Öffentliche Meinung und veröffentlichte Meinung prallten in Deutschland im vergangenen Monat besonders weit auseinander: Einerseits stellte die Regierungsspitze die Bauernproteste ins rechte Eck, andererseits erhielten die Landwirte ungewöhnlich viel Zustimmung durch die Bürger. Hart ins Gericht mit der Ampelregierung und den deutschen Medien geht nun der ehemalige Chefredakteur („Heilbronner Stimme“) und Publizist Wolfgang Bok (67).

Für die große Sympathie mit den Bauern, trotz Verkehrsblockaden, gebe es einen einfachen Grund: Der Protest richtet sich gegen die „selbsternannte Klimaschutzpartei“ – die Grünen –, und über die sind zahlreiche Berufsgruppen verärgert.

Die Menschen solidarisierten sich mit dem Protest der Bauern, weil er sich gegen die Grünen richtet, sagt Bok.APA/dpa/Felix Müschen

„So viel Sympathie für den Agrarstand ist ungewöhnlich“

Bok schreibt in einem Beitrag für das Austrian Institute: „Während die deutsche Ampel-Regierung und ihr zugeneigte Medien keine Gelegenheit auslassen, die aktuellen Bauernproteste in braunes Fahrwasser zu drücken und ihnen die demokratische Legitimation absprechen, erfahren die Landwirte auf ihren Traktoren viel Zustimmung.“ In den Umfragen stehen zwischen 70 und 92 Prozent der Deutschen hinter den Landwirten, obwohl zahlreiche Autofahrer Leidtragende der Blockaden sind. So viel Sympathie für den Agrarstand ist ungewöhnlich.“

Zwar müssen sich die meisten Deutschen nicht um 400 Schafe kümmern, aber auch sie finden: Kümmert Euch lieber um unseren Wohlstand, als um die Rettung der Welt.APA/dpa/Stefan Sauer

Der Grund: Es gehe überhaupt nicht primär um Subventionen für die Bauern, sondern um etwas anders. Wolfgang Bok: „Endlich regt sich Widerstand gegen eine Minderheitenpartei, die mit ihren aktuell rund 15 Prozent den Anspruch erhebt, als habe sie 85 Prozent der Bevölkerung im Rücken, um dem Land eine umfassende Transformation aufzuzwingen. So sind die Trecker-Korsos auch ein Aufstand gegen grüne Überheblichkeit und autoritäre Bevormundung aus dem woken Öko-Lager.“

Der Verdruss wächst: Alles wird teurer, komplizierter, unzuverlässiger

Hier komme vieles zusammen: „Von der gendergerechten Sprachverhunzung bis zum Heizungsbevormundungsgesetz mit Weltenretterpathos. Da klatscht die Mehrheit gerne Beifall zu Slogans wie diesem, ohne selbst in Aktion treten und Farbe bekennen zu müssen: ‚Wir haben Euch satt!‘“

Zahlreiche Traktoren blockierten die Straßen. Autofahrer und andere Verkehrsteilnehmer zeigten dennoch Sympathie mit dem Protest.APA/dpa/Monika Skolimowska

Überall gebe es „ein hohes Maß an Verdruss an dieser Regierung, die alles teurer, komplizierter und unzuverlässiger zu machen scheint. Nie war die Unzufriedenheit mit einer Regierung höher (über 70 Prozent) und fiel das Ansehen eines aktiven Kanzlers (unter 20 Prozent) tiefer.“

Grüne vergessen ihre eigenen Anfänge – die Menschen aber nicht

Plötzlich sehen Grüne und Sozialdemokraten die Demokratie in Gefahr, wenn Bauern nach Absprache mit der Polizei ein paar Zufahrten zu Autobahnen versperren. Doch das halten für besonders heuchlerisch: „Man erinnert sich plötzlich, dass die Grünen mit Blockaden groß geworden sind. Gegen den NATO-Doppelbeschluss, gegen die Volkszählung, gegen Gentechnik, gegen Atomkraftwerke, gegen Flughäfen und Straßen, oder gegen den Kohleabbau, für den man heute wieder dankbar ist. Es waren die Grünen, die ‚Gewalt gegen Sachen‘ legitimiert und das Demonstrationsrecht überdehnt haben.“