Nicht nur um das Bier im Pub und den Lieblings-Milkshake im McDonald’s müssen die Briten mittlerweile bangen: Mittlerweile hat sich die Engpass-Situation im Vereinigten Königreich zu einer ausgewachsenen “Schweinerei” entwickelt. Schlechter Scherz beiseite: Tatsächlich ist es so, dass es in Großbritannien aktuell viel zu weniger Metzger gibt. Und das hat massive Auswirkungen auf die Fleischindustrie: Es kam sogar so weit, dass Schweine entsorgt werden mussten, einfach weil nicht genügend Ressourcen zur Schlachtung zur Verfügung standen. Die Regierung bemüht sich um Lösungen und hat erst im Oktober 800 Arbeitsvisa ausgelobt, doch bis die Engpässe auf natürlichem Wege behoben werden können, mussten andere Mittel und Wege gefunden werden. Darum haben britische Fleischproduzenten nun damit begonnen, sogenannte “Schlachtkörper”, also geschlachtete Tiere, aus Großbritannien in die EU zu exportieren. Dort werden diese dann verarbeitet und verpackt, bevor sie als regionale Ware wieder zurück ins Vereinigte Königreich und auf die britischen Tische kommen.

Wie der Verbandschef der britischen Fleischindustrie erst kürzlich gegenüber der “Financial Times” erklärte, exportiert Großbritannien Fleisch mittlerweile nicht nur nach Irland, sondern wohl bald auch in die Niederlande. Seinen Angaben zufolge werden momentan rund eine Million britische Schweine auf diese Weise verarbeitet.

Johnson: "Brexit und Corona haben nichts damit zu tun"

Der Begriff des “Shortage”, zu gut Deutsch “Engpass”, ist in Großbritannien momentan in aller Munde. Und während für die breite Masse die Zusammenhänge zwischen den Engpässen in vielen Bereichen des Lebens und gewissen politischen Rahmenbedingungen klar scheinen, sehen Premier Boris Johnson und seine Regierung absolut keinen Zusammenhang zwischen dem Brexit und empfindlichen “Shortages” im Land.

Woran liegt es dann, dass die Insel plötzlich so gut wie keine Schlachter hat? Schätzungen der British Meat Processors Association zufolge fehlen Großbritannien derzeit zwischen 10.’000 und 12.000 Schlachter. Als Gründe für diesen akuten Mangel werden von Branchenvertretern vor allem zwei Gründe genannt: Der Brexit und die Pandemie. Allein 2o2o haben rund 200.000 EU-Bürger das Vereinigte Königreich aufgrund des Austritts aus der EU verlassen – darunter viele, die aus Osteuropa stammen. Denn seit dem Brexit ist es für sie sehr viel schwieriger geworden, in Grossbritannien zu arbeiten.

Wer als EU-Bürger im Vereinigten Königreich beruflich tätig sein will, braucht nun ein Visum. Der Prozess ist allerdings kompliziert und dauert einige Zeit, sodass die meisten Metzger aus dem Ausland wohl nicht vor Ende November zu arbeiten beginnen können. Unklar ist auch, wie viele Fleischer überhaupt ins Vereinigte Königreich kommen wollen, denn die Visa sind für sechs Monate befristet. Danach sollen die Metzger wieder in ihre Heimat.

"Schweineteurer" Metzgermangel: 1755 Euro Zusatzkosten pro LKW-Ladung

Aus Sicht der Industrie ist das keine langfristige Lösung. Und so dürfte der Export von Schlachtkörpern nach Irland erst der Anfang sein, auch wenn das Ganze viel Geld kostet. Nach Angaben des Verbands der fleischverarbeitenden Industrie belaufen sich die zusätzlichen Kosten pro Lkw-Ladung auf 1500 Pfund (umgerechnet etwa 1850 Franken). Darin enthalten sind der Transport sowie die Gebühren für die brexitbedingten Kontrollen an der EU-Grenze.

Bislang wird britisches Fleisch nur bei der Ausfuhr in die Europäische Union kontrolliert. Bei der Wiedereinfuhr ins Vereinigte Königreich gibt es keine aufwendigen Überprüfungen, jedenfalls noch nicht. Erst von Januar an sollen britische Zollbeamte die Importe aus der EU genau kontrollieren. Gut möglich, dass es dann noch länger dauert, bis britische Steaks in britischen Supermärkten landen.