Es sind heikle Neuigkeiten, mit denen NBC aufwartet. Der Sender stützt sich dabei auf „ein halbes Dutzend Personen“, die mit der Sache vertraut sind, darunter ehemalige und jetzige US-Beamte. Eine Gruppe von ehemaligen hochrangigen US-Sicherheitsbeamten führt demnach hinter den Kulissen Gespräche mit prominenten russischen Persönlichkeiten, darunter auch Außenminister Sergej Lawrow. „Ziel der Gespräche ist es, die Grundlage für mögliche Verhandlungen zur Beendigung des Krieges zu schaffen“, berichtet NBC News gestützt auf anonyme Quellen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und sein Umfeld unterstreichen: keine Gespräche hinter unserem Rücken.Reuters

Dies alles geschehe mit Wissen der Biden-Administration statt. Im Anschluss an das mehrstündige Treffen mit Lawrow, das im April stattgefunden hat, hätten die Beteiligten auch den Nationalen Sicherheitsrat des Weißen Hauses informiert. Der Austausch mit Russlands Außenminister soll in New York stattgefunden haben, im Rahmen eines seltenen, kurzen US-Besuchs Lawrows, der gerade den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat innehat. Das berichteten sechs Beamte, zwei davon noch im Dienst.

Die anonymen Quellen versichern: Präsident Biden weiß Bescheid.

Auch über von Russland besetzte Gebiete gesprochen

Gemäß NBC standen „einige der heikelsten Fragen des Krieges in der Ukraine“ auf der Tagesordnung, darunter „das Schicksal der von Russland gehaltenen Gebiete, die die Ukraine möglicherweise nie befreien kann, und die Suche nach einem diplomatischen Ausweg, der für beide Seiten akzeptabel wäre.“

Auf amerikanischer Seite soll Richard Haass, ein ehemaliger Diplomat und der scheidende Präsident der US-Denkfabrik Council on Foreign Relations, beim Treffen mit Lawrow dabei gewesen sein. Ebenso nahmen Europaexperte Charles Kupchan und der Russlandexperte Thomas Graham teil, heißt es. Beide sind ehemalige Beamte des Weißen Hauses und des Außenministeriums und heute Stipendiaten des Council on Foreign Relations.

Anzeichen für Friedensgespräche nach Gegenoffensive

Es war nicht der einzige diskrete Austausch mit Russland. Bei anderen Beratungen waren auf russischer Seite Akademiker, führende Vertreter großer Denkfabriken oder Forschungsinstitute und Persönlichkeiten aus dem Bereich der russischen Außenpolitik dabei, also Personen, „von denen man annimmt, dass sie ein offenes Ohr bei Präsident Wladimir Putin haben oder in regelmäßigem Kontakt mit Entscheidungsträgern im Kreml stehen“, berichtet NBC. Aus Sicherheitsgründen werden ihre Namen nicht genannt. Auf amerikanischer Seite sollen einige ehemalige Beamte des Verteidigungsministeriums beteiligt gewesen sein, darunter Mary Beth Long, eine ehemalige stellvertretende Verteidigungsministerin mit umfassender Erfahrung in NATO-Fragen.

Laut NBC News mehren sich die Anzeichen dafür, „dass die USA und ihre Verbündeten darauf erpicht sind, dass Moskau und Kiew im Herbst nach Abschluss der ukrainischen Gegenoffensive zu Friedensgesprächen zusammenkommen.“

Nach der ukrainischen Gegenoffensive könnten Friedensgespräche beginnen. Dazu drängen einige Beamte in den USA und verbündete Staaten.

Ex-Diplomaten rechnen mit Pattsituation im Herbst

Die beiden Ex-Diplomaten Haass und Kupchan haben darüber hinaus in einem längeren Artikel in „Foreign Affairs“ einen Plan vorgestellt, „wie man vom Schlachtfeld an den Verhandlungstisch kommt”. Nach der Gegenoffensive werde höchstwahrscheinlich eine Pattsituation eintreten, schreiben sie unter dem Titel „Der Westen braucht eine neue Strategie in der Ukraine“. Daher sollten die USA auf einen Waffenstillstand hinarbeiten, bei dem sowohl Russland als auch die Ukraine ihre Truppen von der Frontlinie zurückziehen und „eine entmilitarisierte Zone“ entsteht.

Unbekannt ist, wie häufig solche Hintertür-Gespräch bisher stattgefunden haben, und ob sie „Teil einer einzigen, organisierten Anstrengung sind“. Kiew beharrt darauf, selbst solche Verhandlungen zu dürfen und wehrt sich gegen Entscheidungen hinter dem Rücken der Ukraine. Das ist auch Washingtons offizielle Linie.