Die Ukraine und viele ihr besonders gewogene westliche Medien sind sich einig: Wladimir Putin und Russland stecken hinter den Nord-Stream-Lecks. Angesichts solcher Vorwürfe reibt man sich verdutzt die Augen. Die Anschuldigungen werfen unweigerlich die Frage auf: Welches Motiv hätte Kreml-Chef Wladimir Putin dafür gehabt, Löcher in die Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 zu sprengen? Die Logik sagt: keine.

Und diese sechs Fakten sprechen gegen einen Terrorbefehl aus dem Kreml:

Erstens: Allein für den Bau von Nord Stream 2 hat Russland mehr als 12 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Der Hintergrund: Russland will die Gaslieferungen über die Ukraine nach und nach umgehen, weil Kiew immer wieder illegal Gas für sich abzweigt und Moskau zu erpressen sucht.

Zweitens: Die Pipelines Nord Stream 1 und 2 haben die Kapazitäten, ständig gigantische Summen in die russische Staatskasse zu spülen. Noch dazu: Putin hat die Kontrolle über den Gashahn. Wenn er kein Gas Richtung Europa liefern will, dreht er diesen einfach zu, basta. Aber die sündteuren Pipelines zu zerstören und sich eine gewaltige Einnahmequelle zu vernichten? Das ist mehr als auszuschließen.

Mit dem Wegfall von Nord Stream verliert Putin ein wichtiges Ass im Ärmel

Drittens: Die Gaspipelines sind Putins größter Trumpf gegenüber dem Westen, ist doch die EU von russischem Gas – vorerst noch – abhängig. Moskau hat folglich ein großes Erpressungsinstrument in der Hand. Ist die Möglichkeit aber vernichtet, Gas durch die Nord Stream Pipelines zu liefern, kann Putin dieses Erpressungsinstrument nicht mehr ausspielen. Er müsste durchgeknallt sein, wie es ein Beobachter Russlands formulierte, sich selbst mit den Sprengungen der Gasleitungen zu schaden.

Viertens: Warum sprengen russische Spezialkräfte angeblich die eigenen Pipelines und nicht die Gasleitungen Europipe 1 und 2 des norwegischen Staatskonzerns Gassco, die von Norwegen auf dem Grund der Nordsee Richtung Deutschland verläuft, um so den Gaspreis weiter in die Höhe zu treiben und Russland in eine noch bessere Position zu bringen?

Seit Tagen wird gerätselt, wer die Nord-Stream-Gasleitungen gesprengt hat

Hinter den Lecks stehen wohl Mächte, die Moskau schwächen wollen

Fünftens: Warum sollte die Regierung im Kreml wollen, dass nun die Ukraine Westeuropa noch mehr unter Druck setzen und so noch mehr finanzielle und militärische Hilfe erpressen kann, weil Kiew jederzeit etwa aus “technischen Gründen” die Pipelines Soyuz und Brotherhood blockieren könnte?

Und sechstens: Es wäre ein beim russischen Generalstab und Wladimir Putin vorgetragener Plan wohl nicht besonders gut angekommen, wenn dadurch jetzt die Ukraine von den verbliebenen Ost-West-Gasleitungen Soyuz und Brotherhood – die quer über die Ukraine verlaufen – Millionen Kubikmeter an Gas für sich abzweigen (stehlen) kann, um die eigene Bevölkerung und die Armee zu versorgen. Ohne diese nicht wirklich legale Gasversorgung würden die 44 Millionen Einwohner der fast bankrotten Ukraine vermutlich im Winter erfrieren.

Wer kann also tatsächlich hinter den Terroranschlägen stecken? Militärexperten nennen dabei Großbritannien. Das Königreich hat randvolle Gasspeicher (100 Prozent Befüllung) und kann dank der unterbrochenen Gaslieferungen aus Russland sozusagen in die Bresche springen und bei der Gasversorgung einzelner EU-Länder (teuer) aushelfen. Großbritannien ist einer der größten Unterstützer der Ukraine im Krieg gegen Russland. London hat Kiew bereits Waffen in großem Umfang geliefert, darunter hochmoderne Raketensysteme.

Freitagmorgen beschuldigte der Kreml auch die USA: Die Vereinigten Saaten wären der “Hauptnutznießer” davon, dass die Pipelines Nord Stream 1 und 2 gesprengt worden sind.