Der 1989 verstorbene legendäre Staranwalt Dr. Michael Stern wusste schon sehr früh um die Bedeutung der öffentlichen Meinung bei Straf- und Zivilrechtprozessen. Damals waren die Klienten noch vom medialen Geschick des jeweiligen Anwaltes abhängig. Im Laufe der Jahre professionalisierte sich jedoch die mediale Begleitung von Straf- und Zivilprozessen, der Begriff „Litigation PR“ machte die Runde.

Professionelle Litigation PR greift keine Institutionen an

Litigation-PR kommt zum Einsatz vor, während und nach juristischen Auseinandersetzungen. Die offizielle Geschichte der Litigation PR beginnt in den USA in den 1980er Jahren. Aufsehenerregende Prozesse wie die Anklage des American-Football Star O. J. Simpson 1994 in den USA wegen Mordes an seiner Ex-Frau Nicole Brown Simpson und ihrem Bekannten Ronald Goldman oder die Anti-Trust Klage gegen Microsoft erhöhten das mediale Interesse an Gerichtsverfahren.
In Deutschland gilt der „Kachelmann-Prozess“ als Beispiel offensiver Litigation PR, in Österreich haben die Verfahren um die Meinl Bank, Karl Heinz Grasser oder Rakhat Aliyev Berühmtheit erlangt. Dabei unterstützt Litigation PR lediglich die juristische Strategie der Anwälte. Ziel ist, die juristische Auseinandersetzung zu begleiten und die Position des Mandanten in der Öffentlichkeit zu optimieren.
Mittlerweile hat sich Litigation PR auch in Österreich als breite Disziplin etabliert. Litigation PR muss zumeist jahrelang, parallel zur Prozessdauer, eingesetzt werden. Der Schritt an die Öffentlichkeit muss beim Einsatz von Litigation-PR immer sehr bedacht und gut überlegt erfolgen. Deshalb sind gezielt eingesetzte und gesteuerte Informationen der weitaus bessere Ansatz, um die gewünschten Kommunikationsziele zu erreichen. Diese können beispielsweise im Zuge von Hintergrundgesprächen oder Interviews an die entsprechenden Personen weitergegeben werden. Wichtig ist ein Faktum: Es geht im Wesentlichen darum, Positionen klarzumachen und keinesfalls Institutionen anzugreifen oder Richtersprüche vorwegzunehmen.

Der Anwalt gibt die Strategie vor

Klar ist somit, wer bei Litigation die Strategie vorgibt, nämlich der Anwalt. Der Kommunikationsexperte begleitet in laufender Absprache mit dem Anwalt und dem Mandanten diese Strategie. Sollte der Anwalt bei Gesprächen mit dem Mandanten nicht dabei sein, dann ist es Aufgabe des PR-Experten sich mit dem Rechtsanwalt auszutauschen, bevor er eine Handlung setzt. Diese gelebte hierarchische Struktur beugt Missverständnissen vor und erleichtert die Zusammenarbeit genauso, wie die festgelegte Rollenaufteilung. In vielen Fällen ist es zudem empfehlenswert, wenn der Rechtsanwalt auch die Sprecherrolle gegenüber den Medien übernimmt. Auf der anderen Seite ist der PR-Experte gerade bei zivilrechtlichen Streitigkeiten abhängig von der schnellen Informationsbereitstellung durch den Rechtsanwalt, um passende mediale Positionen zu entwickeln und punktgenau Medien ansprechen zu können.

Gutachten sollen Wahrheitsfindung unterstützen

Privatgutachten können unterschiedliche Ziele verfolgen. Bei einer absehbaren Anklage liegt der Fokus des Gutachtens darauf, dem Gericht oder der Öffentlichkeit die Sichtweise des Beschuldigten darzulegen. Wie an der Stellungnahme von Prof. Lewisch zur von der WKStA behandelten Inseratencausa ersichtlich ist, wird hier durchaus sehr zuspitzend formuliert.
Anders ist dies bei Privatgutachten, die auf die ermittelnde Behörde, also in dem Fall die WKStA, abzielen und als Unterstützung für deren Arbeit verstanden werden. Indem Sachverhalte nachweisbar aufbereitet werden, Annahmen durch weitergehende belegbare Informationen klargestellt werden und anfängliche Verdachtslagen sachlich aufgearbeitet werden. In dem Fall arbeitet der Gutachter – sehr einfach formuliert – der Behörde zu. Diese Gutachten brauchen dementsprechend keine Öffentlichkeit, es braucht nur eine fachliche Würdigung der Behörde.

Litigation PR ist ein Spezialthema

Als ehemaliger langjähriger Branchenvertreter für Public Relations weiß ich: Trotz der kurzen Geschichte in Österreich, gibt es bereits einige handwerkliche Fehler, die sich fatal für die Betroffenen auswirkten. Deshalb eine Klarstellung: Litigation PR ist ein Fachgebiet und bedarf speziellen Wissens.
Auch die Staatsanwälte haben im Laufe der Jahre ihre Öffentlichkeitsarbeit professionalisiert. Begonnen hat diese neue mediale Zeitrechnung im Jahr 2010, als der Staatsanwalt Gerhard Jarosch, zudem einer der kompetentesten Medienexperten, Präsident der Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte wurde. Seit damals verbesserte sich der Auftritt der Interessensvertretung stetig, heute finden regelmäßig Statements zu aktuellen Themen statt.
Ob Litigation PR überhaupt wirkt, versucht seit 2009 Prof. Hans Mathias Kepplinger, Professor für Empirische Kommunikationsforschung am Institut für Publizistik der Universität Mainz, zu erforschen. Dabei befragt er (deutsche) Richter sowie Staatsanwälte und kommt zum Schluss, dass es bei Litigation PR weniger um die Frage von Schuld oder Unschuld, sondern um das Strafmaß geht.
Es gäbe noch sehr viel dazu zu schreiben, aber eines sollte jedenfalls nun klar sein: Litigation PR ist keine Hexerei, sondern ein Handwerk für Experten, basierend auf einem spezifischen Fundament. Ansonsten wären wir bei Dirty oder Negative Campaigning. Das ist allerdings ein anderes Gebiet. Und das sollte nicht verwechselt werden.