Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach kürzlich erstmals von 31.000 getöteten ukrainischen Soldaten. Diese Zahl ist wohl zu niedrig. Beim österreichischen Bundesheer geht man von 70.000 gefallenen Soldaten auf ukrainischer Seite aus. Insgesamt seien 200.000 ausgefallen. 130.000 wurden entweder verletzt, oder sie sind vermisst oder Kriegsgefangene. Das berichtet der Militärexperte Major Albin Rentenberger von der Wiener Landesverteidigungsakademie nun im ORF.

300.000 russische Soldaten ausgefallen

Bei den Russen dürften 300.000 Soldaten ausgefallen sein, von denen 100.000 gestorben sind. Also sowohl bei Russland, als auch bei der Ukraine sind etwa ein Drittel aller ausgefallenen Soldaten im Krieg getötet worden.

Angesichts der russischen Übermacht ist das ein für die Ukraine ungünstiges Verhältnis: Auf einen ausgefallenen ukrainischen Soldaten kommen „nur“ 1,5 russische.

Major Albin Rentenberger berichtet beim ORF über die Verluste auf russischer und ukrainischer SeiteScreenshot / ORF

70 bis 80 Prozent der Ausfälle durch Artillerie

Neben dem Personalmangel ist der Artilleriemangel das nächste Problem Kiews – und es verstärkt die Engpässe an der Front zusätzlich, denn: „70 bis 80 Prozent der Ausfälle sind durch Artillerie verursacht“, berichtet Major Rentenbacher. „Deshalb sprechen wir auch von einem Krieg der Artillerie.“ Russland würde 10.000 Granaten am Tag verschießen. „Dem kann die Ukraine nur 2000 entgegenhalten. Dieser Artillerie-Munitionsmangel ist ein ganz großes Problem für die Ukraine im Jahr 2024.“

Die Ukraine wurde damit klar in die Defensive gedrängt. Angesichts der Übermacht der Russen bei Artillerie und Soldaten werde die Ukraine heuer wohl den ein oder anderen Verlust von Territorium in Kauf nehmen, sagt der Militärexperte. Sie werde sich auf Stellungen zurückziehen, von denen aus sie sich besser verteidigen kann.

Wo sind junge Soldaten?

Europa hat mittlerweile in die Waffenindustrie investiert. Bis zum Jahresende könnten wieder vermehrt Waffen und Munition in der Ukraine eintreffen. Doch das Personalproblem könnte möglicherweise noch gravierender sein. Seit der Invasion vor zwei Jahren haben sechs Millionen Ukrainer das Land verlassen. Unter ihnen sind zahlreiche Männer zwischen 20 und 40 Jahren. Das spiegelt sich in der Bevölkerungspyramide mittlerweile wider. Es fehlt vor allem an knapp über 20-jährigen Männern und Frauen.

Der Altersschnitt bei der ukrainischen Armee ist ziemlich hoch.

Auch Russlands Demographie ist auf Dauer ungünstig für einen jahrelangen Abnützungskrieg, doch bei Kiew ist der Einschnitt noch stärker. Da wird die Mobilisierung weiterer Männer natürlich schwierig.

Einen allzu langen Krieg kann sich Russland angesichts seiner demographischen Probleme auch nicht wünschen.