
Bernhard Krumpel: Parteilose Justizminister als Zukunftsmodell?
In den vergangenen Jahren werden immer wieder Debatten geführt, die das Verhältnis zwischen Politik und Rechtsinstanzen thematisieren. Wir erinnern uns an die Diskussionen, ob Recht der Politik folgen soll – oder umgekehrt. Das wirft die Frage auf, ob die Ressortspitze in Zukunft nicht grundsätzlich mit unabhängigen Justizministern besetzt werden sollte. Auch als wichtiges Signal an die Bürger. An geeigneten Kandidaten mangelt es jedenfalls nicht.
Es war das Jahr 1990, als der damals 50-jährige Nikolaus Michalek als unabhängiger Justizminister sein Büro im Palais Trautson bezog. Der gelernte Notar sollte dort zehn Jahre bleiben. In einem Gespräch (Der Standard, 16.8.2009) meinte der Grandseigneur einst: “Unabhängigkeit ist für einen Justizminister ein großer Vorteil”. Damit war vermutlich nicht nur die Außenwirkung gemeint. Ein parteifreier Justizminister hat es leichter, das Ressort unabhängig von politischen Tendenzen weiterzuentwickeln, denn er ist keiner Parteistruktur verpflichtet. Natürlich benötigt jeder Minister zur Umsetzung seiner Gesetzespläne eine Parlamentsmehrheit und für das notwendige Budget einen guten Draht zum Finanzminister. Allerdings kann ein unabhängiger Justizminister mit Hilfe der Öffentlichkeit seinen Forderungen stärker Nachdruck verleihen. Zudem sollte ein Minister auch Schutzschild für die Reputation ihm zugeordneter Behörden und Instanzen sein. Dazu bedarf es politikerfahrener Personen. Viele meinen, eine Person, die diese Kriterien erfüllt, muss mit der Lupe gesucht werden. Ich meine, diese Konstellation, parteilos aber politikerfahren, gibt es. Zwei Personen fallen mir dazu sofort ein. Gerhard Jarosch, Staatsanwalt, Mitglied der europäischen Justizbehörde Eurojust sowie ehemaliger Präsident der österreichischen und der internationalen Staatsanwältevereinigung. Jemand, der zudem die mediale Dynamik sehr gut kennt und stets sehr überlegt agiert. Oder Sabine Matejka, ebenfalls mit internationaler juristischer Erfahrung und seit November 2017 Präsidentin der Richtervereinigung. Auch sie gilt als sehr sachlich, engagiert und hat gerade in der letzten Zeit die Richterschaft rund um die Uhr stets kompetent und mit klaren Worten vertreten. Diese zwei willkürlich gewählten Beispiele zeigen, dass Österreich sehr wohl parteilose, aber politikerfahrene Persönlichkeiten hat. Persönlichkeiten, denen zuzutrauen ist, die Interessen der Justiz selbstbewusst und mit Taktgefühl nach außen zu vertreten.
Keine Kritik an Ministern, sondern legitime Grundsatzfrage
Dieser Zugang, einen parteifreien Justizminister zu berufen, ist keine Kritik an den Amtsträgern gegenwärtiger oder vergangener Tage. Sondern ein zusätzlicher Schritt, um das Vertrauen der Österreicherinnen in eine der wichtigsten Säulen unserer Republik weiter zu stärken. In den justiziellen Strukturen kann die Qualität der Arbeit selbst von vom interessierten Laien beurteilt werden. Gerichtsurteile werden beispielsweise in Internetdatenbanken, Fachzeitschriften oder Entscheidungssammlungen veröffentlicht. Bei den Staatsanwaltschaften kann man den Berichten entnehmen, wie intensiv sich diese auch mit dem Zusammentragen entlastender Faktoren beschäftigt, oder ob es nur um Fehlersuche gehe mit dem Ziel einer Anklage. Oder wie oft Richter der Argumentation des Staatsanwalts gefolgt sind. Wie Oberbehörden bei Beschwerden und ähnlichem entschieden haben. In dem Sinne haben wir erfreulicherweise ein sehr transparentes Justizwesen. Jeder, der will, kann sich seine Meinung zum Justizwesen bilden, die Fakten liegen alle vor.
Wesentliche Aufgabe eines Justizministers ist es daher sicherzustellen, dass die Behörden in Ruhe arbeiten können und die dafür notwendigen Mittel vorhanden sind. Damit sind wir beim Geld. Die nicht marktgerechte Bezahlung sorgt oft dafür, dass die personellen Zugänge mager und die Abgänge schwer ersetzbar sind. Das ist kein alleiniges Problem der Justiz, ist aber ein Mitgrund für lange Verfahrensdauern. Schon in der Vergangenheit wurde deshalb die Republik Österreich durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt. Denn laut Artikel 6 Absatz 1 der Menschenrechtskonvention hat jeder Mensch Anrecht auf ein faires Verfahren innerhalb angemessener Frist. Dabei legt der EGMR Kriterien fest, anhand derer zu beurteilen ist, ob ein Verfahren unangemessen lange dauerte. Diese betreffen insbesondere die Komplexität des Falles, das Verhalten der Parteien, das Verhalten der staatlichen Behörden während des Verfahrens und die Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer. Ein parteiloser, aber politikerfahrener Justizminister wird sich frei von Parteizwängen leichter tun, die notwendigen Finanzmittel mit aller Vehemenz einzufordern. Schließlich ist ein reibungslos funktionierendes Justizsystem nicht nur für den einzelnen essenziell, sondern auch für einen arbeitsplatzaffinen Wirtschaftsstandort relevant. Da kommen wir um mehr Personal nicht herum. In dem Sinne weitergedacht, ist ein parteifreier Justizminister nicht nur für das Stimmungsbild der Öffentlichkeit wichtig, sondern auch für sichere Arbeitsplätze mitverantwortlich. Politische Interventionen werden dadurch aufgrund fehlender existentieller Abhängigkeit von einer Partei ebenfalls deutlich erschwert. Im anfangs erwähnten Gespräch konnte der ehemalige unabhängige Justizminister Michalek wenig über politischen Druck erzählen. Er habe diesen von Anfang an so konsequent ignoriert, dass „von vornherein nicht interveniert wurde. Man wusste bald, dass das eher kontraproduktiv ist.“
Er zählt in Österreich zu den besten Kommunikationsexperten. Die Rede ist vom PR-Profi und Politik-Insider Bernhard Krumpel (49). Sein Motto: „Always stay focused“. Klaren Fokus benötigte er unter anderem bei seinen komplexen Jobs für Politiker, Ministerien und Konzerne. Neben seiner Beratungstätigkeit gibt der Wirtschaftssoziologe gerne sein Wissen an Studenten weiter. Er ist Verfasser von Fachartikeln, wie etwa zur Aktionärsrechte-Richtlinie und deren Auswirkung auf die Unternehmenskommunikation, sowie Mitherausgeber von drei Buchbänden mit dem Titel „Spezialgebiete der PR“.
Kommentare
Unmittelbar vor Michalek gab es den ebenfalls parteiunabhängigen Justizminster Egmont Foregger im Kabinett Vranitzky, in dessen Amtszeit einige größere Prozesse, mehrheitlich gegen SPÖ-Mitglieder, fielen (Lucona, Noricum). Er erfreute sich allgemein hoher Wertschätzung, allerdings weniger seitens der SPÖ, die dann auch erfolgreich seine Ablöse betrieb.
Bis jetzt waren die Minister ja immer parteilos. Aber wenn die Richtung nicht passt, sind sie angeblich parteiisch. Bist du nicht schwarz oder türkis, bist du parteiisch. Bist du schwarz oder türkis, bist du neutral und somit parteilos…
Komische Frage. Bis auf ein paar Monate war der Justizminister jedesmal parteilos, wenn er von der ÖVP besetzt wurde.
Hat’s was gebracht?
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_%C3%B6sterreichischen_Justizminister
Danke, mir ist das nicht aufgefallen. Da fragt man sich halt, was der Artikel überhaupt soll.
Wichtiger wäre es endlich einmal die Weisungsbindung der Staatsanwälte zu beseitigen. Das ist eines demokratischen Rechtsstaats unwürdig. Da braucht man sich auch über Orban nicht zu echauffieren.
Ich glaube nicht, dass das richtig wäre, weil schließlich setzt sich ja eine Regierung aus Leuten zusammen, deren Partei gewählt worden ist. Irgendwie ist es ja doch noch eine Demokratie.
Außerdem kann es bei einem Parteilosen auch so sein, dass es für seine Ideen keine passende Partei in Österreich gibt – also keine die erlaubt wäre.
Warum sollte z.B. der Verteidigungsminister nicht zusammen und gleichzeitig mit dem Bundespräsidenten direkt vom Volk gewählt werden?
So würde es der Regierung mit keinerlei Interesse an einer vernünftigen Verteilungspolitik zumindest nicht so leicht fallen, das Bundesheer ungehindert still und leise verhungern zu lassen …
Das ist keine schlechte Idee. Wäre mal einen Versuch wert dass man Minister direkt wählt.
man sollte zumindest einige Staatssekretäre (als so eine Art Wachhund) vom Volk direkt wählen lassen, damit sie die Politiker daran erinnern – und wenn nötig dagegenhalten – was sie vor den Wahlen so alles versprochen haben dann aber doch nicht halten wollen!
LG
Also ich bin dafür man sollte mal offenlegen woher die ganzen Anwälte und Richter kommen. Wenn sie aus Anealtskanzleien kommen die Parteien vertreten und beraten gibts keinen Job in der staatlichen Justiz. So einfach geht das.
Irgendwie kommt mir das ganze echt vor wie wenn alles nach einem 2008 erstellten Silberstein-Drehbuch abläuft.
– Super Gau: Nazi Keule zieht nicht mehr gegen Schwarz-Blau.
– Die Linken brauchen ein System über die Justiz
– WKSTA wird gegründet
– Ein Grüner baut sie unter einer roten Justizministerin auf
– Anwälte werden von der SPÖ Anwaltskanzlei Lansky rekrutiert
– Ein SPÖ Politiker fordert die Jung-SPÖler öffentlich auf Jus zu studieren.
– Probelauf des Systems medialer Vorverurteilung mit Grasser und Maischberger
– Grasser wird ohne Beweise verurteilt
Ja es funktioniert.
Mehr braucht es nicht um zu dem Ergebnis zu kommen was wir heute haben.
Ein echtes Vertrauen in die Justiz geht sich da nicht mehr aus sorry.
… das “Drehbuch” wird gerade öffentlich verfilmt …
Also bei Fr. Matejka fürchte ich – so wie sie sich in den letzten öffentlichen Auftritten geäußert hat – dass sie nicht den Anforderungen genügt, parteifern zu sein. Zu eindeutig war ihre Stellungnahme pro WKSTA und wie sie die WKSTA als Teil der Justiz sieht, die sich meines Erachtens selbst zu sehr erhöht. WKSTA ist nicht Legislative!
Solange Kanzler und Vizekanzler einer Partei angehören (was sie auch sollten) ist es egal ob die Fachminister darunter ein Parteibuch haben oder nicht. Da geht es um die Person und nicht die Farbe (“grau”).
Prinzipiell sollte es eigentlich überhaupt egal sein, wer in der Regierung ist, weil die Aufgabe der Regierung ist es lediglich die Gesetze zu exekutieren. Das ist überhaupt nur deswegen ein Thema, weil die Regierung die Gesetze teilweise selbst macht oder sich an die Gesetze nicht hält.
In Österreich hat übrigens – im Gegensatz zu bespielsweise Deutschland – der Bundeskanzler keine Richtlinienkompetenz. D.h. der Bundeskanzler ist nicht der Vorgesetzte der Minister.
Dann kommt so ein Schmarrn raus, wie der VdB