Jänner

Zum Jahresauftakt dominierte das deutsche Polit-Twitter vor allem der CDU-Parteitag und die Frage, wie ein kleiner Machtzirkel wohl argumentieren wird, wenn der laut Umfragen mit Abstand beliebteste Kandidat aus Kalkül verhindert wird. Unter dem Hashtag #TeamMerz vernetzten sich Gleichgesinnte mit dem Ziel, die CDU wieder stärker zu ihren konservativ-bürgerlichen Wurzeln zu führen.

Februar

Ein Teil meiner Twitter-Diskussionen in diesem Monate drehte sich skurrilerweise um die Frage, ob mir eine junge Frau in Wien eine kommunistische Zeitung verkaufen wollte. Denn eben jene Anekdote schilderte ich auf Twitter und äußerte mich dabei auch anti-kommunistisch (i.e. demokratisch), was starke Emotionen bei Links-Twitter hervorrief.

Unter anderem schaltete sich ein bekannter linker Journalist in die Debatte ein und zweifelte an meiner Darstellung, woraufhin ich den Video-Beweis antrat. „Möchten Sie eine kommunistische Zeitung kaufen?“ wurde anschließend zu einem Meme auf Twitter und irgendwelche Spaßvögel meldeten mich reihenweise für Newsletter kommunistischer und sozialistischer Medien an. Einer erreicht mich bis heute noch, weil es technisch nicht möglich ist, ihn abzubestellen. Ich lese aber weiterhin weder ihn, noch kommunistische Zeitungen.

März

Markant war im März sicherlich der öffentliche Disput zwischen Antifa-Aktivistin Natascha Strobl und der linken Wochenzeitung „Falter“. Im Kern ist es dabei um die Frage gegangen, ob es zutreffend ist, dass auf Antifa-Demos mitunter antisemitische Parolen zu hören sind. Eben jene hatte ein Falter-Kolumnist mit Schrecken vernommen, Strobl stellte das aber vehement in Abrede und tauchte anschließend ein paar Tage auf Twitter unter. Später haben sich dann alle wieder vertragen – geklärt werden konnte diese wichtige Frage aber nicht mehr zufriedenstellend.

April

Viel diskutiert wurde in diesem Monat die Frage, ob es in Ordnung ist, auf Twitter um Geld zu betteln. Ja, wenn man in einer Notlage ist, aber weniger, wenn das halbe Geschäftsmodell darauf beruht, durch Kontroversen Kritik zu ernten, diese dann als Shitstorms von Rechts zu framen, um dann bei jeder Gelegenheit die Hand aufzuhalten. Lamentieren statt Leistung. Für manche scheint es lohnend. Was sagt da eigentlich das Finanzamt dazu?

Mai

Das Gender-Thema ist auf Twitter in diesem Monat sehr präsent und es zeigt sich eigentlich mit jedem einzelnen Tweet dazu, dass eine Mehrheit der Österreicher und Deutschen überhaupt keine Lust auf das Binnen-I und Genter-Sternchen hat. Trotzdem will eine laute Minderheit eine neue Sprache etablieren. Die Debatte ist längst zu einem Kulturkampf ausgeartet. Die Forderungen werden immer absurder, was den Widerstand erhärten lässt. Auf Twitter ist die gendergerechte Schreibweise zudem zu einem Code geworden, mit dem man Gleichgesinnten signalisieren kann, dass man ebenfalls zu „den Guten“ zählt.

Juni

Tatsächlich beschäftigte sich das deutsche Polit-Twitter in diesem Monat unter anderem intensiv mit der Frage, ob es in Ordnung ist, stolz auf die deutschen Nationalfarben zu sein. Hintergrund war eine Kritik von Linksaußen an einem Polizeigewerkschafter, weil er drei Herzen in schwarz-rot-gold getwittert hatte. Das wiederum mobilisierte aber enorm im Lager der Vernünftigen, sodass das Twitter-Fazit lautete: Ja, es ist in Ordnung, insbesondere bei Menschen, die für den Staat arbeiten. 

Juli

Der Sommermonat war unter anderem geprägt von den Baby-News aus dem Hause Kurz. Die Nachricht stieß auf ein großes öffentliches Interesse und Regierungschefs verschiedener Nachbarländer gratulierten – ich wunderte mich auf Twitter allerdings über das Schweigen aus Deutschland, was wiederum der deutsche EU-Parlamentarier Martin Sonneborn für einen satirischen, aber leider auch geschmacklosen Tweet aufgegriffen hat.

August

Darf man eine Horde wildgewordener Männer, die über eine Frau hergefallen ist, als „Affen“ bezeichnen? Im späten August drehte sich tatsächlich eine intensivere Twitter-Diskussion um diese Frage, weil Aktivisten diese Formulierung im Tweet eines Polizisten als rassistisch bezeichneten. Ironischerweise waren es hauptsächlich linke Frauen, denen es offenbar wichtiger war, wortgewaltig die Männerhorde zu verteidigen als ihr weibliches Opfer. 

September

Halb Polit-Twitter postete vor der deutschen Bundestagswahl Screenshots ihrer Wahl-O-Mat-Ergebnisse und eine linke Spiegel-Kolumnistin brüstete sich öffentlich damit, dass sie 100 Prozent politische Übereinstimmung mit der radikalen Linkspartei habe. Nur wenig später musste diese Partei mit deutlichen Verlusten um ihren Wiedereinzug in den Bundestag zittern, was auch zeigt, dass Twitter-Mehrheiten nicht unbedingt demokratische Mehrheiten sind.

Oktober

Erneut meldeten sich Prominente in einer Kampagne zu Wort, um unter anderem die Corona-Maßnahmen zu kritisieren. Das löste sofort wieder „Schwurbler-Refelexe“ auf Twitter aus. Sprich: Jeder, der bei so einer Kampagne mitmacht oder sie öffentlich befürwortet, soll de facto sein Recht auf freie Meinungsäußerung verlieren, weil er als „Schwurbler“ ohnehin nicht ernst zu nehmen sei. „Wieso können wir kritische Wortmeldungen zur Corona-Politik nicht einfach als wertvolle Debatten-Beiträge einstufen anstatt alles immer in einer Art Automatismus sofort zu dequalifizieren? Was ist los mit diesem Land? #allesaufdentisch“, wollte ich auf Twitter wissen. Das führte wiederum zu Diskussionen und der lehrreichen Erkenntnis, dass es zunehmend schwieriger wird, zu dem Thema überhaupt zu twittern.

November

Welchen Stellenwert nimmt eigentlich die Wirtschaft in unserer Gesellschaft ein? Eine Frage, die im November eifrig auf Twitter diskutiert wurde. Der Hintergrund waren Forderungen von primär linker Seite, die Lockdowns noch härter und noch länger zu gestalten. Immer wieder wurden Lockdown-Kritiker auf Twitter mit dem Argument konfrontiert, dass die Wirtschaft ja schließlich nicht so wichtig sei wie ein Menschenleben – dass aber Menschenleben auch vom wirtschaftlichen Wohlstand einer Gesellschaft abhängen, scheint noch nicht bei allen in den Köpfen angekommen zu sein.

Dezember

Endlich. Friedrich Merz wird neuer CDU-Vorsitzender. Und die Stadt Wien lässt sich nicht länger von Öko-Aktivisten auf der Nase herum tanzen. Immerhin ein versöhnlicher Jahresabschluss – zumindest für Teile der Polit-Twitterblase. 

Anna Dobler ist eine mehrfach ausgezeichnete, ausgebildete und studierte Journalistin und Kolumnistin. Nach beruflichen Stationen in Berlin, München, Italien und Salzburg lebt und arbeitet sie mittlerweile in Wien. Auf Twitter setzt sich @Doblerin ein für freie Märkte und freie Meinung.