Die Drohung an Russland war eindeutig. Sollte ein Angriff auf die Ukraine erfolgen werde die Pipeline Nord Stream 2 keinesfalls in Betrieb genommen, verlautbarte das US Department kürzlich. Dies widersprach der ursprünglichen Ansicht des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD), der die Pipeline als privatwirtschaftliches Projekt betrachtete und die Entscheidung zur Inbetriebnahme der deutschen Bundesnetzagentur überließ.

Nord Stream 2 ist nur eine weitere Pipeline, die russisches Gas nach Deutschland fließen lassen soll, damit unter anderem deutsche Unternehmen, Haushalte und Kraftwerke mit der dringend benötigten Energie versorgt werden können. 55 Prozent der deutschen Gasimporte kommen derzeit schon aus Russland, 30 Prozent aus Norwegen und 13 Prozent aus den Niederlanden. Deutschland ist mehr denn je auf russisches Gas angewiesen, nachdem der Verzicht auf Kohle und Kernkraft beschlossen wurde. Hinzu kommt, dass Deutschlands größter Gasspeicher einem Tochterunternehmen der Gazprom gehört, die somit insgesamt bis zu 25 Prozent der deutschen Speicherkapazitäten kontrolliert.

Was ist die Alternative zum russischen Gas?

In dem Sinne ist es im fundamentalen Interesse aller, dass die Lage ruhig bleibt. Wobei der französische Präsident Emmanuel Macron sinnvollerweise auf Deeskalation setzt und das Gespräch mit dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin sucht. Wobei die russische Außenpolitik seit Monaten jegliche Kriegsambitionen strikt abstreitet und sich gegen derartige Unterstellungen vehement ausspricht, so auch der russische Botschafter Dimitrij Liubinskij in einem auf breites Interesse gestoßenen exxpress-Interview.

Dass Russland in der Ukraine einmarschiert, ist tatsächlich schwer zu glauben. Man kann viel über Putin denken, aber dumm ist er keinesfalls. Denn wer die vergangenen Jahre Revue passieren lässt, der wird kaum einen strategischen Fehler in der russischen Außenpolitik finden. Doch zurück zu Nord Stream 2: Jahrzehntelang – selbst in Zeiten des Kalten Krieges – hat Russland vertragsgemäß Gas geliefert, auch aktuell hält das Land seine Lieferverträge ein. Und die Abhängigkeit von Russlands Gas ist durch die etwas planlos ablaufende Energiewende so groß wie nie zuvor. Fakt ist mittlerweile, dass sich das Heizen mit Gas um durchschnittlich 54 Prozent verteuert hat. Zudem ist Gas der drittwichtigste Energieträger.

Falsche Planung in der Energiewende

Eine Änderung ist nicht in Sicht. Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) möchte bis zum Jahr 2030 etwa 17.000 Windräder errichten. Das sind zwei Prozent der Landesfläche. Heute stehen auf 0,5 Prozent der Landesfläche Windkraftanlagen. Diese von Habeck erdachte Vervierfachung der Windkraftflächen binnen acht Jahren können derzeit nur als Gedankenspiele bezeichnet werden. Denn kürzlich wurde bekannt, dass die für die Produktion notwendigen Gusseisenteile aufgrund völlig ausgelasteter Kapazitäten nicht produziert werden können.

Die deutsche Energiewende holpert also vor sich hin und ist wohl die nächsten Jahre auf russisches Gas und Atomstrom aus anderen Ländern angewiesen. Das hat auf ganz Europa Auswirkungen. Denn dadurch entsteht eine Angebotsverknappung und die Energiepreise steigen sprunghaft nach oben. Das bekommt auch Österreich zu spüren.

Europa ist Russlands wichtigster Gas-Exportmarkt, aber nicht sein einziger

Europa ist nach wie vor Russlands wichtigster Gas-Exportmarkt mit etwa 200 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr. Nord Stream 2 hat eine Kapazität von 55 Milliarden Kubikmeter.

Ungeachtet dessen hat Russland in den letzten Jahren seine Lieferkapazitäten nach Asien massiv ausgebaut. Zu Jahresende 2019 wurde das Projekt „Stärke Sibiriens“ in Betrieb genommen. 30 Jahre lang pumpen die Russen 38 Milliarden Kubikmeter Gas nach China, das Vertragsvolumen beträgt rund 363 Milliarden Euro. Weitere Projekte sind aktuell in Umsetzung.

Flüssiggastanker aus den USA sind kein Ersatz für Erdgas

Bei allem Verständnis Nord Stream 2 als Druckmittel einzusetzen, bleibt die Frage offen, wer die russischen Gaslieferungen ersetzen könnte. Das hat noch niemand den Menschen erklären können. Dass Flüssiggastanker aus den USA ein Ersatz für die Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland sind, klingt nicht sehr überzeugend. Denn die Menschen wollen primär, dass es in den Wohnungen warm ist, die Betriebe laufen und das Wirtschaftswachstum nach der Corona-Pandemie wieder ordentlich anspringt.

Laut einer aktuellen Civey-Umfrage finden es 47 Prozent der Deutschen richtig, Nord Stream 2 als Sanktionsmittel einzusetzen. Allerdings sind 67 Prozent für eine Inbetriebnahme. Mit ein Grund, warum Olaf Scholz derzeit in der Zwickmühle steckt und darauf hofft, dass in der Ukraine alles friedlich abläuft. Die militärische Hilfe Deutschlands an die Ukraine in Form von 5000 Soldatenhelmen kann diese Zwickmühle nicht besser ausdrücken.