Seit etwa einem Jahr knechtet das Coronavirus unser Leben. Die Unterstützungsgelder der Regierung an Unternehmen und Arbeitskräfte reißen ein Milliardenloch in die Staatskassa. Weite Teile der Bevölkerung sind wirtschaftlich ausgehungert, insbesondere die Mittelschicht. Vor Corona trug diese rund 69 Prozent der österreichischen Steuerleistung, während niedrige Einkommensschichten für etwa sechs Prozent und höhere Einkommensschichten für circa 25 Prozent aufkamen. Da eine breite Mittelschicht nicht nur steuerlich, sondern auch gesellschaftspolitisch von immenser Bedeutung ist, wird die Politik gut beraten sein, diese Millionen Menschen in der „post-Corona-Zeit“ nicht noch weiter unter wirtschaftlichen Druck zu setzen. Im Gegenteil. Es wird notwendig sein, weitere Hilfen bis in das Jahr 2022 zu leisten. Aktuell wurde der Zustand durch die Verlängerung von Beihilfen und Unterstützungen bis Ende Juni 2021 eingefroren. Spätestens dann laufen die Verlängerung der Kurzarbeit sowie die Stundungen für Steuern und Abgaben aus. Damit wird es jedoch nicht getan sein. Denn im zweiten Halbjahr 2021 startet der wirtschaftliche Überlebenskampf für viele  Kleinunternehmer. Gerade den Kleinunternehmern wurde wenig geschenkt, viel geborgt. Das muss bis auf den letzten Cent zurückgezahlt werden, denn Sozialversicherung und Finanzamt vergessen nichts. Auch wenn bedingt durch die Lockdowns monatelang Umsatzeinschränkungen gegeben waren.

Die Politik hat diese Gefahr der wirtschaftlichen und der darauffolgenden absehbaren gesellschaftlichen Destabilisierung scheinbar erkannt. Das zeigt etwa die von Bürgermeister Michael Ludwig, Stadtrat Peter Hanke und Wiener Wirtschaftskammer-Präsident Walter Ruck frühzeitig initiierte „Stolz auf Wien Beteiligungs GmbH“. Diese stellt Unternehmen durch Anteilskauf befristet Eigenkapital zur Verfügung, das kommt neben der Zukunftssicherung einem Schutzschirm gegen ungewollte Übernahmen gleich. Gleichzeitig geht es darum, gerade auf die hunderttausenden Ein-Personen-Unternehmen ein Augenmerk zu richten, die in der zweiten Jahreshälfte weiter unter Druck geraten werden.

Schulterschluss im Parlament notwendig

Auf Bundesebene wäre jedenfalls ein konstruktiver parteiübergreifender Schulterschluss wünschenswert, um in möglichst großer Einigkeit der kommenden Krisenphase zu trotzen. Ideen gibt es. Beispielsweise präsentierte NEOS Wirtschaftssprecher Schellhorn bei einer Parlamentssitzung im Jänner sinnvolle liquiditätssteigernde Maßnahmen für Unternehmen. So könnte im Zuge einer parlamentarischen Enquete ein Expertenhearing stattfinden. Es ist jedenfalls hoch an der Zeit, dass bereits heute ein Wirtschaftspaket für die zweite Jahreshälfte entwickelt wird, das die österreichischen Kleinunternehmen und damit heimische Arbeitsplätze bestmöglich sichert. Wie etwa eine schnellere Abschreibung höherwertiger Wirtschaftsgüter, um Investitionen anzukurbeln. Denn das Exportland Österreich braucht Überbrückungszeit, bis der Motor beim Hauptwirtschaftspartner Deutschland wieder rund läuft. Zuletzt meldete die deutsche Industrie für Dezember sinkende Auftragseingänge. Grund ist eine rückläufige Auslandsnachfrage in Höhe von 2,9 Prozent, aus dem Euroraum immerhin 7,5 Prozent. Das hat unmittelbare Folgen für Österreich. Laut Statistik Austria reduzierten sich hierzulande bereits im Jahr 2020 die Warenexporte um 7,5 Prozent. Deshalb müssen mögliche Maßnahmen über den Juni 2021 hinaus bereits jetzt erarbeitet werden. Sonst brennt die gesellschaftspolitische Lunte und Corona wird zum Pulverfass. Und das will hoffentlich niemand.