Durchsetzungsstarke und selbstbewusste Personen, die, egal was die Hüter der Moral in den Medien meinen, ihre eigenen Entscheidungen treffen und einen selbstgewählten Weg gehen, findet man immer seltener.

Alle Parteien sitzen in der Durchschnittsfalle. Der Grund dafür ist die vorherrschende politische Kultur des „Aufstiegs durch Anpassung“. Es gewinnt immer der begabteste Schauspieler, der am besten aus den Textbüchern vorträgt, die der Common Sense schreibt. Ernst Jünger hat einmal von der „Zoologisierung“ der Kultur gesprochen, was so viel heißt, dass die Menschen sich immer mehr wie Tiere verhalten, die sich in Rudeln zusammendrängen und immer weniger wie autonome Individuen handeln. Mimikry-Begabung ist wie in der Natur in der Politik überlebenswichtig. Die Fähigkeit der Anpassung, dient der Vortäuschung von modischen Überzeugungen und damit dem Erhalt einer unverdienten Position. In Situationen, die Rückgrat und Stärke verlangen würden, zieht der österreichische Durchschnittspolitiker heute so schnell und perfekt den Kopf ein, dass man glauben könnte, sein Körper habe niemals einen solchen getragen.

Heute wird offensive Interessenvertretung durch jämmerliche Opferideologie ersetzt

Der Opportunismus regiert überall, besonders in der SPÖ. Dort gibt es keine Diktatur des Proletariats mehr. An ihre Stelle ist die Diktatur der akademischen Durchschnittlichkeit getreten, zu der sich die langweilige Vorhersehbarkeit allen Tuns hinzugefügt hat. Seit Jahren werden immerfort nur Meinungen und Programme präsentiert, die jeder Innovation entbehren und mit denen zu rechnen war.

Hat man früher zumindest noch den Schein aufrechtzuerhalten vermocht, sich mit den Anliegen der Armen und Benachteiligten zu beschäftigen, so geht es in der Ideenwelt der Sozialdemokratie heute bunt zu. Es dominieren Gendertalk, LGBTQ-Rhetorik, Drag-Queen-Kultur, Vulva-Partys, spitzfindige Debatten über kulturelle Aneignung, das Geschwurbel über feministische Außenpolitik und ähnliches. Für Unter- und Mittelschichten tut man nichts, man überlässt sie gottergebenen Almosen-Organisationen wie Volkshilfe, Caritas und Diakonie. Anstelle des Ideals einer „sozialen Demokratie“, die heute als überkommen und Retro desavouiert wird, ist eine in Lachsrosa  gehaltene snobistische Progressivität getreten, die offensive Interessensvertretung durch eine jämmerliche Opferideologie ersetzt hat. Die selbstbewusste Leidenschaft zur Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse, ist einem weinerlich-schwächlichen Opferkult gewichen. In der politischen Praxis bedeutet das, dass man entweder eine Leidensgruppe aufs Schild hebt und wie in einer kirchlichen Prozession durch die Medien trägt oder man erklärt sich gleich selbst zum Opfer, wie unlängst Pamela Rendi-Wagner. Die Opferkarte kann man heute immer zücken, wenn man zum Beispiel eine Dragqueen oder Transperson ist oder einer ethnischen Minderheit, die glaubt unterprivilegiert zu sein, angehört. Die linken Parteien, egal ob grün, liberal, sozialdemokratisch oder kommunistisch, sind heute primär Vertretungsorgane sich verfolgt glaubender zeitgeistiger Minderheiten. Der Mittelschicht und der ehemaligen Arbeiterklasse haben sie die Unterstützung aufgekündigt. Als kleiner Angestellter oder Arbeiter wird man bei den Linken schon an der Eingangstür symbolisch abgewiesen, geht man zur FPÖ, wird man mit einer Umarmung begrüßt und kann sich gleich verstanden und wertgeschätzt fühlen.

Die stärkste Triebkraft der Abwendung von den normalen und kleinen Leuten in der Linken sind die Aufsteiger, frei nach dem Motto, die größten Verächter der Elche, waren früher selber welche. Den meisten Aufsteigern aus den düsteren Gewölben der sozialen Unterwelt, ist ihre Herkunft unangenehm. Und sie verachten die Stillosigkeit ihres Herkunftsmilieus. Deswegen vermeiden sie den Kontakt zu diesem und umgeben sich lieber mit attraktiven Opernsängerinnen, Philosophieprofessoren, gehobenen Winzern und linksliberalen Burgschauspielern. Mit ihnen gemeinsam amüsiert man sich bei einem Gläschen Taittinger Brut Réserve  dann vorzüglich über die einfältigen Proleten, die sich zur Musik von Rammstein, den Böhsen Onkelz und Andreas Gabalier hingezogen fühlen. Was sie nicht bemerken ist, dass die autochthone Hautevolee sie an ihren Stilunsicherheiten als nicht echt erkennt und genauso verachtet, wie sie die Menschen ihrer proletarischen Vergangenheit.

Nach Verlust des Realitätssinns verbreitet die SPÖ das Verschwörungsnarrativ der lange geplanten ÖVP-FPÖ-Zusammenarbeit

Die linke Durchschnittlichkeit ergeht sich gerne in der Übertreibung der Gefahren, die von ihren politischen Gegnern ausgehen, das heißt man stilisiert alles was rechts der Mitte steht zu politischen Dämonen. Will ein rechtskonservativer Politiker die heimische Wirthauskultur fördern, weil im vielleicht das überlieferte gastronomische Kulturgut wichtig ist, dann ist das ein Skandal und gemahnt an den Faschismus. Kaum vergeht ein Monat, in dem nicht ein linker Schwurbler Herbert Kickl mit Hitler gleichsetzt oder zumindest in seine Nähe rückt. Ein anonym auf Twitter herumgeisternder Manager aus der Telekombranche findet es angemessen, Karl Nehammer als „rechtsextrem“ zu bezeichnen. Und der linke Charlie Kappel der roten Hilfe Österreichs charakterisiert Funktionäre und Wähler der FPÖ als ständig den Hitlergruß zeigende und völkisches Liedgut singende nationalsozialistische SA-Sturmscharen. Und wenn es zu einer konservativen Allianz zwischen ÖVP und FPÖ, wie jetzt in Niederösterreich kommt, dann brüllen die Anführer linker NGOs mit Schaum vor dem Mund „Nieder mit der FPÖ“. Vielleicht haben sie vergessen, dass es die SPÖ und Bruno Kreisky waren, die das „Dritte Lager“ in Österreich gesellschaftsfähig gemacht haben, übrigens aus keinem moralischen Grund, sondern aus rein machttaktischem Kalkül.

An die Stelle der alten linken Kämpfer sind kraft- und saftlose Anpassungskünstler und minderbegabte Rollenspieler getreten. Vor allem in der SPÖ feiert dieses personelle Dekadenzsymptom gegenwärtig fröhliche Urstände. So hat die Partei anstelle des kräftigen Schlachtrosses Andreas Babler nun den fragilen Lipizzaner Sven Hergovich aus dem Hut gezaubert. Er gab der niederösterreichischen ÖVP zu verstehen, dass er ihr lieber seine abgeschnittenen Hände überreichen würde als einen inhaltlichen Kompromiss einzugehen. Die ÖVP hat dankend abgelehnt und nun gibt es eine ÖVP-FPÖ-Koalition.

Nach diesem kapitalen Versagen in Sachen Verhandlungstaktik und dem vollkommenen Verlust des Realitätssinns, wirft sich die SPÖ und mit ihr die gesamte Linke nun in die Opferpose und verbreitet das Verschwörungsnarrativ einer schon lange geplanten ÖVP-FPÖ-Zusammenarbeit, die nun auch im Bund kommen wird. Diese Schreckensvision der Linken wird tatsächlich eintreten, wenn in der SPÖ nicht Hans-Peter Doskozil an die Spitze tritt. Denn mit einer satten bürgerlichen Mehrheit und der SPÖ abgeschlagen auf Platz drei, werden sich FPÖ und ÖVP nicht lange bitten lassen und eine Regierungskoalition bilden, die das repräsentiert, was in der Gesellschaft schon lange existiert, eine rechte Majorität.