Als beschlossen wurde, Kernkraft als klimaneutrale Technologie in die Taxonomie aufzunehmen, war die Aufregung erstaunlich groß. Erstaunlich deshalb, weil dies keine Nacht-und-Nebel Aktion war. Monatelang wurde darüber diskutiert, abgestimmt und geschrieben, auch an dieser Stelle. Umso verblüffender war die Reaktion der heimischen Politik, die nur einen Schluss zulässt: Entweder war man zu sehr mit dem geplanten Lobau-Tunnelchen beschäftigt, um über die breite europäische Diskussion zur Kernenergie etwas mitzubekommen. Oder das Thema Atomkraft wurde nach guter österreichischer Tradition einfach ausgeblendet. Ohren zuhalten als Strategie zur Konfliktbewältigung. Die gespielte Empörungs- und Klagestrategie kann in Brüssel nicht ernst genommen werden. Zu lange hätte es die Möglichkeit gegeben, sich in die Diskussion konstruktiv einzubringen. Nun wurde Atomenergie in der Taxonomie, der Zukunftsbibel Europas, niedergeschrieben. Gut wäre zudem gewesen, sich mit den jüngsten Entwicklungen auseinanderzusetzen. Etwa mit den erstmals im Dezember 2021 in China in Betrieb genommenen „Kugelbett-Reaktoren“, ursprünglich eine deutsche Erfindung. Oder der Dual-Fluid Technologie, die so weit gediehen ist, dass bereits 2024 ein erster Demonstrationsreaktor in Kanada entstehen soll. Damit wären die Themen Atommüll und Sicherheit kein Hindernis mehr. Lediglich bei der Wirtschaftlichkeit gibt es unterschiedliche Prognosen. Aber bleiben wir bei der Taxonomie, die für nahezu alle Berufsgruppen von elementarer Bedeutung ist. Man könnte auch sagen: Bald wird jeder von uns jemanden kennen, der von der Taxonomie betroffen ist.

Die europaweite Diskussion verschlafen?

Die Taxonomie ist eine EU-Verordnung, die im Dezember 2020 in Kraft getreten ist. Das bedeutet, schon davor wurde ausgiebig diskutiert. Mitgliedsstaaten, welche die Bedeutung dieser Verordnung intellektuell erfasst haben, brachten sich in die Diskussion aktiv ein. Denn dort wird im Sinne des Pariser Klimaabkommens festgelegt, was künftig als nachhaltige wirtschaftliche Aktivität gesehen werden kann. Die Taxonomie ist also ein wichtiger Baustein des EU-Aktionsplans „Sustainable Finance“, ein politisches Herzstück der Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen.

Dabei ist die Taxonomie kein Fünf-Jahres-Plan. Im Gegenteil, sie wird laufend weiterentwickelt. Ihre Kriterien unterliegen einem ständigen review-Prozess, zudem werden die Anknüpfungspunkte zu anderen relevanten Gesetzesmaterien immer engmaschiger definiert.

Die Taxonomie legt sechs Umweltziele fest

Aktuell deckt die Taxonomie zwei der sechs Umweltziele ab, die 80 Prozent der Treibhausgasemissionen entsprechen. Umweltziele sind Klimaschutz, Klimawandelanpassung, nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen, Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Verschmutzung sowie Schutz von Ökosystemen und Biodiversität. Insofern erleichtert die Taxonomie-Verordnung Investoren und Unternehmen nachhaltige Investitionsentscheidungen zu treffen, da die zwingende Berichterstattung zur Taxonomie die Nachhaltigkeitsinformationen erstmals vergleichbar macht. Das Ende der Fahnenstange ist damit noch nicht erreicht. So lässt die EU-Kommission derzeit die vier restlichen Umweltziele ausarbeiten und entwickelt eine Sozialtaxonomie.

Um als Unternehmen taxonomiekonform zu sein, sind drei Schritte wesentlich. Es muss mindestens eines der sechs Umweltziele erreicht werden, keines der anderen Umweltziele negativ beeinflusst und sozialen Kriterien entsprochen werden. Bei letzterem bilden die “UN Guiding Principles for Business and Human Rights” sowie die OECD Guidelines for Multinational Enterprises den Beurteilungsrahmen.

Europa möchte also globaler Vorreiter in der Klimaneutralität werden. Ein ambitioniertes Ziel, das für Unternehmen folgendes bedeutet: Neue Verordnungen und Gesetze. Die Taxonomie ist das Standardwerk dazu.

Er zählt in Österreich zu den besten Kommunikationsexperten. Die Rede ist vom PR-Profi und Politik-Insider Bernhard Krumpel (49). Sein Motto: „Always stay focused“. Klaren Fokus benötigte er unter anderem bei seinen komplexen Jobs für Politiker, Ministerien und Konzerne. Neben seiner Beratungstätigkeit gibt der Wirtschaftssoziologe gerne sein Wissen an Studenten weiter. Er ist Verfasser von Fachartikeln, wie etwa zur Aktionärsrechte-Richtlinie und deren Auswirkung auf die Unternehmenskommunikation, sowie Mitherausgeber von drei Buchbänden mit dem Titel „Spezialgebiete der PR“.