Der Habitus hat seinen Sitz im Unbewussten. Wir tun automatisch Dinge, die „normal“ sind, weil sie uns vertraut geworden sind. Wir entscheiden nicht jedes Mal „rational“, ob etwas normal ist oder nicht. Normales zu tun, ist uns durch ständiges Wiederholen zur Gewohnheit geworden. Wer also den Begriff „Normalität“ verwendet, will der Gesellschaft keine Norm aufzwingen, wie das die links-grünen Transaktivisten tun, vielmehr weist er nur darauf hin, was zum gegebenen Zeitpunkt die Mehrheit der Menschen denkt und für richtig oder für falsch hält. Normalität ist nicht Normativität. Nur die Normativität gebietet herrisch, was zu sein hat und was nicht, der Normalitätsbegriff hingegen ist deskriptiv. Er beschränkt sich darauf, zu beschreiben, was gerade üblich ist und lässt tolerant die Möglichkeit offen, dass vieles bald ganz anders sein könnte, also spontan und absichtslos ein neues Normal an die Stelle des alten tritt.

Meinungsfreiheit in unserer Gesellschaft eine leere Abstraktion

In einer histrionischen, ständig aufgebrachten Gesellschaft, in der das entrüstete, wutschnaubende und narzisstische Randalieren auf medialen Großbühnen zur zentralen Erfolgsstrategie des postmodernen „Imagebuildings“ geworden ist, sind abwägendes Werten und ergebnisoffene Reflexion dysfunktional geworden. Was zählt, ist das schnelle Urteil und die rasche Liquidation Andersdenkender mit drastischen Worten, die wirken sollen wie geistige Uranmunition und die alles Widerständige auslöschen, bevor es der großen Mehrheit der Menschen zu Gehör kommen könnte. An dieser Stelle ist es wichtig anzumerken, dass die immer wieder beschworene Meinungsfreiheit in unserer Gesellschaft eine leere Abstraktion ist. Schon Marx und Lenin haben darauf hingewiesen, dass die bürgerliche Freiheit ein reiner Formalismus ist. In Wirklichkeit ist die herrschende Meinung immer die Meinung der Herrschenden, also jener gesellschaftlichen Gruppen, die sich eines Massenmediums, wie es der ORF ist, bedienen können, das jährlich mit einem Budget von fast einer Milliarde Euro ausgestattet wird. Die Ironie daran ist, dass dieses Sprachrohr der Herrschenden von den Beherrschten noch durch eine Zwangsgebühr finanziert werden muss. Zahlen Sie nicht, dann ergreift der Staat Zwangsmittel, die bis zur Gefängnisstrafe gehen können.

Der frühere, grausame Diktator Ugandas, Idi Amin, soll einmal gesagt haben, dass in seinem Land jeder seine Meinung offen sagen kann, nur müsse er dann auch bereit dazu sein, die Konsequenzen zu tragen. In der Regel wurden seine Kritiker bei lebendigem Leib den Krokodilen vorgeworfen. Bei uns erfolgt die Mundtotmachung von unliebsamen Kritikern natürlich zivilisierter. Nur in Ausnahmefällen werden sie von der Antifa auf der Straße abgepasst und niedergeprügelt, siehe den Fall der Leipziger Hammerbande unter der Führung der verurteilten Straftäterin Lina Engel. In der Regel wird man heute von einer links-vandalen Hetzmeute in den sozialen Netzwerken beleidigt, verleumdet und niedergemacht und bleibt am Ende für das restliche Leben entehrt zurück. Es geht also nicht mehr um den physischen Tod der Delinquenten. Er wurde zum sozialen Tod „zivilisiert“.

Antifaschismus zu Strafinstrument für Nonkonformisten verkommen

In diesem Zusammenhang ist der Antifaschismus zu erwähnen. Er ist zu einem verzweckten und verdinglichten Strafinstrument für Nonkonformisten verkommen. Die Opfer des Hitlerfaschismus sind ihm völlig gleichgültig. Sie werden nur dann exhumiert und instrumentalisiert, wenn es darum geht, unangenehme Kritiker zu desavouieren. Heute ist man mit dem Nazivorwurf schnell zur Hand. In einer Postille der Antifa zum Beispiel liest man, dass jeder, der nicht anerkennt, dass Männer durch Selbsterklärung zu Frauen werden können, transfeindlich und damit zumindest faschistoid ist. Eindeutiger Faschist hingegen ist, wer den „Normalitätsbegriff“ verwendet. Ist er ein ÖVPler, dann Austrofaschist und damit Befürworter von „Anhaltelagern“, ist er gar FPÖler, dann gleich ein Apologet des Hitlerfaschismus.

Die leichtfertige Verwendung des Faschismusetiketts ist ein großes Elend unserer Zeit. Vor kurzem war in einer österreichischen Tageszeitung tatsächlich zu lesen, dass auch Verfechter der Homöopathie und der Osteopathie dem Lager der Schwurbler, Obskurantisten und Querdenker zuzuordnen wären. Dass nach dem Deutungskodex des Linksjournalismus von dieser Zuschreibung der Weg nicht mehr weit ins rechte Eck ist, wissen wir alle. Wer ist noch aller rechts und steht schon an der Schwelle zum Faschismus? Leute, die für einen schnellen Frieden in der Ukraine eintreten und die dem NATO-Imperialismus genauso ablehnend gegenüberstehen wie dem russischen. Menschen, die gegen die Zwangsgebühren des Staatsfernsehens sind, weil sie den ORF schwächen und so die Demokratie gefährden und vor allem Staatsbürger, die ihren Körper nicht zum Schauplatz medizinischer Experimente machen lassen wollten und gegen die Corona-Impfpflicht protestierten. Alle gleich, alle Staatsfeinde, alle verkappte Nazis. Die Primitivität dieser Argumentation ist nicht nur grotesk, sie ist gleichzeitig auch beängstigend. Was sind das eigentlich für Eliten, die glauben, mit solch einem einfältigen manipulativen Gewäsch die Massen zu überzeugen und auf ihre Seite ziehen zu können? Alleine aufgrund ihrer Unfähigkeit zur vernünftigen Überzeugungsrhetorik erweisen sich diese Leute als ungeeignet dafür, einen Staat zu führen.

Drang, Menschen zu entmachten, wird auch durch Expertokratismus symbolisiert

Der Drang, einfache Menschen zu entmachten, wird auch durch den rezenten Expertokratismus, also der Verpflichtung zur Expertenanbetung, symbolisiert. Dahinter steckt ein einfältiger Wahrheitsbegriff, dem die Wahrheit immer eindeutig ist. Das unbezweifelbar Wahre ist nur den Experten zugänglich. Ihre Aufgabe ist es, diese auszusprechen, unsere ihnen zu folgen. Einen solchen, an die Hypostase des Priestertums der Antike und des Frühmittelalters erinnernden elitären Expertenkult, vertritt die österreichische Journalistin Ingrid Brodnig. Sie ist grundsätzlich der Überzeugung, dass wir in einer Zeit der „Krise der Expertise“ leben und die meisten Menschen an einer „Selbstüberschätzung des eigenen Wissens“ leiden. Die normalen Menschen sind keine „Klima-, Virologie-, Russland- oder Militärfachleute“. Sie nehmen die Wahrheit der Wissenschaft nur aufgrund des „trügerischen Gefühls“, von irgendetwas eine Ahnung zu haben, nicht an.

Ich weiß nicht, was heute an den Universitäten gelehrt wird, aber zu meiner Zeit erfuhr man dort, dass Wissenschaft Streit und Diskurs ist und es keine reine Lehre gibt, weil auch die Wissenschaft von Ideologien, Machtansprüchen und persönlichen Interessen durchsetzt ist. Die heiße Flamme der Eitelkeit brennt auch in vielen Professoren und lässt sie Wahrheiten kundtun, die eher an prophetische Weissagungen erinnern als an empirisch gesättigte Hypothesen. Was heute stattfindet, ist die Verklärung von Forschern zu Göttern, die Überhöhung von Menschen mit begrenztem Wissen und Verstand zu Übermenschen. Darüber hinaus wird eine Ideologie verbreitet, die uns dazu überreden möchte, den kantschen Grundsatz, sich „des eigenen Verstandes ohne Leitung eines anderen“ zu bedienen, aufzugeben und in eine voraufgeklärte, dienende Haltung gegenüber Autoritäten zurückzufallen. Der Psychoanalytiker Arno Gruen nennt das „Pathologie der Anpassung als Folge der Preisgabe des Selbst“. Wer sich an der Autorität orientiert und seinen Verstand dem bequemen Konformismus als Opfer darbringt, nur um dafür öffentliche Anerkennung zu bekommen und zur legitimen Mehrheit zu gehören, verachtet am Ende sein schwächliches und mutloses Selbst und wird zu einem verbitterten Menschen voller Ressentiments. „Das Schreckliche einer solchen Entwicklung liegt darin, dass dann nur noch Zerstörung das Gefühl des eigenen Lebendigseins vermittelt.“ Und genau das erleben wir heute in den sozialen Medien, wo das lustvolle Vernichten des Andersdenkenden zum obersten Prinzip der persönlichen Selbstverwirklichung geworden ist.