Was für ein Fiasko, auch für Peter Hacker (SPÖ). Als Gesundheitsstadtrat ist er nämlich für das Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser (KWP) zuständig. Mit 9000 Bewohnern ist das KWP Wiens größter Anbieter für Seniorenbetreuung. Die Blamage ist näher besehen eine doppelte.

Lohnverrechnerin litt unter Spielsucht

Zum einen wird einer Lohnverrechnerin des KWP ein perfides Verbrechen zur Last gelegt. Die Beschuldigte – Andrea Koflacher – litt unter Spielsucht. Um sich ihre Leidenschaft zu finanzieren, soll sie still und heimlich Gelder von der KWP abgezweigt haben. Von 360.000 Euro ist in der Anklageschrift die Rede. Der Prozess beginnt in der kommenden Woche. Koflacher ist voll geständig. Ende 2020 tätigte sie ihre erste Überweisung. Sie hatte Konten auf Namen von aktuellen und ehemaligen Kollegen dafür eigens eingerichtet, wie „Profil“ berichtet.

Erstaunlich ist, dass sich Koflacher unbemerkt von Vorgesetzten und Controlling so bereichern konnte. Doch die Angelegenheit hat ein i-Tüpfelchen – und das ist der zweite Aspekt dieser Peinlichkeit: Ausgerechnet ab 2020 durchleuchtete eine von Hacker beauftragte Anwaltskanzlei die KWP grundlegend. Der Grund waren massive Vorwürfe gegen die damalige Geschäftsführerin Gabriele Graumann. Eine Anzeige des Stadtrechnungshof und ein „Profil“-Bericht hatten den Stein ins Rollen gebracht. Es bestand der Verdacht der Bestechlichkeit, Vorteilsnahme, Untreue und des Betrugs.

Trotz forensischer Untersuchungen flog Koflacher nicht auf

Die Causa Graumann und die Causa Koflacher haben formal nichts miteinander zu tun. Im Gegensatz zu Koflacher wurde Graumann mittlerweile von allen Vorwürfen frei gesprochen. Nur: Wie dreist Andrea Koflacher damals vorgegangen ist, erstaunt schon. Obwohl die KWP wegen des Verdachts gegen Graumann unter massiver Beobachtung der Staatsanwaltschaft, der Anwaltskanzlei und der Medien stand, hat die Mitarbeiterin in der Lohnverrechnung ihre mutmaßlich kriminellen Aktivitäten begonnen.

Gabriele Graumann (Bild) war zu Unrecht beschuldigt worden.KWP

Die gesamte Einrichtung war durchleuchtet worden. Forensische Untersuchungen fanden statt. Man fragt sich aber, wie Koflachers Überweisungen unter diesen Umständen nicht auffliegen konnten. Das ist – höflich formuliert – unangenehm.

Zunächst massive Vorwürfe gegen Graumann

Peinlich ist für Hacker aber noch etwas anderes: der Umgang mit der zu Unrecht beschuldigten Ex-Geschäftsführerin. Der Gesundheitsstadtrat ließ Graumann suspendieren, wenige Tage nach Erscheinen des „Profil“-Berichts. Im Februar 2021 erklärte er, dass sich der Verdacht „gegen die Geschäftsführerin und weitere Mitarbeiter hinsichtlich vergaberechtlicher Missstände zu Preisabsprachen“ im Zuge der Prüfung erhärtet habe. „Neue Vorwürfe“ seien hinzugekommen. Graumann, die schon damals alle Anschuldigungen bestritt, soll etwa überhöhte Prämien von 49.000 Euro bezogen haben. Der KWP-Vorstand aus Mitgliedern des Wiener Gemeinderats (die allen Parteien angehören) beschloss daraufhin Graumanns sofortige Entlassung.

Nun, zwei Jahre später, ist alles anders: Die Staatsanwaltschaft Wien stellte die Ermittlungen gegen Graumann ein. „Bereits der objektive Tatbestand ist mangels Vermögensschaden nicht erfüllt“, heißt es in der Begründung. Mit anderen Worten: Jene umfassende Überprüfung, der die Bereicherungen von Frau Koflacher entgangen sind, hat gleichzeitig Gabriele Graumann zu Unrecht verdächtigt.

Die Causa hat ein teures Nachspiel für Wien

Die unangenehme Konsequenz: Zwischen der KWP und der massiv geschädigten Graumann musste ein Vergleich geschlossen werden, über den Stillschweigen vereinbart wurde. Der an die ehemalige Geschäftsführerin ausgezahlte Betrag dürfte allerdings alles andere als gering sein. Graumann hat jene Zahlungen eingeklagt, die ihr bei „ordnungsgemäßer Auflösung des Dienstverhältnisses“ zugestanden wären. „Bereits 2021 wurden 700.000 Euro budgetiert für den Fall, dass sich herausstellen sollte, dass Graumann zu Unrecht entlassen wurde“, schreibt das „Profil“.

Hacker will zu all dem nichts mehr sagen. Der Fall Graumann ist für ihn beendet. Der Fall Koflacher ist es noch nicht.