Wenn man von Hamburg zurück nach Wien kommt, muss man sich auf einen anderen Umgangsstil einstellen. Sind in Hamburg viele fast übertrieben freundlich, so schlägt einem in Wien häufig die üble Laune von Menschen entgegen, die man offenbar dazu zwingt, mehr zu unterdrücken als sie verdrängen können. So hat Erich Fromm den Entstehungsgrund der Neurose beschrieben, die der Hintergrund der kollektiven Unfreundlichkeit der Wiener sein dürfte. Wird man in Wien mit den Worten „Kann ich Ihnen helfen?“ angesprochen, dann ist das nicht wie in Hamburg ein freundliches Hilfsangebot, sondern ein deutlicher Hinweis darauf, dass man sich verdächtig gemacht hat. Das ist mir letztens in einer Buchhandlung am Bahnhof Wien Mitte passiert. Offenbar hatte eine der Ordnungskräfte des Ladens den Eindruck, ich hätte die Absicht, ein paar Zeitschriften zu klauen. Das hatte ich natürlich nicht vor, aber hätte ich es gewollt, wäre es mir schwergefallen, etwas anderes als linke Medien einzustecken. Deshalb nämlich, weil man eine gründliche Säuberung des Sortiments vorgenommen und damit den politischen Pluralismus erledigt hat. „Rechte“ Zeitschriften wie die „Junge Freiheit“, „Tumult“ oder „Cicero“ bekommt man dort längst nicht mehr. Hingegen findet sich von linker Seite alles, was der durchschnittliche linke Radikale braucht, von der antideutschen Monatsschrift „Konkret“ angefangen über die stramm linke „Jungle World“ bis hin zum Stamokap-Blatt „Junge Welt“. Der neue SPÖ-Vorsitzende Andreas Babler könnte sich dort mit Lesestoff gut eindecken. Für Herbert Kickl hingegen ist das Angebot dünn.

Ein Leitartikel: Babler ist gut, sofern nicht zu extrem, Kickl auf jeden Fall schlecht

Als Konsumopfer hat man gelernt, wenn man nichts Passendes findet, einfach irgendetwas zu kaufen. Also habe ich das in vieler Hinsicht immer dünner werdende Wochenmagazin genommen, das manche den österreichischen „Spiegel“ nennen. Es beginnt mit einem „Leitartikel“. Der hat wohl eine ähnliche Funktion, wie die Verlautbarungen des Politbüros der DDR im alten „Neuen Deutschland“. Er gibt die politische Linie der Woche vor. Diesmal werden die Begriffe „Links“, „Rechts“ und „Mitte“ erläutert. Erfahrene Beobachter der veröffentlichten Meinung wissen, dass die drei ehemaligen Parade-Begriffe des politischen Diskurses längst zu sogenannten leeren Signifikanten verkommen sind. Das heißt, sie sind zu hohlen Zeichen mutiert, in die jeder hineinprojizieren kann, was immer er will. Leere Signifikanten haben keinen analytischen Wert, sie bringen in der Regel nur zum Ausdruck, was gerade moralisch erwünscht und was unerwünscht ist. Und genau so sind die Leitgedanken zum mainstreamtauglichen politischen Denken auch angelegt. Links ist gut, rechts ist schlecht und die Mitte diffus. Daraus folgt dann, Babler ist gut, vorausgesetzt er übertreibt seinen Extremismus nicht zu sehr, Kickl ist in jedem Fall schlecht und die Mitte ist langweilig. Zudem lernt man, dass die Linken immer ehrlich das sagen, was sie meinen und die Rechten grundsätzlich lügen, um die Bevölkerung diabolisch zu manipulieren. Das heißt, wenn sie sich sozial empfindsam geben, dann tun sie nur so, als wären sie sozial. Und wenn sie sich dazu erfrechen, Andreas Babler als das zu bezeichnen, was er selbst behauptet zu sein, dann „framen“ sie den Mann bösartig zum Marxisten.

Peinliche Einträge über Bablers Vergangenheit verschwinden auf Wikipedia

Generell sind die Medien gerade dabei, Andreas Babler klammheimlich von den Makeln seiner linksradikalen Vergangenheit zu reinigen. Auf Wikipedia verschwinden geheimnisvoll peinliche Einträge, wie jenen, in dem er dafür gerühmt wird, gemeinsam mit Tibor Zenker, den Vorsitzenden der marxistisch-leninistischen „Partei der Arbeit“, die sich früher „Komintern“ nannte, die Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus, die leninistische Weltlehre, an die Bedingungen der Gegenwart angepasst zu haben. So viel zum Thema Wahrhaftigkeit in der medialen Postmoderne.

Es ist faszinierend, wie das Erscheinen des Austromarxisten Andreas Babler auf der politischen Bühne des Landes, das verstaubte politische Vokabular der 1990er Jahre in den Medien wieder zum Aufleben gebracht hat. Jeder halbwegs vernünftige Mensch weiß heute, dass links und rechts keine zeitgemäßen politischen Kategorien mehr sind. Aus der jüngeren Geschichte haben wir gelernt, dass das relevante Gegensatzpaar unserer Tage „demokratisch“ und „totalitär“ ist. Es gibt linke und rechte Demokraten. Beide bewegen sich innerhalb des Verfassungsbogens und sind nicht gefährlich für das liberal-demokratische System. Problematisch ist alleine der Totalitarismus. Er kann in linker und rechter Form ausgeprägt sein und hat zum Ziel, die Demokratie durch eine Diktatur zu ersetzen.

Ausgerechnet linksextreme US-Abgeordnete ist heute Bablers Vorbild

Ob Babler tatsächlich frei von totalitären ideologischen Rückständen aus seiner linksradikalen Jugendzeit ist, darüber sind Zweifel legitim. So nennt er als sein Vorbild die amerikanische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez vom extrem linken Flügel der Demokratischen Partei, die sich nicht davor scheut, gemeinsam mit führenden Organisationen der antisemitischen Israel-Boykottbewegung BDS die Kürzung der amerikanischen Hilfsgelder für Israel zu fordern. Eine dieser Organisationen ist „Defense for Children International – Palestine“. Sie ist eng verbunden mit der „Volksfront zur Befreiung Palästinas“, die von der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft wird. Wenn Andreas Babler solche Vorbilder nennt, muss er sich schon die Frage gefallen lassen, wie er es mit Israel und den Palästinensern hält. Wird eventuell die neue außenpolitische Linie der SPÖ unter Babler antiisraelisch sein? Und kann es sich Österreich leisten, eventuell einen von Grünen und Kommunisten unterstützten austromarxistischen Bundeskanzler zu haben, der palästinensischen Terrororganisationen näher steht als dem Staat Israel, der einzigen Demokratie im Nahen Osten?

Die „Progressiven“ von heute wollen permissive Migrationspolitik – das Volk will das nicht

Das wichtigste Identitätsmerkmal der „Progressiven“ ist ja heute, neben der alten linken Israelfeindlichkeit, die permissive Migrations- und Flüchtlingspolitik. Diese hat uns in den letzten Jahren nicht wertvolle Arbeitskräfte gebracht, sondern in erster Linie explodierende Sozialbudgets und eine Zunahme von Gewaltdelikten, insbesondere von Messerattentaten und Vergewaltigungen. Unter den Gewalttätern sind viele Migranten aus Afghanistan und Syrien. In Deutschland wurden gerade Zahlen veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass fast jede zweite Gruppenvergewaltigung auf Zuwanderer aus Afrika zurückgeht. Darüber, wie viele eingebürgerte Migranten aus arabischen Ländern unter den Tätern sind, schweigt die Statistik. Auch die „Progressiven“ schweigen zu dieser sicherheitspolitischen Katastrophe. Und damit auch Babler. Wenn er gezwungenermaßen doch etwas dazu sagen muss, dann begnügt er sich mit dem Hinweis darauf, dass die Zuwanderung 2023 abgenommen hat. Das ist ähnlich verrückt wie jetzt gerade abgefeiert wird, dass die Inflation im Mai nur mehr 8,8 Prozent betragen hat. Das eine wie das andere hilft den abstiegsbedrohten und verunsicherten Mittelschichten überhaupt nicht. Es ist haarsträubend, wie viele Akteure der Politik die Realität verleugnen oder sie beschönigen. Auch Babler ist da nicht anders als die meisten seiner Vorgänger. Wenn er sich nicht klar gegen die Flutung des Landes mit Scheinflüchtlingen und bildungsfernen Migranten stellt, Ideen zur Kriminalitätsbekämpfung vorlegt und außenpolitisch Israel gegen den arabischen Terror unterstützt, wird er keinen Erfolg haben und bald wieder in Traiskirchen im Rathaus sitzen. Denn das Volk ist konservativ, will Stabilität und keine naiven linken Retro-Träumereien.