Auf Europas Wirtschaft kommt ein administrativer Tsunami zu. Einige Klein- und Mittelunternehmen sind sich dessen offenbar noch nicht bewusst, denn offiziell betrifft die neue EU-Richtlinie nicht sie. Das stimmt aber nicht, wie sich schon sehr bald zeigen wird. Die Folgen des Regulierungswahns der EU werden massiv sein.

Bürokratie und unnötige Vorgaben: Das verbinden viele Menschen heute mit der EU – aus gutem Grund. Im Bild: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Brüssel will mit der neuen bürokratischen Schikane die Nachhaltigkeit der Unternehmen harmonisieren. Dass der Plan der europäischen Wirtschaft zu mehr Schwung verhelfen wird, darf bezweifelt werden.

Neue Berichtspflichten zur Nachhaltigkeit

Europäische Unternehmen müssen zu ihrem Leidwesen schon jetzt Berichtspflichten nach Vorgaben von EU-Bürokraten erfüllen. Nun kommen weitere, noch umfassendere Berichtspflichten hinzu. Mit ihnen will Brüssel etwa die sozialen, ökologischen und klimatischen Auswirkungen von Unternehmen erfassen.

Der europäische Wirtschaftsmotor brummt schon seit Jahren nicht mehr so laut und so schnell wie in den USA oder gar in Asien.

Deshalb gilt seit diesem Jahr die sogenannte CSRD-Richtlinie (Akronym für Corporate Sustainability Reporting Directive). Sie verlangt die Veröffentlichung unzähliger nichtfinanzieller Daten für alle Unternehmen mit 250 Mitarbeitern und 40 Millionen Euro Umsatz. Die CSRD-Vorgabe löste die seit 2014 geltende Richtlinie „Non-Financial Reporting Directive“ (NFRD) ab, die „nur“ die Angabe „nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen“ forderte, und das von weit weniger Unternehmen.

Unternehmen müssen ab 2024 Daten gemäß einheitlichen Standards in zwölf Kategorien veröffentlichen

Mit der seit diesem Jahr geltenden CSRD-Richtlinie soll die Berichterstattung zur Nachhaltigkeit in die Finanzberichterstattung miteinfließen. Einheitliche Standards in zwölf Kategorien wurden ausgewählt. Das erste Set der EU-Standards hat die EU-Kommission bereits erlassen. Dazu gehören unter anderem Umweltverschmutzung, Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette, Unternehmenspolitik sowie Klimawandel. Hunderttausende Unternehmen werden präzise und vollständige Daten auf der Grundlage von Indikatoren, die Brüssel festgelegt hat, veröffentlichen müssen.

Die EU will Nachhaltigkeit europäischer Unternehmer harmonisieren.

Ab 2024 werden alle Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro diese neue Richtlinie einhalten müssen. Im Jahr 2025 werden auch Unternehmen mit 250 oder mehr Mitarbeitern an der Reihe sein. Was viele noch nicht ahnen: Schon sehr bald wird diese Vorgabe auch wesentlich kleinere Unternehmen treffen.

Sogar die Auswirkungen der Wertschöpfungskette auf die Umwelt soll erfasst werden

Die Firmen müssen nämlich nicht nur Informationen über die Auswirkungen ihrer Aktivitäten bereitstellen, sondern ebenso über die Folgen ihrer gesamten Wertschöpfungskette (!) auf Gesellschaft und Umwelt. Das sorgt für Sorgenfalten. Die Folge wird sein: Die Großunternehmen werden ihre Lieferanten und Subunternehmer zur Übermittlung einer außerfinanziellen Berichterstattung verpflichten müssen.

Auf Europas Wirtschaft kommt hier ein wahres Bürokratie-Monster zu: Unter den Lieferanten und Subunternehmen sind nämlich zahlreiche Klein- und Mittelunternehmen (KMU).

Nicht nur Großunternehmen, auch ihrer Zulieferer werden wohl detaillierte Berichte abliefern müssen.
Die neue Regelung der EU wird nicht nur die großen Unternehmen betreffen.

KMU-Vertreter sind besorgt

Es gibt bereits erste Kritik, etwa aus Frankreich. François Asselin, der Präsident der Konföderation kleiner und mittlerer Unternehmen, warnt in „Le Figaro“: „Einerseits wird sich die CSRD-Richtlinie bald an Unternehmen mit 250 oder mehr Mitarbeitern wenden, bei denen es sich um nichts anderes als große KMU handelt, die nicht unbedingt für einen weiteren administrativen Tsunami gerüstet sind. Aber auch alle KMU werden betroffen sein, denn sie sind fast alle Zulieferer oder Subunternehmer größerer Unternehmen.“