Seit Russlands Invasion in der Ukraine dreht sich die Eskalationsschraube weiter. Mit der Entsendung von Streubomben an Kiew wurde eine neue Stufe erreicht. Noch im Februar hatte die NATO diesen Schritt ausgeschlossen. Fünf Monate später ist das anders – nicht zum ersten Mal, wie der Rückblick verrät.

Biden lehnte zahlreiche militärische Hilfen für Kiew zunächst dezidiert ab, nur um sie wenig später einzuleiten. Ob F-16, Abrams-Panzer, Streubomben, Langstreckenraketen oder US-Streitkräfte – gemäß Bidens ursprünglichen Zusagen hätten sie nie in die Ukraine entsendet werden sollen, unter anderem wegen des Risikos eines Dritten Weltkriegs. Der US-Sender Fox News hat Bidens gebrochene Versprechen ausgegraben.

F-16-Kampfjets

Im Jänner wurde Biden gefragt, ob die USA F-16-Kampfjets in die Ukraine schicken würde. „Nein“, entgegnete er sofort. Zuvor hatte Selenskyj erfolglos darum gebeten. Mehrere Gründe führte Washington für die Ablehnung an, darunter die mangelnde Ausbildung der ukrainischen Piloten und ihr fehlendes Wissen über die Wartung der High-Tech-Jets. Am 16. März 2023 wiederholte das Weiße Haus das Versprechen: keine F-16 an Kiew.

Die USA entsenden zurzeit keine F-16-Kampfjets, billigt es aber, wenn es NATO-Partner tun.

Doch schon am 4. März bildeten die USA ukrainische Kampfpiloten in Arizona an F-16-Simulatoren aus – dies sei eine „Gewöhnungsübung“, hieß es. Im Mai genehmigte Biden schließlich die Entsendung von F-16-Kampfflugzeugen von US-Verbündeten innerhalb der G7.

Washington scheint auf dem Standpunkt zu stehen, mit seiner bisherigen Politik nicht gebrochen zu haben. Immerhin erlauben die USA ja nur ihren Partnern, Militärjets zu schicken, ohne das selbst zu tun. Geopolitisch gesehen lässt sich darüber streiten, wie relevant dieser Unterschied ist. Russland warnte: Es betrachte diesen Schritt als Eskalation des Konflikts durch die USA und ihrer Verbündeten.

Abrams-Panzer

Im Jänner genehmigte Biden die Lieferung von Abrams-Panzern in die Ukraine. Zuvor sollten 31 Stück zu diesem Zweck hergestellt werden – so viele sind für ein Bataillon erforderlich. Allerdings hatte Biden selbst zehn Monatae zuvor, im März 2022, erklärt: Ein solcher Schritt führe zu einem globalen Konflikt: „Die Vorstellung, dass wir Offensivausrüstung schicken und Flugzeuge, Panzer und Züge mit amerikanischen Piloten und amerikanischen Besatzungen einsetzen, das nennt man den Dritten Weltkrieg, okay?“

31 Abrams-Panzer werden nun in den USA zwecks Entsendung an die Ukraine hergestellt.APA/AFP/ROMEO GACAD

Bei diesem Meinungsumschwung Bidens dürfte Deutschland eine wichtige Rolle gespielt haben. Berlin schickte damals seine Leopard-Panzer an Kiew, wollte aber einen weiteren Verbündeten an dem Risiko beteiligen. Offensichtlich befürchtete Berlin, der Kreml könnte diesen Schritt als Bedrohung oder Kriegshandlung auffassen. Biden sagte, der Plan, Panzer zu schicken, stelle „keine offensive Bedrohung für Russland dar“.

Später erklärte Verteidigungsminister Lloyd Austin, logistische Gründe seien dafür ausschlaggebend gewesen, der Ukraine zunächst keine Panzer zu senden. Bidens ursprüngliche Erklärung war eine andere gewesen: Die USA könnten einen globalen Konflikt auslösen.

Streubomben

Kurz nach der Invasion wurde die damalige Pressesprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, zu Streumunition befragt. „Es gibt Berichte über illegale Streubomben und Vakuumbomben, die von den Russen eingesetzt werden“, berichtete ein Reporter. „Wenn das wahr ist, was ist dann der nächste Schritt dieser Regierung?“ Psaki entgegnete: Der Einsatz von Streubomben wäre in der Tat ein Kriegsverbrechen. „Das ist es – das wäre es. Eine Bestätigung dafür habe ich nicht.“

Eine Streubombenkapsel liegt in der ukrainischen Kleinstadt Awdijiwka auf dem Boden.Andre Luis Alves/Anadolu Agency via Getty Images
Die Überreste von Artilleriegranaten und Raketen einschließlich Streumunition werden in Toretsk gelagert.Pierre Crom/Getty Images

Mehr als ein Jahr später, am 7. Juli 2023 wurde bekannt, dass auch die USA Streubomben an die Ukraine liefern werden. Biden begründete das unter anderem mit der Munitionsknappheit. Der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan erklärte, dass die Ukraine mehr Munition benötige, diese aber noch nicht produziert worden sei. Zur „Überbrückung“ würden Streubomben geschickt. Im Übrigen würde Russland diese Munition bereits einsetzen, bei den amerikanischen sei aber die Blindgängerquote geringer „nicht mehr als 2,5 Prozent“.

Damit begehen die USA gemäß ihren eigenen Worten nun Kriegsverbrechen, die sie aber damit rechtfertigen, dass es der Feind der Ukraine ebenfalls tut. Der Einsatz von Streubomben gilt als Kriegsverbrechen, weil es so viele Blindgänger gibt: Selbst Jahre nach dem Krieg können unschuldige Zivilisten von ihnen getötet werden.

Langstreckenraketen

Im Mai 2022 erklärten Biden vor Reportern beim Weißen Haus: „Wir werden keine Raketensysteme an die Ukraine schicken, die Russland treffen können“. Allerdings forderte die Ukraine genau solche Waffen, und wie bei Panzern, Kampfjets und Streubomben sollte sie sich auch hier durchsetzen.

Im Februar wurde bekannt: Die USA stellen der Ukraine ein neues Waffensystem zur Verfügung, das die Reichweite von Raketenangriffen verdoppeln soll. Die Ground Launched Small Diameter Bomb (GLSDB) kann Ziele in einer Entfernung von 150 Kilometern treffen.

Die USA haben der Ukraine mittlerweile mehr als 30 HIMARS-Raketensysteme zur Verfügung gestellt. Ebenso liefern sie die Zielkoordinaten – so ist der bisherige Ablauf. Sprich: Die ukrainischen Streitkräfte teilen den US-Militärs das Ziel ihres Angriffs mit, die USA liefern dazu die genauen Koordinaten. Bisher haben sie eine Reichweite von 150 Kilometern. Die Ukraine will Raketensysteme, die noch weiter fliegen können, mutmaßlich um die Krim anzugreifen, denn ohne deren Wiedervereinigung mit der Ukraine ist der Krieg für Selenksyj nicht zu Ende.

US-Truppen in der Ukraine

Im März 2022 versprach Biden in einer weiteren Rede, dass „unsere Streitkräfte nicht in einen Konflikt mit russischen Streitkräften in der Ukraine verwickelt sind und auch nicht verwickelt werden“. Der US-Präsident wörtlich:  „Unsere Streitkräfte gehen nicht nach Europa, um in der Ukraine zu kämpfen, sondern um unsere NATO-Verbündeten zu verteidigen – für den Fall, dass Putin beschließt, weiter nach Westen zu ziehen.“ Die Mobilisierung von Bodentruppen, Luftstaffeln und Schiffseinsätzen diene dem Schutz von NATO-Staaten wie Polen, Rumänien, Lettland, Litauen und Estland.

Abseits von ukrainischen Soldaten und freiwilligen ausländischen Helfern sollen sich auch NATO-Spezialeinheiten im Land befinden.

Eine Reihe von geleakten Dokumenten des Nationalgardisten Jack Teixeira enthüllten in diesem Jahr etwas anderes: Die USA und andere NATO-Staaten haben bereits Spezialeinheiten in der Ukraine stationiert. Im Februar 2023 haben sich demnach 14 US-Spezialeinheiten in der Ukraine aufgehalten, sowie 97 weitere Spezialeinheiten von fünf verbündeten NATO-Ländern, darunter Großbritannien.

ABC News berichtete später, dass von der US-Botschaft in Kiew aus Spezialeinheiten operierten. Einem Beamten zufolge, mit dem sie sprachen, „hat das Team nicht nur Unterstützung bei der Überwachung von US-Ausrüstung und -Lieferungen an die Ukraine geleistet, sondern auch ukrainische Militärplaner bei Operationen unterstützt, die zu Hunderten, wenn nicht Tausenden von Opfern unter den russischen Soldaten geführt haben“.

Bidens wichtigstes Versprechen lautet bis heute: Die USA werden keinen Krieg mit Russland führen.