Hoher Flug, tiefer Fall: Auf überragende Beliebtheitswerte gelangte Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) kurz nach Beginn der Corona-Pandemie. Sein bedächtiges Auftreten, der verbindliche Tonfall, die Vertrauen einflößende Rhetorik – all das machte ihn in einer schweren Stunde zu Österreichs beliebtestem Minister. Sogar die Neue Zürcher Zeitung widmete dem österreichischen Gesundheitsminister ein Porträt und bedachte ihn mit Lob für sein konsensuales Auftreten. Doch dann kam der Sommer und bald ging es nur mehr bergab.

Entscheidungsschwächen lähmen das Corona-Management

Corona-Ampel: Mit ihrer geplanten und permanent verschobenen Einführung wird Anschobers Führungsschwäche sichtbar. Das österreichweite Ampelsystems sollte eigentlich im Sommer starten. Als es im September endlich so weit ist, sind nichts als Streitigkeiten mit den Bundesländern und nicht nachvollziehbare Entscheidungen über Rot-, Gelb- und Grünschaltung die Folge. Bald kennt sich keiner mehr aus.

Verspäteter Lockdown: Dass Anschober im Herbst weiterhin Entwarnung signalisiert und zur Ruhe mahnt, wird fatal: Ende Oktober, zu einem Zeitpunkt, als der Hut bereits brennt, erklärt der Gesundheitsminister: Von einer Situation, die einen zweiten Lockdown nötig mache, sei man “weit entfernt”. Autsch! Diese Fehleinschätzung kommt Österreich teuer zu stehen und kostet die Politik viel Vertrauen. Dass der damalige Lockdown zu spät erfolgt ist, sagt übrigens auch Anschobers Nachfolger.

Impfstoff-Bestellung: Die entscheidende Phase des Impfens entpuppt sich als EU-weites Desaster, doch auch hier hat Anschober kein glückliches Händchen: Er setzt auf AstraZeneca, jenen Impfstoff, bei dem es laufend Verzögerungen gibt und der wegen Nebenwirkungen bald auf am meisten Misstrauen stößt.

Weihnachtsruhe: In den Weihnachtstagen pausieren die Beamten im Gesundheitsministerium: Es wird nicht geimpft. Allerdings musste Anschober bereits wissen: Das Virus pausiert nicht. Jede Verzögerung ist fatal.

Clemens Martin Auer: Ebensowenig ergreift Rudolf Anschober die Initiative, als Österreichs Vertreter im EU-Impfgremium, Clemens Martin Auer, wegen intransparenten Beschaffungsvorgängen von Impfstoffen in Kritik gerät. Viel zu spät beruft ihn Anschober aus dem EU-Impfgremium ab. Er reagiert nur mehr auf Druck von außen.

Der anhaltende Eindruck von Überforderung

Anschobers Problem: Am Ende traut ihm niemand mehr Initiative zu. Der stets auf Konsens bedachte Minister zögert Entscheidungen zu lange hinaus. Dass das Gesundheitsministerium auch nach einem Jahr nicht in der Lage ist, Zahlen über Corona-Fälle und Betten-Auslastung entsprechend aufzubereiten und zu präsentieren, frustriert Journalisten und Statistiker:

Auch in den Bundesländern wird immer deutlicher Kritik geübt. Bei Verkündigung des Lockdowns in der Ostregion erklärt eine verärgerte Johanna Mikl-Leitner, Landeshauptfrau von Niederösterreich: “Es ist zur Kenntnis zu nehmen, dass es dem Gesundheitsministerium bis heute nicht gelingt eine nachvollziehbare Vorgehensweise für alle Bundesländer zu entwickeln, trotz ähnlicher Belastungen der Gesundheitsversorgung”:

Einen klaren Kriterienkatalog – wann macht die Regierung was und warum – gibt es bis zum Schluss nicht. Die Vielfalt an Regulierungen ist oft nur mehr verwirrend. Die Tafeln, mit denen Anschober seit Pandemiebeginn die Bürger über den jüngsten Stand der Corona-Entwicklung informiert, wirken zunehmend unpassend, weil niemand mehr versteht, was aus ihnen folgt.

Die sich häufenden Krankenstände Anschobers, gerade in schwierigen Momenten, verstärken den Eindruck der Überforderung. Dass sich sämtliche Verordnungen am Ende als Pfusch entpuppen, verärgert viele, aber vermutlich hätten es die Österreicher Anschober nachgesehen, wenn er als souveräner Krisenmanager aufgetreten wäre, der Entscheidungen fällt und erklären kann.

das sagen die Österreicher zu Anschobers Rücktritt