Der deutsche Finanzminister und Sozialdemokrat Olaf Scholz war stolz. Denn Scholz ist einer der Engagiertesten, wenn es um eine, wie er es bezeichnet, „Weltsteuerrevolution“ geht. Hinter diesem großen Begriff steht eine für österreichische Verhältnisse kleine Zahl. So soll die Mindestbesteuerung für Unternehmen 15 Prozent betragen, aktuell beläuft sich die heimische Körperschaftssteuer auf 25 Prozent. Entschieden ist allerdings noch nichts.

Die Chinesen reagieren eher verhalten und kleinere Staaten wie Irland oder Singapur fürchten um ihre steuerlichen Standortvorteile. Selbst die USA bremsen die Euphorie, wenn es um ihre Technologieunternehmen geht. Diese sollen nämlich künftig einen Teil der Gewinne dort versteuern, wo sie anfallen. Die sogenannte Digitalsteuer steht allerdings bei den Franzosen schon seit vielen Jahren ganz oben auf der Agenda. Bereits 2020 führten die Franzosen eine Digitalsteuer ein, die aktuell lediglich ruhend gestellt wurde.

Nicht nur inhaltlich soll in Venedig eine Einigung erarbeitet werden, auch ein fixer Zeitplan soll die Umsetzung garantieren. Ob die Expertengruppe der OECD eine politische Vorlage bis Ende 2021 schafft, ist angesichts der vielen unterschiedlichen Positionen fraglich.

Viele offene Punkte können die Globalsteuer entwerten

Dabei bremsen viele offene Themen die anfängliche Euphorie um die Globalsteuer für Unternehmen. Alle haben es in sich, diese schon vorab gefeierte Weltrevolution zu einer Farce verkommen zu lassen.

Um Gewinne und Steuerquoten berechnen zu können, wird eine einheitliche Bemessungsgrundlage benötigt. Diesbezüglich trennen selbst benachbarte Staaten Welten. Es gibt Länder mit attraktiven Abschreibungsmodellen, Förderungen und Rückstellungsmöglichkeiten. Andere Länder kommen Unternehmen bei der Ansiedlung mit Steuergutschriften entgegen. So hat jeder Staat im Laufe seiner Evolution eigene hochkomplexe und individuell auf die Staatsziele abgestimmte Modelle entwickelt. Jeder, der nur annähernd politische Erfahrung hat, weiß, wie komplex es politisch werden kann, wenn an diesem „Bilanzierungsbaum“ gerüttelt wird.

Leidtragende werden die Unternehmen sein, die gerade in einer Übergangsphase alle möglichen Bilanzen erstellen müssten. Für Konzerne ist das besonders ärgerlich, denn in Zukunft muss wohl für jede Landesgesellschaft eine eigene Bilanz erstellt werden. Betroffen von der 15-prozentigen Unternehmenssteuer wären Konzerne mit einem Jahresumsatz höher 750 Millionen Euro. Ein Riesengeschäft wartet somit auf die Steuerberatungskanzleien, sollte es hier zu einer zwischenstaatlichen Einigung kommen.

Die Globalsteuer führt zu staatlichen Steuertricks

Eines scheint Experten jedenfalls sicher. Die Staaten werden mit Steuertricks versuchen, Unternehmen im Land zu halten. Mit Nachlässen auf Sozialabgaben oder Subventionen werden Unternehmen ins Land gelockt oder dort gehalten. Aktuell geht es zu wie auf einem orientalischen Bazar – mit überraschenden Ausnahmeregelungen. Beispielsweise haben die Briten erreicht, dass in Großbritannien beheimatete Finanzinstitute eine Ausnahmeregelung bekommen. Die Warteschlange anderer Staaten, ebenfalls spezifische Ausnahmeregelungen zu bekommen, ist jedenfalls lang.

EU bei der Globalsteuer nicht geeint

Ob die Länder der Europäische Union überhaupt bei der Globalsteuer dabei sein werden, ist auch noch nicht geklärt. Denn Artikel 115 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU verlangt in der Steuerpolitik Einstimmigkeit. Genau diese ist derzeit nicht gegeben. Estland, Irland und Ungarn sind gegen eine Globalsteuer, Zypern hat sich sowieso nie dafür interessiert.

So wird der interessante Gedanke einer Globalsteuer vorsätzlich verwässert. Am Ende wird das politische Konzept so kompliziert sein, dass der Gedanke einer Weltsteuer völlig an der Ursprungsidee vorbeizielt. Tausende Ausnahmeregeln werden die Bilanzierung für Unternehmen massiv verkomplizieren, ein teurer politischer Kompromiss. Eines ist dabei klar: Die Zeche zahlt am Ende der Konsument. Wenn es also so egozentrisch weitergeht, dann wäre es für alle Beteiligten besser, die Idee der Globalsteuer zu begraben. Denn sonst wird die Idee einer einheitlichen Besteuerung für Unternehmen nur zur ärgerlichen Farce.

Er zählt in Österreich zu den besten Kommunikationsexperten. Die Rede ist vom PR-Profi und Politik-Insider Bernhard Krumpel (49). Sein Motto: „Always stay focused“. Klaren Fokus benötigte er unter anderem bei seinen komplexen Jobs für Politiker, Ministerien und Konzerne. Neben seiner Beratungstätigkeit gibt der Wirtschaftssoziologe gerne sein Wissen an Studenten weiter. Er ist Verfasser von Fachartikeln, wie etwa zur Aktionärsrechte-Richtlinie und deren Auswirkung auf die Unternehmenskommunikation, sowie Mitherausgeber von drei Buchbänden mit dem Titel „Spezialgebiete der PR“.