Andreas Tögel: Kein richtiges Leben im falschen
„Ich bin ein Marxist“ tut der potentielle neue Führer der österreichischen Sozialdemokratie, Andreas Babler, dem Fernsehpublikum zu wissen kund. In einem Land, in dessen Hauptstadt es einen Karl-Marx-Hof, einen Friedrich-Engels-Platz und ein Denkmal für einen homophoben kommunistischen Massenmörder namens Ernesto „Che“ Guevara zu bestaunen gibt, ist das allerdings kein Aufreger, meint eXXpress-Kolumnist Andreas Tögel.
Besonders deshalb nicht, da Herr Babler, der sich mit den schriftlichen Hervorbringungen des Trierer Unruhestifters nur recht oberflächlich beschäftigt zu haben scheint, auf Nachfrage erklärt, dass er nicht für Enteignungen und die Diktatur des Proletariats eintritt. Kein Grund zur Aufregung also?
Gegenfrage: Kann jemand ein Christ sein, der in Jesus Christus nicht den Sohn Gottes sieht? Ist jemand ernst zu nehmen, der sich zum Nationalsozialismus bekennt, und zugleich betont, Philosemit zu sein? Kann einer als Liberaler durchgehen, wenn er eine rigorose staatliche Wirtschaftsplanung fordert? Alle drei Fragen sind zu verneinen. Weshalb also, sollte man Genossen Babler glauben, dass er den Kernbestand der marxistischen Theorie – nämlich die Diktatur des Proletariats und die Enteignung der Produktionsmittel – nicht verwirklichen möchte? Eher könnte man einem strenggläubigen Moslem abnehmen, dass er nicht an die Himmelfahrt Mohammeds glaubt!
Der Philosoph und Soziologe Theodor W. Adorno, hat in den „Minima Moralia“ seinen wohl meistzitierten Satz formuliert: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ Will heißen: Auf der Basis falscher Prämissen kann nichts Rechtes gedeihen. Oder: Einer mörderisch-menschenfeindlichen Ideologie anzuhängen, und trotzdem ein guter Mensch zu bleiben, ist schier unmöglich
Koalition mit den Freiheitlichen könnte möglich werden
Als außenstehender Beobachter darf man am dritten Juni dabei zusehen, wie sich die Delegierten des SPÖ-Sonderparteitags, hinsichtlich der Person an ihrer Parteispitze entscheiden werden. Folgen sie dem denkbar knappen Votum der Parteimitglieder, werden sie den burgenländischen Pragmatiker Doskozil auf den Schild heben. In diesem Fall könnte vieles möglich werden, was bisher undenkbar erschien: Etwa eine Koalition mit den Freiheitlichen, mit denen es ja im Bereich „Soziales“, große Schnittmengen gibt. Wandern die Anhänger Rendi-Wagners allerdings ins Lager des Traiskirchner Marxisten, wird die Partei unter der Führung Andreas Bablers künftig ein kantig-linkes Profil erhalten, was für sie den Vorteil hätte, sich nach links „abzudichten“ und den zuletzt bei Regionalwahlen erfolgreichen Kommunisten den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Die Entscheidung der Genossen wird jedenfalls nicht ohne Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung im Lande bleiben. Gewinnt Doskozil, der in seinem Bundesland auf rigorose Wirtschaftslenkung setzt, und wagt er es, eine Koalition mit den Freiheitlichen einzugehen (ein Szenario, das man in der Industriellenvereinigung für nicht unwahrscheinlich hält und für diesen Fall bereits entsprechende Vorkehrungen trifft), würde in gewisser Weise zusammenwachsen, was ohnehin zusammengehört. Immerhin stammt Herbert Kickl aus einer Arbeiterfamilie, war in der FPÖ für „Soziales“ zuständig und versteht diese als „soziale Heimatpartei“ – betrachtet sie also, wie weiland Jörg Haider, als die bessere Sozialdemokratie. Nicht wenige Kritiker schätzen Herrn Kickl daher als lupenreinen Sozialisten ein. Auf die Wirtschaft wird im Fall der Bildung einer FPÖ-SPÖ-Regierung, möglicherweise einiges an zusätzlichen Regulativen zukommen. Unter den Überschriften „Kampf den Inflationsgewinnlern“ und „leistbares Wohnen“ ließe sich trefflich linkspopulistische Politik verkaufen und umsetzen.
Auch ein noch so glühender Glaube versetzt keine Berge
Sollte indes Andreas Babler das Rennen machen, kann die SPÖ nur dann auf eine neuerliche Regierungsbeteiligung hoffen, wenn die 2024 anstehende Nationalratswahl eine Mehrheit links von FPÖ und ÖVP bringt, was aus heutiger Sicht unwahrscheinlich erscheint. Sowohl die Führung der FPÖ, als auch die der ÖVP, würde sich wohl nur ungern auf ein Regierungsexperiment mit einer SPÖ unter der Führung eines Marxisten einlassen, der sich als Befürworter des von Lenin propagierten „Staatsmonopolkapitalismus“ sieht. Dass Lenin übrigens sehr bald die Unzulänglichkeit dieses Konzepts erkannte, und sich schon anno 1921 dazu genötigt sah, eine „Neue ökonomische Politik“ (NEP) auszurufen, die eine teilweise Rückkehr zu marktwirtschaftlichen Prinzipien bedeutete, scheint dem niederösterreichischen Provinzpolitiker weniger zu interessieren.
Was Politiker vom Schlage der beiden Anwärter auf die SPÖ-Führung stets ignorieren, brachte der Ökonom und Finanzminister Eugen Böhm von Bawerk, dessen Portrait den letzten 100-Schilling-Schein zierte, auf den Punkt: „Politische Macht vermag das ökonomische Gesetz niemals außer Kraft zu setzen.” Niemand kann Wasser bergauf fließen lassen – auch wenn er es noch so gerne möchte!
Besteuerungs- und Umverteilungsexzesse, sowie Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich, wie Genosse Babler sie fordert, sind Gift für den im internationalen Wettbewerb um Investitionen stehenden Wirtschaftsstandort Österreich. Der große britische Liberale Lord Dalberg-Acton, fasste es kurz und bündig zusammen: „Die Arbeiterklasse hat durch eine Schädigung des Kapitals mehr zu verlieren als die Kapitalisten, denn was für letztere den Verlust von Luxus und Überfluss heraufbeschwört, bedeutet für erstere den Verlust des Notwendigen.“
Fazit: auch ein noch so glühender Glaube versetzt keine Berge – jedenfalls nicht auf dieser Welt. Es wäre daher schön, würden politische Mandatsträger ideologisch motivierte Illusionen über Bord werfen und stattdessen evidenzbasierte Realpolitik betreiben. Man wird sich ja noch etwas wünschen dürfen!
Kommentare
Die Analysen von Herrn Tögel klingen plausibel und nachvollziehbar, sind und bleiben aber bloß Annahmen und Thesen. Die Seele der SPÖ zu ändern ist so als würde man aus Fisch Fleisch machen wollen um es dann trotzdem als Fisch zu verkaufen. Sozial zu sein, sozial zu denken und auch so zu handeln ist, so merkwürdig das auch klingen mag, etwas Anderes als Sozialist zu sein. Einem Sozialisten, also jemand der sich so bezeichnet, hängen immer etwelche Dünkel nach, die befriedigt werden wollen und das macht den Unterschied. Wenn Herbert Kickl tatsächlich so tickt wie hier beschrieben, dann wäre er und seine Partei doch der erwünschte soziale Part in einer Koalition mit einer “Wirtschaftspartei”, die sich dann tatsächlich wieder ihren ursprünglichen Werten zuwenden könnte, um sich dort zu profilieren wos sie sich immer hingedacht haben. Mit einer Verbindung zu “Sozialisten”, so könnte ich mir vorstellen, würde es wesentlich schwieriger werden tatsächlich “sozial” zu regieren, da ja die besagte Seele einer sozialistischen Bewegung nach wie vor im Inneren Schlummert und Energie fordert. Dümmlich Forderungen wie schon immer, aber besonders in jüngerer Zeit, wie etwa Vermögensbesteuerungen, Erbschaftssteuern etc. dienen nicht einer sozialen gerechten Regelung sondern bloß um grundlegende, vor Neid triefende Agenden sozialistischer Konstrukte zu befriedigen. Marktwirtschaftliche Anreize wie etwa Motivation zu Leistung durch Anerkennung, bessere Entlohnung und somit den Weg zu Wohlstand zu ebnen war niemals der Plan sozialistischen Denkens. Man sollte das auch nicht ausser Acht lassen.
Sagen wir es einmal wertfrei; mit Babler begegnet uns seit langem wieder ein sozialdemokratischer Ideologe. Alle anderen Parteichefs, zurückgehend bis Vranitzky, waren eher Manager der SPÖ. Übrigens ist es noch nicht so lange her, dass innerhalb des Parteiprogramms, die „Klassenlose Gesellschaft“ als letztes Ziel sozialdemokratischer Politik, angeführt wurde.
Alles richtig, was im Artikel steht, es kann aber auch alles ganz anders kommen. Wenn “wir” weder Dosko- noch Babler-SPÖ wählen wird das alles nicht passieren …
Sehr guter Artikel, aber ich glaube nicht, dass man mit der SPÖ eine Politik gegen die sozialstaatvernichtende Armuntsvölkerwanderung machen könnte.
Da wird Herr Tögel doch nicht schon Angst vor Blau-Schwarz haben? Sein Text lässt nur den Schluss zu, Schwarz wählen ist die einzige (wirtschafltiche) Rettung.
Aber wenn man sich die schwarzen (Un-) Taten der letzten Jahre ansieht, ist es sehr kühn, denen noch irgendeine Wirtschaftskompetenz zuzugestehen, seinen es unsere oder die Deutschen.
Und sollte es die doch noch geben, haben sie es sehr gut verstanden, die vor den Grünen zu verstecken.
Lieber Herr Tögel, schön beschrieben, nur glauben Sie, dass die heutige VP weniger “sozialistisch” ist, als die Kickl-FPÖ? Wenn dem so wäre, hätten die Türkisen niemals mit den Ökomarxisten eine Koalition eingehen dürfen. Und Budgetdisziplin ist in der VP seit dem Abgang von Wolfgang Schüssel ebenfalls ein Fremdwort. Weil Sie das Denkmal des kommunistischen Serienmörders Che Guevara im Donaupark angesprochen haben: Dieses wird im sozialistischen Wien mit Sicherheit unberührt bleiben, während das des ehemaligen, christlich-sozialen Bürgermeisters Lueger nächstes Jahr um 500.000 Euro Steuergeld um 3,5° gekippt werden soll, um ihm “die Monumentalität zu nehmen”, wie es in der Presseaussendung hieß.
FPÖ und SPOE, hieße das man sollte doch OeVP wählen, damit eine weitere Alternative erhalten bleibt?
evidenzbasierte Realpolitik:
die sehe ich – und nicht nur ich – allerdings nicht (mehr) mit ÖVP+SPÖ+NEOS+Grün*innen.
ZwangsImpfen overruled Menschsein. Lebenslänglich.
Und das mein’ ich ruhig und besonnen.
Somit ist es für mich gänzlich hugo, wer da SPÖ-Chef wird.
Es sollten – sowieso – neue Parteien entstehen.
Vor wenigen Jahren noch, hätte ich auch eine schwarzgrüne Koalition für völlig denkunmöglich gehalten.
Wenn es um Macht(erhalt) geht, traue ich in der Politik inzwischen Jedem alles zu …
Ich schreibe nicht zu schnell!
Wie immer klug und pointiert geschrieben.
Schön herausgearbeitet.
Wenn ich mir den Gegenwartszustand so ansehe, dann fällt mir unweigerlich Friedrich Nietzsche und seine “Umwertung aller Werte ein”, also die banalisierte Version davon, die wir erleben.
In dem Zusammenhang würde es mich schon interessieren, wie ein Babler das ukrainische Regime sieht, das die Denkmäler des wirklichen Staatsgründers der Ukraine (Lenin) abreissen lässt und durch Denkmäler von Bandera (Hitler Kollaborateur, Nationalist) und Schuchewitsch (UPA, SS-Bataillon Nachtigall) ersetzen lässt.
Die SPÖ unterstützt ja die Ukraine und erkennt bemerkenswerterweise die riesigen schwarzen Flecken nicht, die hier zwangsläufig zu erkennen sind. Wie steht Babler zu dieser recht irritierenden Tatsache?