Bobos sind eine besondere Spezies, die sich nahezu ausschließlich im Großstadtdschungel verbreitet. Entstanden ist diese Artenbezeichnung aus der Vereinigung der Begriffe „Bourgeios“ und „Bohémian“. Namensgeber war der amerikanische Journalist David Brooks im Jahr 2000, der damit Menschen benannte, die nonkonformistische sowie scheinbar widersprüchliche Ansichten haben und zwischen Reichtum und Rebellion leben. Mit der Zeit haben sich aber die Bobos weiterentwickelt. Mittlerweile sind sie eine sozioökonomisch privilegierte Gruppe, die Diskussionsthemen auf- und Standpunkte einnimmt, die für den Großteil der Bevölkerung lebensfremd sind.

Karl Marx war – ohne es damals zu ahnen – beispielsweise ein guter Bobo. Er fand ideale Rahmenbedingungen für ein erfülltes Boboleben vor. Angenehm durchgefüttert von Friedrich Engels, pflegte er nicht nur einen gediegenen Lebensstil, sondern fand auch Zeit und Muße seine Lebenstheorien zu verfassen. Diese setzten zwar auf damaligen Problemen auf, boten aber nur praxisferne Lösungen. Marx war somit – ohne es zu ahnen – einer der ersten Bobos. Leider ist der Begriff Bobo erst im Jahr 2000 entstanden, sonst hätten wir gute Chancen gehabt, statt dem Marxismus den Boboismus zu erleben. Wobei der Bobo – und hier bin ich anderer Meinung als viele Bobo-Experten – keine Ideologie hat. Der Bobo ist weder links noch liberal. Er hat kein ideologisches Mäntelchen. Er glaubt lediglich an sich und daran, dass seine Meinung einen globalen Problemlösungsmechanismus in Gang setzen würde, sofern irgendjemand seine Genialität erkennen würde.

Der Bobo als Konformitätspolizist

Inzwischen muss sich der Bobo damit begnügen, kleine Brötchen zu backen. Beispielsweise als selbsternannter Konformitätspolizist. Selbsternannt deshalb, weil ihn ja niemand darum gebeten hat. Aufgabe ist jedenfalls, alles subjektiv erwählte Unrecht zu bekämpfen. Völlig beliebig. Das bedeutet, heute kann es um Einkommen gehen, morgen um die Umwelt, aber immer um den Sprachgebrauch.

Der Bobo ist zum Beispiel für eine Reichensteuer, sofern die Bemessungsgrundlage über seinem Eigentum liegt. Er ist auch gegen die vielen Autos in der Stadt, damit er nicht im Stau stehen muss. Das sind für ihn aber nur Kinkerlitzchen. Denn die Sinne des Bobos schärfen sich von selbst, sobald es um die deutsche Sprache geht. Da zeigt sich dann, auf welcher Entwicklungsstufe der Bobo steht.

Wie letztens bei der Debatte um das Wort N****. Das dürfen nur bestimmte Leute diskutieren, aber sicher keine „weißen privilegierten Männer“. Wobei das Wort „privilegiert“ von Bobos gerne dazu verwendet wird, anderen formvollendet mitzuteilen, dass sie vom „wahren Leben“ keine Ahnung haben. Dieser Ausschließungsmechanismus ist ein evolutionär interessanter boboistischer Beitrag für eine nicht funktionierende pluralistische Debattenkultur. Aber es sei dem Bobo verziehen, weil mit der Meinungsfreiheit haben Bobos nur sehr oberflächlich zu tun. Das heißt, die Bobo Meinung darf jederzeit geäußert werden, andere Sichtweisen sind nicht so wichtig. Das ist aber verständlich: Welcher Gedanke eines anderen soll horizonterweiternd wirken, wenn der Bobo ohnehin schon aus intellektueller Sicht am geistigen Mount Everest beheimatet ist? Zudem lauert in der Meinung anderer eine dunkle Gefahr für den Bobo. Ein mögliches Eingeständnis, dass viele Themen doch komplexer sind, als sie anfangs scheinen.

Der Bobo und das Sprechverbot

Deshalb wird der Bobo aggressiv, wenn es um gesellschaftlich bewegende Themen geht, die nicht mit einem geistigen Pinselstrich einfach zu lösen sind. Wie beispielsweise die Frage der Migration und der Integration. Da diese sehr facettenreich ist, will der Bobo verhindern, dass dieses Thema überhaupt irgendwo besprochen wird. Aber der Bobo hat genau dafür in seiner jahrzehntelangen Evolution eine Lösung entwickelt: die Nazikeule. Jeder, der etwaige Probleme in dem Zusammenhang erwähnt, wird damit unbarmherzig niedergeknüppelt. Schnell wird dann jemand als Nazi bezeichnet, durchtränkt mit faschistoidem Gedankengut. Damit schafft der Bobo eine für sich heile Welt. Aber nur scheinbar.

Menschen passen sich nur oberflächlich dieser Sprachdiktatur an. Denn viele haben genug mit ihrem Leben zu tun, weniger Zeit als der Bobo und wollen sich nicht mit den boboistischen Meinungsbrigaden beschäftigen. Aber ihre Antwort kommt spätestens in der Wahlzelle. Dann muss sich der Bobo wieder über das Wahlergebnis ärgern.

Da der Bobo aber nicht in der Lage ist, Selbstreflexion zu betreiben, wird sich dieses Prozedere in regelmäßigen Wahlabständen wiederholen. Das Abhalten demokratischer Wahlen ist somit der größte Hemmschuh des Bobos bei seinem Griff nach der Weltherrschaft.

Die Allensbach-Umfrage hält der Bobo-Kultur den Spiegel vor

Aber immerhin greifen die Bobos durch ihre linguistischen Sprachvorgaben in unsere gefühlte Meinungsfreiheit ein. Die im Juni 2021 vorgestellte Allensbach-Umfrage fand in Deutschland statt. Dennoch sind ihre Ergebnisse auch auf Österreich übertragbar. „Knapp die Hälfte der deutschen Bevölkerung ist überzeugt davon, dass eine freie Meinungsäußerung nicht mehr möglich ist, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen“ schreibt das deutsche Nachrichtenmagazin Focus. 55 Prozent der Menschen finden das Meinungsklima problematisch, fürchten berufliche Konsequenzen, wenn sie ihre Meinung zu politischen Themen vertreten.

Die deutsche Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht war im Mai in einem Gespräch mit STANDARD-Redakteurin Birgit Baumann sehr konkret: „Zuwanderung wird auch oft aus einer speziellen Warte gefordert. Natürlich aus der Wirtschaft, weil sie billige Arbeitskräfte haben möchte, aber auch von wohlhabenden Menschen, die mit Flüchtlingen nie um eine Sozialwohnung konkurrieren müssen und deren Kinder auch keine Schule besuchen, in der die Mehrheit kein Deutsch spricht. Wenn Leute, die selbst nicht betroffen sind, dann andere belehren, dass es keine Probleme gibt, ist das arrogant. Außerdem kann man nicht so tun, als sei die Förderung von Migration eine internationalistische Heldentat. Sie schadet auch den Herkunftsländern, da eher die Bessergebildeten abwandern. Echter Internationalismus bedeutet, den armen Ländern vor Ort zu helfen.“ Anlass dieses Gesprächs war ihr neues Buch mit dem Titel: „Die Selbstgerechten“.

Die Bobos werden damit keine Freude haben.

Er zählt in Österreich zu den besten Kommunikationsexperten. Die Rede ist vom PR-Profi und Politik-Insider Bernhard Krumpel (49). Sein Motto: „Always stay focused“. Klaren Fokus benötigte er unter anderem bei seinen komplexen Jobs für Politiker, Ministerien und Konzerne. Neben seiner Beratungstätigkeit gibt der Wirtschaftssoziologe gerne sein Wissen an Studenten weiter. Er ist Verfasser von Fachartikeln, wie etwa zur Aktionärsrechte-Richtlinie und deren Auswirkung auf die Unternehmenskommunikation, sowie Mitherausgeber von drei Buchbänden mit dem Titel „Spezialgebiete der PR“.