Sie ist die Vordenkerin der jungen Antitrust-Bewegung, die sich rund um US-Senatorin Elizabeth Warren von der Demokratischen Partei versammelt hat. Die Rede ist von Lina Khan, der erst 32-jährigen Juristin und Professorin der New Yorker Columbia-Universität. In der Regierung Biden dürfte ihr Einfluss nun wachsen. Der US-Präsident hat sie in die nationale Handelskommission berufen, eine von zwei Kartellbehörden des Landes. Bereits 2017 forderte Khan in einem vielbeachteten Aufsatz neue Regeln für die Tech Giants.

„Strafen reichen nicht“

Bisher hatten Antitrust-Gesetze das Wohl des Konsumenten im Auge. Monopole – so die Argumentation – würden ihre Vormachtstellung zulasten der Verbraucher ausnützen, was diesen höhere Preise beschere als auf einem Markt mit „vollständiger Konkurrenz“. In ihrem Aufsatz „The Amazon Antitrust Paradox“ erweiterte Lina Khan die Perspektive: Nicht nur konsumentenfeindliche Praktiken seien das Problem, meinte die Tochter pakistanischer Einwanderer, sondern auch schädliche Folgen für die Gesamtwirtschaft, vor allem für die kleine Konkurrenz.

Klein- und Mittelunternehmen würden von Monopolisten wie Amazon durch Dumpingpreise ausgestochen, kritisierte Khan. Darüber hinaus könnten die Tech-Riesen mit hohen Löhnen aufwarten, mit denen sie den Kleinen die Ingenieure abwerben. Vor allem aber schaffe „die Ökonomie von Plattformmärkten Anreize, Wachstum über Profite zu stellen“. Deshalb könne es sich etwa Jeff Bezos leisten, über Jahre hinweg die Eroberung von Marktanteilen über den Gewinn zu stellen. Bußgelder als Gegenmaßnahme reichten hier nicht aus. Khan will neue Regeln für einen fairen Wettbewerb.

Muss Jeff Bezos (im Bild mit Ex-Frau MacKenzie) bangen? Das Geschäftsmodell von Amazon könnte unter die Räder kommenAPA/AFP/Mandel Ngan

Lina Khans Nominierung erntete Applaus von der Non-Profit-Organisation Center for Digital Democrazy: „Khan kann die nationale Handelskommission aus dem Sumpf führen, in dem sie jahrzehntelang stecken geblieben ist.“

Scharfe Kritik erntet die Bestellung hingegen von der Information Technology and Innovation Foundation: „Lina Khan hat maßgeblich dazu beigetragen, eine populistische Sicht auf das Kartellrecht in die Mainstream-Medien und die Öffentlichkeit zu tragen“, erklärt der Think-Tank mit Sitz in Washington. Sein erklärtes Ziel ist es vor allem, die technologische Innovation voranzutreiben. Khan verkörpere ein „Hipster-Kartellrecht“, demzufolge Größe per se schlecht sei und das Kartellrecht Konkurrenten statt Verbrauchern und Innovationen schützen sollte. „Ihre Schriften und Meinungen offenbaren eine starke Vorliebe für kleinere, weniger effiziente und weniger innovative Konkurrenten auf Kosten einer objektiven Durchsetzung der Kartellgesetze.“ Die Foundation befürchtet, dass Khans „Kartellpopulismus“ US-Unternehmen und Verbrauchern schaden werde, zugunsten von ausländischen Rivalen wie China.

US-Kartellkontrolle nähert sich der EU an

In der nationalen Handelskommission haben die Demokraten seit Trumps Abwahl die Stimmenmehrheit. Unter den Republikanern und ebenso unter der Obama-Regierung ließ die Aufsichtsbehörde die Tech-Monopole im wesentlichen noch frei walten. Nun dreht sich der Wind.

Der Unterausschuss für Wettbewerb im US-Repräsentantenhaus forderte schon im Herbst die Zerschlagung marktmächtiger Plattformen. „Firmen, die einst rauflustige Underdog-Startups waren und den Status Quo angegriffen haben, haben sich nun zu Monopolisten entwickelt, die wir zuletzt in der Ära der Ölbarone und Eisenbahnmagnate gesehen haben“, erklärte der Vorsitzende des Unterausschusses, der Demokrat David Cicilline.

Apple, Amazon, Facebook und Google wehren sich

Khan war bereits Beraterin in Cicillines Ausschuss und hat die demokratischen Abgeordneten bei der Vorbereitung des 449 Seiten schweren Reports unterstützt. Die Plattformen müssten demnach künftig ihr Geschäft als Händler von dem als Betreiber eines Marktplatzes trennen. Das beträfe Amazon ebenso wie Googles und Apples App-Stores. Damit würde die US-Kartellkontrolle näher an jene der EU rücken, wo ähnliche Vorschläge schon länger kursieren.

Die Chefs der vier Technologie-Riesen Apple, Amazon, Facebook und Google wehren sich gegen den Vorwurf der Marktdominanz und des unfairen Wettbewerbs. Google-Chef Sundar Pichai zufolge suchen viele Nutzer auch bei anderen Online-Handelsplattformen. Aus Sicht von Facebook-Chef Mark Zuckerberg bieten die zugekauften Dienste Instagram und WhatsApp dank der Ressourcen des Online-Netzwerks einen besseren Service für ihre Nutzer.