche „Projekt Ballhausplatz“. Der Alt-Kanzler bestreitet mit Nachdruck, den ersten Film finanziert zu haben. Als eine Interview-Anfrage kam, aber er zunächst abgesagt und erst auf mehrmalige Nachfrage eingewilligt. Er denke, „der Film gibt unterschiedlichen Sichtweisen Raum. Meinen Mitstreitern und mir selbst genauso wie politischen Gegnern und jetzt kann sich jeder ein Bild machen.“

Einen Seitenhieb auf den ORF gestattete sich Kurz in seinem letzten Interview. Deutliche Kritik übt er an den Machern von „Projekt Ballhausplatz“.

Als die „Krone“-Journalistin im Interview nachhackt, entlockt sie Kurz ein höchst originelles und schlagfertiges „Geständnis“. Kurz: „Jetzt kann ich das Geheimnis ja lüften. Ich habe tatsächlich einen Film mitfinanziert. Aber nicht diesen Film, sondern den Anti-ÖVP-Film von Kurt Langbein. Ich zahle nämlich meine GIS-Gebühr, die ab nächstem Jahr ja verpflichtend für alle Haushalte ist, und meine Steuern. Und nachdem der Film „Projekt Ballhausplatz“ sowohl vom ORF als auch vom Filmfonds der Stadt Wien und vom Filminstitut gefördert wurde, habe ich wie viele andere Österreicher diesen Anti-ÖVP-Film unterstützt. Aber den besagten Film definitiv nicht, das kann ich zu 100 Prozent ausschließen.“

Fehlender Respekt vor Demokratie bei Machern von „Projekt Ballhausplatz“

Dass alle nur über die Finanzierung von „Kurz – der Film“ sprechen, findet der Alt-Kanzler bemerkenswert. „Was mich schon überrascht, ist die Tatsache, dass es von einigen Medien als suspekt dargestellt wird, wenn ein Film ohne öffentliche Fördergelder zustande kommt. Wir leben also mittlerweile in einer Gesellschaft, wo staatliche Finanzierung die Norm ist und alles, wo ein Unternehmer Risiko eingeht, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, verdächtig erscheint.“

Ein großes Plakat wirbt für den neuen Film.APA/AFP/Alex HALADA

Kurz erklärt auch, warum er Kurt Langbeins Filmcrew kein Interview geben wollte: „Auf seiner Homepage schreibt Langbein selbst von einer Machtübernahme durch eine Gruppe junger Männer, die die Republik an den Rand der Demokratie geführt hätten. Bei allem Respekt: Ich halte unterschiedliche Meinungen für wichtig und bin ein überzeugter Demokrat. Wer aber demokratische Wahlen als ‚Machtübernahme‘ framed und solche Formulierungen verwendet, der versucht hier ganz bewusst einen falschen Eindruck zu erwecken und hat keinen Respekt vor demokratischen Entscheidungen.“

„Den Menschen wird eingeredet, dass man weniger arbeiten soll“

Auch auf Tagesaktuelles kam Kurz zu sprechen, der ebenso klarstellte, eine Rückkehr in die Politik nicht anzustreben. Zu den Vergehen des Ex-Burgschauspielers Florian Teichtmeister meint er: „Als Vater eines Kindes ist die Vorstellung, dass kleine Kinder missbraucht werden und dass es Menschen wie Teichtmeister gibt, die sich das lustvoll anschauen, unerträglich und abscheulich.“

Im Gespräch mit Alt-Kanzler Wolfgang SchüsselAPA/GEORG HOCHMUTH

Ebenso attackiert er offen eine Politik der sozialen Hängematte, „Wokeness“ und Debatten über angeblich 34 Geschlechter. Kurz wörtlich: „Am stärksten emotionalisiert mich, dass im Westen aus meiner Sicht einiges in die falsche Richtung läuft. Diese Leistungsfeindlichkeit zum Beispiel, wo den Menschen eingeredet wird, dass man weniger arbeiten soll. Ganz besonders auch diese ‚Wokeness‘, wo uns allen vorgeschrieben wird, was wir sagen oder manchmal sogar, was wir denken dürfen. Für mich nicht nachvollziehbar sind auch Debatten darüber, dass es neben den biologischen Geschlechtern 17 oder 34 weitere geben soll.“

Kürzlich war Sebastian Kurz wieder bei Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban eingeladen.APA/AFP/Ferenc ISZA

Klimakleber: „Junge Menschen werden durch fundamentalistisches Gedankengut verführt“

Er habe das Gefühl „eine politische Elite von linker Seite“, vertrete die Meinung, „ihre Art zu denken sei die einzig wahre und alles andere muss bekämpft werden, vielleicht sogar juristisch.“ Bei den Klimaklebern sieht er „einen totalitären Anspruch“. Man sehe bei ihnen, dass „fundamentalistisches Gedankengut so stark ist, dass junge Menschen verführt werden, Gesetze zu brechen, sich irgendwo hin zu picken, Chaos zu stiften und auf niemanden Rücksicht zu nehmen, egal, ob das der Sechsjährige ist, der sich auf seinen ersten Schultag freut, oder das Einsatzfahrzeug, das auf dem Weg ist, um jemandem zu helfen.“

Absurd sei, „dass man Polizisten jetzt mit Olivenöl ausstattet, um den Klebstoff zu entfernen, und mit einer Bodycam, um mitzufilmen, ob sie eh sehr gefühlvoll sind, um nicht nachher eine Anzeige zu riskieren“.

Dass man Klimakleber mit Samthandschuhen anfasst, kann Kurz nicht nachvollziehen.

„Trugschluss zu glauben, man schadet den Russen, wenn man Österreich das Gas abdreht“

Europa vergesse zurzeit, „dass viele Teile dieser Welt, was wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand betrifft, gerade an uns vorbeiziehen.“

Zu Österreichs Gas-Deal: „Günstiges Gas aus Russland war in den letzten Jahrzehnten ein Treiber unseres Wohlstands. Wenn wir kein Gas aus Russland mehr geliefert bekommen würden, dann könnten Menschen daheim nicht mehr heizen, dann würden Teile unserer Industrie zum Erliegen kommen und die Republik könnte Grundbedürfnisse wie ein warmes Zuhause nicht mehr sicherstellen.“ Es sei ein Trugschluss zu glauben, „man schadet den Russen, wenn man Österreich das Gas abdreht“. Vielmehr sei „das Gegenteil der Fall“.

Im Oktober 2018 empfing der damaligen Kanzler Sebastian Kurz Russlands Präsident Wladimir Putin in Wien.APA/GEORG HOCHMUTH

Für bemerkenswert hält er auch die Gleichgültigkeit Europas über jüngste Entwicklungen in den BRICS-Staaten. „Was mich wundert, ist, dass es bei uns kaum ein Thema ist, dass sich gerade weitere den BRICS-Staaten angeschlossen haben. Diese Vereinigung bildet mittlerweile fast die Hälfte der Weltbevölkerung ab. In vielen Teilen der Welt gibt es nach wie vor ein solides Wirtschaftswachstum, während wir in Europa gerade in die Rezession schlittern.“ Doch Europa sehe „sich nach wie vor als der Nabel der Welt und blickt mit dem erhobenen Zeigefinger auf fast alle anderen Länder herab.“