Die Menschen erwarteten die Fortsetzung einer Komödie, geliefert wurde aber eine Tragödie. Die Pleiten- und Pannen-Show der letzten Monate gipfelte am Ende in einer Auszählungskatastrophe, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte. Man wurde ja schon etwas stutzig, als die Wahlkommission, an deren Spitze die Lercher-Freundin Michaela Grubesa getreten war, nachdem der verdiente und erfahrene Funktionär Harry Kopietz von Doskozils Spießgesellen aus dem Amt gemobbt wurde, schon tagelang gebraucht hat, um die Ergebnisse der Mitgliederbefragung der Öffentlichkeit vorzustellen. Intern wurde gemunkelt, dies sei nur deshalb der Fall gewesen, weil die Kommissionsmitglieder einen Fenstertag für ein verlängertes Urlaubswochenende nutzen wollten. Das war wohl schon der erste Hinweis darauf, dass sich die Funktionäre der Wahlkommission nicht des Ernstes der Lage bewusst waren. Sie gingen mit der für die SPÖ existentiellen Wahl weniger sorgsam um als die Mitglieder einer Kleingartensiedlung mit ihrer jährlichen Hauptversammlung. Aber der Höhepunkt sollte noch kommen, die selbstzerstörerischen Kräfte der roten Funktionäreschaft waren noch nicht erschöpft.

Der finale Parteitag, auf dem der Showdown zwischen Babler und Doskozil stattfand, war als Ganzes ein gespenstisches Schauspiel. In einer „ästhetischen Zeit“, in der Bilder mehr bedeuten als Worte, begnügte man sich mit einer äußerst nüchternen Bühnengestaltung. Das karge Ambiente war wohl der Ambitionslosigkeit des bereits vor der Wahl frustriert zurückgetretenen Bundesgeschäftsführers geschuldet. Inmitten der ästhetischen Tristesse stand zuerst Hans Peter Doskozil starr und mit äußerst sparsamer Gestik vor den Delegierten und flüsterte seine fantasielosen und ideenarmen Vorhaben ins Mikrofon. Mit seinem linkspopulistischen Burgenlandprogramm, das ihm immerhin in der Provinz die absolute Mehrheit einbrachte, wollte er ganz Österreich in eine „Volksdemokratie Burgenland“ verwandeln. Sein Programm hatte einen gravierenden Nachteil, den übrigens alle Zukunftsentwürfe haben, die aus der Feder staubtrockener Juristen stammen, sie bieten nur materielle Anreize und vernachlässigen den Menschen als emotionales und sinnbedürftiges Wesen. Natürlich kann man versuchen, in Jörg Haiders Fußstapfen zu treten und Geldgeschenke an die Menschen verteilen, was im Übrigen auch Erdogan getan hat, so wie es alle Populisten tun. Aber Einmalzahlungen im Gießkannenstil, wie sie auch vom Wiener Bürgermeister und der Bundesregierung immer wieder zum Stimmenfang genutzt werden, sind nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein und erreichen die Herzen der Menschen nicht. Kommt ein anderer und bietet mehr, dann wendet sich die gekaufte bindungslose Wählerschaft wieder ab und dem neuen Höchstbieter zu.

Babler setzte eindrucksvollen rhetorischen Kontrapunkt

Andreas Babler setzte einen eindrucksvollen rhetorischen Kontrapunkt zum routiniert vortragenden, aber leblosen Doskozil. Er erzählte seine persönliche Geschichte, die Geschichte eines Arbeiterkindes, dessen Vater und Großvater bei Semperit am Fließband arbeiteten. Und er machte darauf aufmerksam, dass Politik und Medien die Probleme der

einfachen Menschen ignorieren, was deutsche Studien zeigen. Die Anliegen der Oberschichten werden zu 80 % von den Parlamenten berücksichtigt, die der sozialen Underdogs nur zu 20 %. Handelsangestellte, das moderne Dienstleistungsproletariat oder die Lehrlinge im Gewerbe, das sind wirklich die Gruppen, die „gesilenced“ und ignoriert werden und nicht die Opfergemeinschaften aus dem akademischen Milieu, die die Regenbogenfahne an ihren Balkon hängen. Und was Babler noch gemacht hat, er hat sich nicht nur darauf beschränkt, populäre Themen wie Arbeitszeitverkürzung oder Lohnerhöhung zu referieren, die die Menschen naturgemäß begeistern, sondern er hat sich auch der unangenehmen Einnahmenseite zugewandt. Er hat über Umverteilung zur Finanzierung seiner Vorschläge gesprochen, von der bei Doskozil niemals die Rede war. Wohin es führt, wenn man den Staat als Füllhorn ohne Grund und Boden auffasst, das hat man in Kärnten nach Jörg Haider gesehen und das werden auch noch Doskozils Erben im Burgenland zu spüren bekommen. Babler hat den Mut gezeigt, für Dinge zu werben, für die es noch keine Mehrheiten im Volk gibt und die unangenehm sind, zum Beispiel die Vermögensbesteuerung. Und genau eine solche Haltung kennzeichnet einen Politiker, der nicht populistisch ist. Babler ist ein antipopulistisches Politikangebot, mit Ecken, Kanten und auch Schwächen, das authentisch und ehrlich wirkt und deshalb die Menschen erreicht.

Erbärmliche Minderleistung wird SPÖ noch jahrelang nachhängen

Bei Bablers Rede saßen die Betonsozialisten aus Oberösterreich, Salzburg, Niederösterreich und der Steiermark dumpf brütend in den ersten Reihen. Die Etablierten schafften es kaum, die Hände zum Applaus in die Höhe zu bekommen. Manche verließen sogar demonstrativ den Saal. Aber hinten, auf den billigen Plätzen, dort tobte die pure Lebensfreude, die Emotion, die Hoffnung. Nach Bablers Rede war jedem empathischen Menschen klar, dass der Sieger nur er sein konnte. Es kam aber anders und der hölzerne und bürokratische Doskozil wurde aufs Podest gehoben. Ich habe in diesem Augenblick die SPÖ aufgegeben. Eine Partei, die das Angebot Bablers nicht annimmt, opfert ihre Zukunft auf dem Altar der Wiederholung des Immergleichen.

Heute ist wieder alles anders. Die Wahlkommission war nicht in der Lage 600 Stimmen richtig auszuzählen. Eine erbärmliche Minderleistung, die der SPÖ noch jahrelang nachhängen wird. Damit hat die Partei ihr Ticket für mindestens 10 Jahre Daueropposition gelöst. Babler steht mit einem Trümmerhaufen dar, den Doskozils Destruktionspolitik gegen Rendi-Wagner verursacht hat. Ein durch die Luft fliegendes Trümmerteil hat ihn selbst getroffen und seine politische Karriere zerschlagen. Der Mann wird auch im Burgenland nicht mehr länger als vielleicht bis zu den nächsten Wahlen zu halten sein. Und wie wird es mit der SPÖ nach der Katastrophe weitergehen? In den nächsten Wochen wird ein Tsunami durch die Partei gehen. Menschen werden austreten, Bürgermeister und Landesfunktionäre werden sich von der Bundespartei abkoppeln und ein neues, sehr persönliches Angebot an ihre Wähler in Bezirken und Regionen richten. Die ideologischen Bruchlinien innerhalb der Partei werden sich vertiefen, die Strukturen werden weiter erodieren. Und wenn nicht noch ein weiteres Irrsinnsereignis kommt, wird Andreas Babler an die Spitze einer SPÖ treten, die nur mehr ein Schatten ihrer Vergangenheit ist. Gleich einem „failed state“ wird die SPÖ in lokale Fürstentümer zerfallen, die sich eifersüchtig belauern. Und die übervollen Hass-Speicher werden sich immer wieder in kleinen Scharmützeln oder mittelgroßen Flächenkriegen entladen. Der Partei steht ein langsamer qualvoller Sterbeprozess bevor. Die gnadenvolle Stille nach ihrem Ende wird unser aller Erlösung sein.